- Orgeln der Jakobikirche (Lübeck)
-
Orgeln der Jakobikirche (Lübeck) Allgemeines Ort St. Jakobi Orgelerbauer Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt Baujahr (1466/1504/1573/1673) 1984 Orgellandschaft Schleswig-Holstein Technische Daten Anzahl der Register 62 Anzahl der Pfeifenreihen 93 Anzahl der Manuale 4 Tontraktur Mechanisch Registertraktur Mechanisch Anzahl der 32′-Register 1 Die Orgeln der Jakobikirche (Lübeck) sind die Große Orgel auf der Westempore, die Stellwagen-Orgel (als Schwalbennestorgel an der Nordwand) und die im originalen Gehäuse rekonstruierte Lettnerorgel in der dreischiffigen Backsteinhallenkirche St. Jakobi zu Lübeck.
Inhaltsverzeichnis
Große Orgel
Baugeschichte
Erste Nachrichten über Orgelmusik in Lübeck datieren aus dem 14. Jahrhundert. Die ältesten Bestandteile der heutigen Großen Orgel in St. Jakobi stammen aus der gotischen Blockwerk-Orgel von 1465/66. Erhalten ist auch der gotische Prospekt von 1504. Er bildet das heutige Hauptwerk und wird mit Peter Lasur in Verbindung gebracht. Hans Köster fügte 1573 ein reich verziertes Rückpositiv im Stil der Renaissance hinzu. Genau 100 Jahre später führte Jochim Richborn einen Erweiterungsumbau durch und ergänzte die Orgel um ein Brustwerk und zwei barocke Pedaltürme (1673). Die Orgel verfügte nun über 51 Register und war Richborns größtes Werk. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgten verschiedene Anpassungen und klangliche Veränderungen.[1] So erweiterte Julius Bünting im Jahr 1740 das Brustwerk um drei Register und platzierte es als Oberwerk hinter dem Hauptwerkgehäuse. Im Pedal fügte er die Posaune 32′ hinzu.
Ins Auge fällt das Gehäuse, das mit reichem Schnitzwerk verziert ist. Alle Prospektpfeifen sind mit goldfarbenen Gesichtern und Ornamenten um die Labien herum bemalt. Im Rückpositiv sind einige Pfeifen zudem ziseliert oder mit goldenen Masken versehen. In den Pedaltürmen füllen Flammenornamente die Zwischenräume zwischen den Pfeifenfüßen aus.
Restaurierungen im 20. Jahrhundert
Auf Veranlassung von Hugo Distler führte Karl Kemper 1935 einen durchgreifenden Umbau im Sinne einer Barockisierung durch. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Instrument in eine zum Bunker umgebauten Seitenkapelle der Kirche ausgelagert. Im Zuge des Wiederaufbaus (1957–1965) erweiterte Emanuel Kemper jun. die Orgel um ein viertes Manual. Die grundlegende Wiederherstellung und Restaurierung in den Jahren 1981 bis 1984 durch Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt orientierte sich am Zustand von 1673. Die erhaltene historische Substanz wurde bewahrt und restauriert, verloren gegangene Stimmen rekonstruiert. Maßgeblich waren die erhaltenen Teile von 22 historischen Registern. Zusätzlich wurde ein schwellbares Oberwerk mit französisch-romantischer Ausrichtung gebaut.[1]
Disposition seit 1984
Die heutige Disposition lautet:[1]
I Rückpositiv C–g3 Principal 8′[Anm. 1] Gedackt 8′[Anm. 1] Quintadena 8′[Anm. 1] Octav 4′[Anm. 1] Blockflöte 4′[Anm. 1] Sesquialtera II [Anm. 1] Octav 2′[Anm. 1] Quint 11/3′ [Anm. 1] Scharff V–VI Cymbel III Dulcian 16′ Trechterregal 8′ Krummhorn 8′ Tremulant II Hauptwerk C–g3 Principal 16′[Anm. 1] Octav 8′[Anm. 1] Spillpfeife 8′[Anm. 1] Octav 4′[Anm. 1] Flöte 4′[Anm. 1] Quint 22/3′[Anm. 1] Octav 2′ Mixtur VI–VIII Scharff IV Trompete 16′[Anm. 1] Trompete 8′[Anm. 1] Zink 8′[Anm. 2] III Oberwerck C–g3 Bordun 16′[Anm. 1] Offenflöte 8′ Viola da Gamba 8′ Schwebung 8′ Principal 4′ Querflöte 4′ Rohrnassat 22/3′ Spitzflöte 2′ Terzflöte 13/5′ Sifflöte 1′ Mixtur V Fagott 16′ Trompete 8′ Oboe 8′ IV Brustwerck C–g3 Holzgedackt 8′ Principal 4′ Rohrflöte 4′ Nassat 22/3′ Octav 2′ Waldflöte 2′ Terz 13/5′ Quint 11/3′ Scharff IV Vox humana 8′ Tremulant Pedal C–g3 Principal 16′[Anm. 1] Subbaß 16′ Quintbaß 102/3′ Octav 8′[Anm. 1] Gemshorn 8′ Octav 4′ Gedackt 4′[Anm. 1] Rauschpfeife III [Anm. 1] Hintersatz IV Posaune 32′ Posaune 16′[Anm. 1] Trompete 8′ Trompete 4′ - Koppeln: I/II, III/II mechanisch, III/II elektrisch, IV/II, I/P, II/P, III/P
- Spielhilfen: 4 × 640 Setzerkombinationen, Schweller für III (Jalousien) als Schwelltritt und Registerzug, Schweller für IV (Türen) als Registerzug
- Anmerkungen
Bildergalerie
Kleine Orgel
Orgeln der Jakobikirche (Lübeck) Allgemeines Ort St. Jakobi Orgelerbauer Gotisch (Anonymer Orgelbauer) / Friederich Stellwagen Baujahr (1467/)1515/1637 Epoche Gotik, Frühbarock Orgellandschaft Schleswig-Holstein Technische Daten Anzahl der Register 31 Anzahl der Pfeifenreihen 43 Anzahl der Manuale 3 Tontraktur Mechanisch Registertraktur Mechanisch Baugeschichte
Neben der Großen Orgel befand sich bereits in gotischer Zeit eine zweite Orgel in der Kirche. 1467/1515 wurde an der Nordwand eine einmanualige Schwalbennestorgel errichtet. Friederich Stellwagen führte 1636–1637 einen Erweiterungsumbau durch und ergänzte Rückpositiv, Brustwerk und ein kleines Pedalwerk hinter dem Hauptwerkgehäuse. Er baute die geteilte gotische Windlade in eine Schleiflade mit zwei Pedaltransmissionen um. Im 19. Jahrhundert wurden einige Register ausgetauscht. Eine Erneuerung der Mechanik erfolgte in den Jahren 1935 durch die Firma Kemper, die auch das Pedal erweiterte. Die Wiederaufstellung 1946 nach der Auslagerung (1942) sowie Eingriffe 1961 waren leider mit Veränderungen und Verlust von Originalsubstanz verbunden (Spieltisch und Subbaß von 1637).[1] Nach strengen denkmalpflegerischen Grundsätzen restaurierten schließlich die Gebr. Hillebrand die Orgel 1977/78 auf hohem orgelbautechnischen Niveau und rekonstruierten die Spiel- und Registertraktur, den Spieltisch und den Subbaß 16'. Das ohnehin nicht mehr originale Pedalwerk wurde hinsichtlich Tonumfang und Registerzahl gegenüber dem Konzept Stellwagens erweitert und erhielt seinen Standort hinter dem Hauptwerkgehäuse.
Das gotische Hauptwerkgehäuse korrespondiert mit dem der Westorgel. Und wie bei dieser sind auch bei der Stellwagenorgel alle Labien der Pfeifen im Hauptwerk mit goldenen Gesichtern bemalt. Das berühmte Instrument blieb als einzige historische Orgel Lübecks optisch und klanglich weitgehend erhalten. Neben der Schnitger-Orgel in St. Jacobi zu Hamburg und der Totentanzorgel in St. Marien zu Lübeck übte die Stellwagen-Orgel ab der Organistentagung 1925 einen großem Einfluss auf die junge Orgelbewegung aus. Der Komponist Hugo Distler, Jakobiorganist von 1931-1937, ließ sich von ihren alten Klängen inspirieren und veranlasste 1935 den Umbau mit dem Ziel einer Restaurierung. Er bezeichnete die historischen Register als „eine fantastische, hintersinnige, transparente Klangwelt“.[2]Durch die Schallplattenaufnahmen von Helmut Walcha erlangte die Stellwagenorgel weite Bekanntheit.[3]
Disposition seit 1978[1]
I Rückpositiv CDEFGA–c3 Gedackt 8′ S Quintadena 8′ S Principal 4′ S Hohlflöte 4′ S Sesquialtera II S/H Scharf III–IV S Trechterregal 8′ S Krummhorn 8′ S II Hauptwerk CDEFGA–c3 Principal 16′ G Octave 8′ G Spillpfeife 8′ S Octave 4′ G Nasat 22/3′ 17. Jh. Rauschpfeife II G/H Mixtur IV G/H Trompete 8′ H III Brustwerk CDEFGA–c3 Gedackt 8′ S Quintadena 4′ S Waldflöte 2′ S Cimbel II S Regal 8′ S Schalmei 4′ S Pedal C–d1 Subbaß 16′ H Principal 8′ H Spillpfeife (HW) 8′ S Octave 4′ H Gedackt 4′ G/H Flöte 2′ H Rauschpfeife IV H Posaune 16′ H Trompete (HW) 8′ H Trompete 4′ H Regal 2′ H - G = Gotisch (1467/1515)
- S = Friederich Stellwagen (1636/37)
- H = Gebr. Hillebrand (1977/78)
- Koppeln: III/II, I/II, I/P, II/P
Technische Daten
- Traktur:
- Tontraktur: Mechanisch
- Registertraktur: Mechanisch
- Windversorgung:
- Winddruck: 75 mmWS
- Stimmung:
- Höhe: ein Ganzton über a1= 440 Hz
- Temperierte Stimmung (Werckmeister)
Richborn-Positiv
Neben den beiden historischen Orgeln befindet sich seit 2003 eine Chororgel in St. Jakobi. Nachdem man auf dem sogenannten Uhrenboden über der Sakristei einen Schrank mit der Jahreszahl 1673 entdeckt hatte, ergaben die Nachforschungen, dass es sich um das Gehäuse einer Kleinorgel (Positiv) handelte. Jochim Richborn, der in diesem Jahr seine Umbaumaßnahmen an der Großen Orgel abgeschlossen hatte, erwies sich als Erbauer des Instrumentes. Ursprünglich stand es auf dem Lettner, der, wie in Norddeutschland allgemein üblich, als Sängerempore fungierte. Als der Lettner im Jahr 1844 abgebrochen wurde, wurde die Orgel ihres Innenlebens beraubt. Pfeifenwerk, Windladen, Klaviatur und Balganlage gingen verloren. Der hölzerne Kasten diente fortan als Schrank. 1999/2000 wurde dieses Gehäuse restauriert. Mads Kjersgaard (Dänemark) rekonstruierte das Innenwerk mit acht Registern auf der Grundlage eines erhaltenen Schwesterinstrumentes in Skokloster (Schweden). Die heutige Disposition lautet:[1]
I Manual CDEFGA–c3 Gedact 8′[Anm. 1] Principal 4′[Anm. 2] Octava 2′[Anm. 3] Sedecima 1′ Principal D 8′ Sesquialter D 3′+1 3/5′ Quinta B 11/2′ Dulcian B/D 8′[Anm. 4] - Anmerkungen
Liste der Organisten
- 1573 und 1584–1594 Kaspar Brotschat († 1594)
- 1594–1629 Lazarus Namudadewitz († 1629)
- 1630–1650 Jo(a)chim Vogel (ab 1635 auch Werkmeister)
- 1652–1686 Johann Schleet († 1690)
- 1686–1708 Peter Hasse der Jüngere (* 1640; † 1708)
- 1709–1734 Hans Hermann Steffens
- 1735–1736 Johann Christian Mengs († 1736)
- 1737–1740 Georg Wilhelm Saxer († 1740)
- 1743–1774 Kaspar Georg Sellschop (* 1712; † 1774)
- 1774–1796 Johann Friedrich Gottlieb Westenholz (* 1727; † 1796)
- 1797–1802 Johann Georg Witthauer (* 1751; † 1802)
- 1802–1835 Matthias Andreas Bauck (* 1765; † 1835)
- 1835–1848? Johann Joachim Diedrich Stiehl (* 1800; † 1872)
- 1864–1892 Heinrich Schmahl
- 1872–1930 Emanuel Kemper (* 1844; † 1933)
- 1931–1937 Hugo Distler (* 1908; † 1942)
- 1937–1968 Johannes Brenneke (* 1904; † 1968)
- 1968–1971 Manfred Kluge (* 1928; † 1971)
- 1972–1976 Hans-Jürgen Schnoor (* 1946)
- 1977–2005 Armin Schoof (* 1940)
- seit 2005 Arvid Gast (* 1962)
- seit 2009 auch Ulf Wellner (* 1977)
Weblinks
Commons: Orgeln der Jakobikirche (Lübeck) – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienLiteratur
- Martin Balz: Göttliche Musik. Orgeln in Deutschland. Konrad Theiss, Stuttgart 2008, ISBN 3-8062-2062-X (230. Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde).
- Mads Kjersgaard, Dietrich Wölfel: Zwei Positive des Orgelbauers Jochim Richborn von 1667 und 1673. Schmidt-Römhild, Lübeck 2005, ISBN 3-7950-1267-8.
- Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Geweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5.
- Dietrich Wölfel: Die wunderbare Welt der Orgel. Lübeck als Orgelstadt. 2. Auflage. Schmidt-Römhild, Lübeck 2004, ISBN 3-7950-1261-9.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Kirchenkreis: Orgeln in St. Jakobi (gesehen 17. August 2010).
- ↑ Barbara Distler-Harth: Hugo Distler. Lebensweg eines Frühvollendeten. Schott, Mainz 2008, ISBN 978-3-7957-0182-6, S. 217 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Balz: Göttliche Musik. 2008, S. 44.
53.8709410.68896Koordinaten: 53° 52′ 15,4″ N, 10° 41′ 20,3″ OKategorien:- Orgel in Deutschland
- Christentum (Lübeck)
- Musik (Lübeck)
Wikimedia Foundation.