Straßen- und Kleinbahn Pforzheim

Straßen- und Kleinbahn Pforzheim

Straßen- und Kleinbahn der Stadt Pforzheim bildeten jahrzehntelang das Nahverkehrsangebot in der heute zu Baden-Württemberg gehörenden Stadt an Enz und Nagold. Dieses wurde noch durch zwei Oberleitungsbus-Linien ergänzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfang des 20. Jahrhunderts war die damals badische Stadt Pforzheim zu einer wohlhabenden Industriestadt herangewachsen, in der vor allem die Gold-, Silber- und Schmuckwarenherstellung vorherrschte. Die Ausdehnung des Stadtgebiets mit fast 70.000 Einwohnern machte die Einrichtung öffentlicher Verkehrsverbindungen erforderlich. So entstand zunächst eine Lokalbahn und dann eine elektrische Straßenbahn.

Kleinbahn Pforzheim–Ittersbach

Hauptartikel: Pforzheimer Kleinbahn

Am 2. Januar 1900 eröffnete die Badische Lokal-Eisenbahnen AG (BLEAG) die „Albtalbahn“, eine meterspurige Nebenbahnstrecke, die von Pforzheims Nachbarort Brötzingen in westlicher Richtung über die nördlichen Ausläufer des Schwarzwaldes die Landeshauptstadt Karlsruhe erreichte. Die Strecke mit ihren zahlreichen Windungen war von Brötzingen bis Ittersbach 16,3 Kilometer lang.

Die Endstation wurde am 2. Juli 1901 auf den Leopoldplatz im Zentrum der Stadt Pforzheim verlegt; das verlängerte die Bahn um 2,7 Kilometer. Noch bevor die Stadt am 30. November 1911 ihre elektrischen Straßenbahnlinien eröffnete, gab die BLEAG den Streckenabschnitt Brötzingen–Leopoldplatz an die Stadt ab. Eine elektrische Lokomotive übernahm ab 3. Oktober 1911 in Brötzingen die zur Innenstadt fahrenden Züge. Als im Jahre 1912 die BLEAG ihre Albtalbahn mit Wechselstrom (8.800 Volt) elektrifizierte, musste der Kleinbahnhof Brötzingen für den Systemwechsel besonders ausgestattet werden. Bald darauf zwang der Kohlenmangel während des Ersten Weltkrieges die Gesellschaft, wieder mit Dampflokomotiven zu fahren. Die Endstation war – ab 1919 – wieder Brötzingen.

In der Wirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts musste die BLEAG Konkurs anmelden. Sie stellte den regulären Verkehr auf der Albtalbahn am 2. Januar 1931 ein, führte aber noch bis zum Monatsende einen Notbetrieb zwischen Pforzheim und Ittersbach durch. Diesen südlichen Abschnitt erwarb die Stadt Pforzheim und machte ihn zu einem Betriebsteil der städtischen Straßenbahn, der – nicht ganz korrekt – als Kleinbahn oder – wegen der schönen Aussicht – auch als Panoramabahn bezeichnet wurde. Man begann mit der Elektrifizierung und setzte bis zum Mai 1931 den Notbetrieb mit Dampflokomotiven fort.

Schon am 24. Mai 1931 konnte der elektrische Betrieb mit neuen Triebwagen aufgenommen werden, die auf der Außenstrecke mit Gleichstrom von 1.200 Volt Spannung gespeist wurden, während diese in der Innenstadt wie bei der Straßenbahn nur 600 Volt betrug.

Die Kleinbahn überstand den Zweiten Weltkrieg ohne große Schäden, wenn sie auch ihren Endpunkt zwischen 1945 und 1948 in Pforzheim verlegen musste: Das Kursbuch 1946 gibt die Wagenhalle als Endstation an, das gilt auch noch 1948 und 1949, doch endeten einige Züge an der Durlacher Straße und begannen an der Goethestraße. Der Leopoldplatz erscheint erst im Winterfahrplan 1949/50 wieder im Kursbuch.

Am 16. Juli 1966 endete der Güterverkehr, der nur in den ersten beiden Jahrzehnten eine Rolle gespielt hatte. Der Personenverkehr sollte am 3. August 1968 folgen. Doch ein verheerendes Unwetter zerstörte schon am 10. Juli 1968 große Teile der Oberleitung und andere Einrichtungen der Bahn, so dass sich ein Wiederaufbau nicht mehr lohnte. Die Abschiedsfahrt konnte daher am 3. August nur auf Teilstrecken stattfinden.

Elf neue Omnibusse ersetzten nun die fünf vierachsigen Triebwagen mit ihren vier Beiwagen. Die Vertreter der Stadt wiesen darauf hin, dass auf der Omnibuslinie die Gesamtfahrzeit von 50 auf 30 Minuten reduziert werden könne. Der neue Busverkehr brachte tatsächlich eine Erhöhung der Fahrgastzahlen, da die Haltestellen besser in den Ortschaften lagen.

Städtische Straßenbahn Pforzheim

Erst zehn Jahre nach der Eröffnung der Lokalbahn begann man, das Stadtgebiet mit elektrischen Straßenbahnen zu erschließen. Am 1. Dezember 1911 wurden die Linien A (Gaswerk–Leopoldplatz–Brötzingen) und B (Bahnhof–Leopoldplatz–Kallhardtsteg) in Betrieb genommen.

Im Jahre 1914 war das Netz 6,25 Kilometer lang und wurde von 26 Triebwagen und 30 Beiwagen befahren; außerdem standen 3 elektrische Lokomotiven zur Verfügung. Eine Erweiterung der Straßenbahn musste wegen des Ersten Weltkrieges und seiner Folgen zunächst unterbleiben. Erst am 1. August 1926 wurde der Hauptfriedhof im Norden der Stadt angeschlossen und am 6. Februar 1927 die Linie nach Dillweißenstein im Süden eröffnet, die am Marktplatz abzweigte und weitgehend dem Lauf der Nagold folgte.

Das Netz hatte sich nun auf 12,3 Kilometer Länge fast verdoppelt und wurde von drei Linien befahren:

  • 1 Gaswerk–Marktplatz–Leopoldplatz–Brötzingen
  • 2 Hauptfriedhof–Bahnhof–Leopoldplatz–Kallhardtbrücke–Kupferhammer
  • 3 Leopoldplatz–Marktplatz–Kupferhammer–Dillweißenstein

Die Statistik für 1939 weist 33 Triebwagen und 24 Beiwagen aus.

Obwohl die Straßenbahn im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden erlitten hatte, nahm man ab 1945 nach und nach den Betrieb wieder auf, sah aber von einer grundlegenden Renovierung der Gleisanlagen und der Fahrzeuge ab. Vielmehr plante die Stadt die allmähliche Umstellung auf einen Obusbetrieb.

Am 10. Oktober 1964 fuhr zum letzten Mal die Straßenbahn in Pforzheim. Es war ein Restbetrieb der Linie 1 auf dem 2,7 Kilometer langen Teilstück Leopoldplatz – Brötzingen, das noch weitere vier Jahre lang von den straßenbahnähnlichen Fahrzeugen der Lokalbahn befahren wurde; an diesem Abschnitt an der Westlichen Karl-Friedrich-Straße lag auch der gemeinsame Betriebsbahnhof, im Volksmund Wagenhalle genannt.

Obusbetrieb der Stadt Pforzheim

Obus Pforzheim
Legende
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3,4 Wilferdinger Höhe
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Krankenhaus Siloah
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Zum Geigersgrund
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Hachelturm
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Hauptfriedhof
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Ispringer Staffel
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Philippstraße
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2,7 Wartberg
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Friedrich-Ebert-Straße
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1,4
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Zähringerallee
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Pfälzerstraße
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Christophallee
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Bahnstrecke Karlsruhe–Mühlacker
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Hauptbahnhof
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Bahnhofstraße
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Leopoldplatz
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Enz
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Sedanplatz
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Jahnstraße/Bleichstraße
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Rodstraße
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Kallhardtstraße
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Nagold
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1,9 Kupferhammer
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Riedstraße
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Seegerstraße
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Ludwigsplatz
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Hirsauer Straße
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Äußere Hirsauer Straße
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Nagoldbad
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Steinbergsgutstraße
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Nagold
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Burggartenstraße
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5,4 Dillweißenstein
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Übergang zur Nagoldtalbahn

Strecken

Das Ende von Straßen- und Lokalbahn bedeutete also noch nicht den Abschied von elektrisch betriebenen Verkehrsmitteln. Am 29. September 1951 wurden zwei Obuslinien in Betrieb genommen. Vom zentralen Leopoldplatz führte die Linie 4 am Hauptbahnhof vorbei nach dem Wartberg-Viertel im Nordosten der Stadt (2,7 km). Die Linie 5 nahm den gleichen Weg in das Gebiet nördlich des Bahnhofs und wandte sich dann nach Westen zum Hauptfriedhof, wo bis 1945 die Straßenbahn geendet hatte, und erreichte jenseits der Bahnstrecke nach Karlsruhe die Wilferdinger Höhe (3,4 km). Das Netz war 4,8 Kilometer lang. Damals waren fünf Obusse vorhanden, dazu zwanzig Straßenbahntriebwagen und dreiundzwanzig Beiwagen sowie vier Omnibusse.

Zwei Jahre später ersetzte man die Straßenbahnlinie 3, die nach Süden ins Nagoldtal bis Dillweißenstein führte, ebenfalls durch Obusse. Die bisherige Obuslinie 4, die man derart verlängerte, übernahm die Liniennummer 3. Auch die Obuslinie 5, die man nunmehr Linie 2 nannte, erweiterte man nach Süden bis zum Kupferhammer. Beide Obuslinien benutzten bis zur Nagoldbrücke die Bleichstraße, während vorher eine der Straßenbahnlinien über den Marktplatz und die Calwer Straße gefahren war. Die Obuslinie 2 war nun 5,3 km lang, die Obuslinie 3 sogar 8,1 km. Das Netz umfasste 10,2 Kilometer einschließlich der Zufahrt vom Leopoldplatz zum Betriebsbahnhof. Hier verkehrte bis 1964 noch die Straßenbahnlinie 1 vom Gaswerk im Osten über Leopoldplatz bis Brötzingen im Westen, dazu bis 1968 ab Leopoldplatz auch die Kleinbahn.

Doch der Obusbetrieb überlebte den Schienenverkehr nicht mehr lange. Am 1. Oktober 1969 wurde er durch Omnibusse ersetzt, die schon seit dem 14. Januar 1949 auf Nebenlinien im Einsatz gewesen waren.

Fahrzeuge

Charakteristisch für den Pforzheimer Obus-Betrieb waren die zweiachsigen Solo-Obusse der Bauart Ulm (mit markanter Dachrandverglasung), hergestellt von den Kässbohrer Fahrzeugwerken aus Ulm. 1960 beschaffte man ferner zwei gebrauchte Gelenk-Obusse aus Neuss (ehemals Neuss 106 und 107, beide Baujahr 1954). Diese vierachsigen Fahrzeuge stammten ebenfalls von Kässbohrer und waren seinerzeit die ersten Gelenk-Obusse Deutschlands. Eine weitere Pforzheimer Besonderheit war der Eigenbau-Obus 221 der 1965 auf Basis eines Büssing Präfekt-Dieselbusses entstand.

Heutiger Omnibusbetrieb

Im Jahr 2000 umfasste der Omnibusbetrieb der Städtischen Verkehrsbetriebe Pforzheim 98 Fahrzeuge, die auf 17 Linien mit einer Gesamtlänge von 429 Kilometern im Einsatz waren.

Literatur

  • Dieter Höltge: Deutsche Straßen- und Stadtbahnen, Band 2: Nördliches Baden-Württemberg, Gifhorn 1979, ISBN 3-921237-45-9
  • Kurt Schwab: Straßen- und Kleinbahn in Pforzheim, Nordhorn 1997, ISBN 3-927587-64-8
  • Werner Stock: Obus-Anlagen in Deutschland, Bielefeld 1987, ISBN 3-926882-00-X
  • Gerd Wolff und Hans-Dieter Menges: Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 2: Baden, Freiburg 1992, ISBN 3-88255-653-6

Weblinks


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