- Streckgrenze
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Die Streckgrenze ReS ist ein Werkstoffkennwert und bezeichnet diejenige Spannung, bis zu der ein Werkstoff bei einachsiger und momentenfreier Zugbeanspruchung keine sichtbare plastische Verformung zeigt.
Bei Überschreiten der Streckgrenze kehrt das Material nach Entlastung nicht mehr in die ursprüngliche Form zurück, sondern eine Probenverlängerung verbleibt.
Die Streckgrenze wird gewöhnlich im Zugversuch ermittelt. Aus der Streckgrenze und der dort ebenfalls ermittelten Zugfestigkeit Rm lässt sich das Streckgrenzenverhältnis errechnen:
Re / Rm
Dieses gibt dem Konstrukteur Auskunft über den Abstand zwischen einsetzender plastischer Deformation und Versagen des Werkstoffes bei quasistatischer Beanspruchung.
Bei vielen Werkstoffen treten außerdem Streckgrenzeffekte auf.
Häufig ist die Streckgrenze nicht eindeutig aus dem Zugversuch identifizierbar. Dann werden stattdessen Dehngrenzen (häufig: 0,2%-Dehngrenze) verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Beispiel "Bergseil"
Wird beispielsweise ein Kletterseil aus Polyamid ("Nylon") auf Zug belastet, so dehnt es sich zuerst um etwa 10 %. Wird das Seil wieder entlastet, verkürzt sich das Seil wieder bis auf seine ursprüngliche Länge (elastische Dehnung unterhalb der Streckgrenze). Wird es stärker belastet und dehnt es sich über die Streckgrenze hinaus, dann verkürzt es sich auch nach Entlastung nicht mehr ganz. Wird es noch stärker belastet, wird irgendwann die Fließgrenze erreicht. Wird diese überschritten, beginnt das Material auch ohne weitere zusätzliche Krafteinwirkung sich zu verändern, es fließt (molekulare Veränderung). (Zusätzlich: Die aufgewendete Kraft wirkt weiter, sie wird jedoch nicht weiter verstärkt.)
Siehe auch Spannungs-Dehnungs-Diagramm.
Ausgeprägte Streckgrenze
Durch Fremdatomwolken, auch Cottrellwolken, die sich bevorzugt in energetisch günstigen Verzerrungsfeldern um Versetzungen aufhalten, kann es zur Ausbildung einer ausgeprägten Streckgrenze kommen. Hier treten vor allem Lüdersdehnung sowie obere und untere Streckgrenzen (ReH und ReL) auf. Streckgrenzeneffekte treten bei vielen Werkstoffen auf, insbesondere bei Kupfer- und Aluminiumlegierungen sowie unlegierten und niedriglegierten unter-eutektoiden Stählen.
Obere Streckgrenze
Die obere Streckgrenze ReH wird durch Losreißprozesse von Versetzungen verursacht, die die interstitielle Fremdatomwolken verlassen. Im Anschluss daran fällt die Spannung im Werkstoff auf die untere Streckgrenze ReL und die Verformung wird mit der Lüdersdehnung fortgesetzt. Dieser Effekt tritt ausschließlich bei unlegierten Stählen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt auf.
Untere Streckgrenze
Die untere Streckgrenze ReL ist die Folge des Losreißens von Versetzungen bei ReH von Cottrellwolken. Diese Versetzungen können nun mit deutlich geringerer Energie bewegt werden, da sich die Fremdatomwolken nicht mehr im Verzerrungsbereich der Versetzungen befinden. Dieser Effekt ist eine Folge des Auftretens einer oberen Streckgrenze und ist gleichzeitig die Nennspannung bei der die Lüdersdehnung stattfindet.
Lüdersdehnung
Als Lüdersdehnung εL wird ein plastischer Dehnungsanteil bezeichnet, der durch die Bewegung einer Versetzungsfront durch ein Bauteil oder eine Probe bei konstanter Beanspruchung gekennzeichnet ist. Während der Lüdersverformung bleibt dabei die Nennspannung (und damit die anliegende Kraft) nahezu konstant bei der unteren Streckgrenze ReL. Die Lüdersfront wird in der Regel an einer lokalen Spannungsüberhöhung (Kerbe, Oberflächenrauhigkeit, Querschnittsübergang) ausgelöst und bewegt sich dann durch die gesamte Probenmessstrecke bzw. bis zu einer deutlichen Querschnittsvergrößerung. Dieser Effekt tritt bei unlegierten und niedriglegierten, untereutektoiden Stählen, aber auch in Kupfer- und Aluminiumlegierungen auf und ist unabhängig vom Auftreten einer oberen Streckgrenze
Dehngrenze
Bei technischen Werkstoffen wird statt der Streckgrenze in der Regel die 0,2-%-Dehngrenze Rp,0,2 angegeben, da sie (im Gegensatz zur Streckgrenze) immer eindeutig aus dem Nennspannungs-Totaldehnungs-Diagramm ermittelt werden kann (oft ist eigentlich die Dehngrenze gemeint, wenn die Streckgrenze angegeben wird). Die 0,2-%-Dehngrenze ist diejenige (einachsige) mechanische Spannung, bei der die auf die Anfangslänge der Probe bezogene bleibende Dehnung nach Entlastung genau 0,2 % beträgt.
Bei noch höherer Last kommt es entweder zu ausgeprägten plastischen Verformungen oder die Zugfestigkeit wird überschritten und der Werkstoff versagt durch Bruch.
0,2-%-Dehngrenzen ausgewählter Werkstoffe Werkstoffgruppe Legierung Streckgrenze in N/mm² Kupfer-Legierungen (ungefähre Werte) E-Cu57 160 CuZn37 250…340 CuZn39Pb3 250…340 CuNi1, 5Si 540 Magnesium-Legierungen (ungefähre Werte) CP Mg 40 AZ91 110 AM60 130 WE54 200 MgZn6Zr[1] 250 Aluminium-Legierungen (ungefähre Werte) Al99.5 40 AlMg1 100 AlMg3 120 AlMg4.5Mn 150 AlMgSi0.5 190 AlZnMgCu1.5 450 AA 7175[2] 525 Titan-Legierungen (ungefähre Werte) CP Ti 220 Ti-6Al-4V 924 Ti-6Al-2Fe-0.1Si 960 Ti-15Mo-3Nb-3Al-.2Si 1400 Baustähle S235JR 235 S275 275 S355 355 E360 360 Betonstähle BSt 420 420 BSt 500 500 Spannstähle St 1370/1570 1370 St 1570/1770 1570 Vergütungsstähle C22 340 C45 490 C60 580 42CrMo4 900 34CrNiMo6 1000 Einsatzstähle C10E 430 16MnCr5 630 18CrNiMo7-6 685 Siehe auch
Quellen
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