- Strukturaufstellung
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Systemische Strukturaufstellungen (SySt) ist der Name für eine Aufstellungsform, bei der neben menschlichen auch abstrakte Systemelemente (z. B. Ziele, Hindernisse, Ideen) berücksichtigt werden können. Personen (Repräsentanten) übernehmen dabei die Rolle der einzelnen Systemanteile und werden so aufgestellt, wie sie aus Sicht des Aufstellers der Position im System entsprechen. Durch die Empfindungen der aufgestellten Personen kann so ein Verständnis für das gesamte System entstehen. Durch Veränderungen im aufgestellten System können Lösungen zu Problemsituationen ausprobiert und erarbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
Übersicht
Entwickelt wurden sie von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer. Es lassen sich sowohl interne Systeme (z. B. Körpersysteme, innere Anteile) als auch externe Systeme (z. B. Familien, Organisationen, Projekte) aufstellen. Systemische Strukturaufstellungen können z. B. bei Firmen eingesetzt werden, um Verbesserungen bei der Organisationsstruktur zu finden und auszuprobieren. Sie ermöglichen durch die Transparenz der systemischen Zusammenhänge Lösungsstrategien, die im Unternehmensalltag umsetzbar sind. Systemische Strukturaufstellungen öffnen auf einen Blick nicht nur für Unstimmigkeiten in formalen Bereichen, sondern zeigen auch informelle Aspekte einer Organisation. Im persönlichen Bereich können sie u. a. bei Entscheidungsproblemen, Konflikten oder Familienproblemen neue Lösungswege aufzeigen.
Bei den Aufstellungen werden die inneren Bilder der Anliegenbringer oder Klienten über das Stellen der Repräsentanten externalisiert (nach außen verlagert). Die Veränderungen im aufgestellten System können Veränderungen bei den inneren Bildern der Klienten bewirken. Dies ist inzwischen in der psychotherapeutischen Arbeit und in der systemischen Beratungsarbeit eine gängige Praxis.
Am SySt/Institut für systemische Ausbildung, Fortbildung und Forschung in München wurden bis heute über 80 Formen von systemischen Strukturaufstellungen entwickelt.
Ablauf
Der "Gastgeber" der Aufstellung (bei der Familienaufstellung heißt er der "Aufstellungsleiter") führt ein Vorgespräch, um das Anliegen des Klienten genau zu erfragen und einen Kontrakt mit ihm zu schließen. Dann wählt er eine passende Form der SySt aus. Der Anliegenbringer wählt nun die einzelnen Repräsentanten (Personen) aus und stellt sie im Raum auf, so wie es aus dem intuitiven Empfinden des Anliegenbringers heraus richtig ist. Dadurch werden die Personen symbolisch zu einem Teil des aufgestellten Systems.
Über die Empfindungen der aufgestellten Personen (Phänomen der sog. "repräsentierenden Wahrnehmung") können nun Problembereiche in dem "System", das diese symbolisch verkörpern, erkannt werden. Durch "Stellungsarbeit" (Veränderung der Anordnung der Personen) können die Auswirkungen von Veränderungen im System getestet werden. Durch "Prozessarbeit" (z. B. durch das Aussprechen von Sätzen oder das Durchführen von Ritualen) können weitere Veränderungen erreicht werden.
Nach Beendigung der Aufstellungsarbeit wird ein Nachgespräch durchgeführt. Falls notwendig, kann die Strukturaufstellung in einer der folgenden Sitzungen weitergeführt oder wiederholt werden.
Besonderheiten
Aufstellungsverfahren wurden vorrangig bekannt durch Familienaufstellungen und die Arbeit von Bert Hellinger, dessen Arbeitsweise sehr kontrovers diskutiert wird. Systemische Strukturaufstellungen weisen folgende Besonderheiten auf:
- Die Leitung einer Systemischen Strukturaufstellung bedeutet, nicht (vorausschauend oder interpretierend) zu wissen, was geschieht, sondern als „Gastgeber“ den Prozess für den Auftraggeber zu gestalten. Auf eine Deutung von Seiten der LeiterInnen wird weitgehend verzichtet.
- Die Ergebnisse der Arbeit entstehen in Kooperation mit den Anliegenbringern, die auch während der Aufstellungsarbeit ihre eigenen Ideen, Sichtweisen und Fragen einbringen können.
- Strukturaufstellungen sind "lösungsorientiert" angelegt. Basis bildet dafür die Methode der lösungsfokussierten Kurztherapie, die in den Siebziger Jahren von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg entwickelt wurde.
- Die Arbeit in der Systemischen Strukturaufstellung ist geprägt von der wertschätzenden und stützenden Haltung des Therapeuten bzw. Leiters, die insbesondere Virginia Satir den Klienten gegenüber einnahm und befürwortete. Weder haben stärkere Provokationen darin einen Platz, noch wird ein Prozeß vom Leiter autoritativ beendet.
- Es können auch abstrakte Elemente aufgestellt werden, beispielsweise „Das, was noch fehlt“ oder „Das, was dann da wäre“.
Beispiele
Problemaufstellung
Diese Form der Aufstellung kann für unterschiedlichste Arten von Problemlösungen eingesetzt werden. Dabei werden folgende Systemelemente aufgestellt:
Fokus – Träger des Problems (z. B. eine Person oder eine Gruppe), Ziel – das, was (zur Zeit) nicht erreicht werden kann, Hindernisse – das, was sich der Zielerreichung in den Weg stellt, Ressourcen – das, was nötig ist, um eine Lösung zu erreichen, Gewinn – der Nutzen, der resultiert, wenn das Problem bestehen bleibt (z. B. solange das Problem da ist, braucht man nichts zu ändern), Zukünftige Aufgabe – das, was zu tun ist, wenn das Ziel erreicht ist.
Tetralemmaaufstellung
Diese Aufstellungsform kann bei der Lösung von Dilemmas eingesetzt werden. Ein Dilemma zeichnet sich dadurch aus, dass keine Entscheidung zwischen zwei Optionen getroffen werden kann. Diese beiden Optionen werden im Tetralemma als „Das Eine“ und „Das Andere“ aufgestellt. Erweitert wird dies durch die weiteren Elemente „Keines von Beiden“ und „Beides“. Hinzu kommt noch ein fünftes Element, die sogenannte „Nicht-Position“. Als Repräsentant für den Klienten wird das Element „Fokus“ aufgestellt.
Während der Aufstellung wird die Sichtweise zum Entscheidungsproblem (zwischen den Elementen „Das Eine“ und „Das Andere“) erweitert, indem die zwei weiteren Elemente („Keines von Beiden“ und „Beides“) einbezogen werden. Dadurch wird die anfängliche „Entweder – Oder“-Sichtweise erweitert. Eine Musterunterbrechung ist erreicht, wenn der Fokus durch einen sogenannten „kreativen Schritt“ eine völlig neue Position einnehmen kann – die „Nicht-Position“.
Grundlage für die Tetralemmaaufstellung bildet die indische Argumentationsform des Tetralemmas. Diese wurde bei Gericht verwendet, um eine Klärung zwischen den Positionen des Klägers und des Angeklagten zu erreichen. Neben den Möglichkeiten, dass einer von beiden recht hat, wurde so auch in Betracht gezogen, dass entweder beide oder keiner von beiden recht hat. Diese Argumentationsstruktur wurde von Nagarjuna, einem buddhistischen Gelehrten, um eine fünfte Position erweitert. Diese wird in der buddhistischen Logik als vierfache Verneinung bezeichnet (sie entspricht in der Tetralemmaaufstellung dem Element „Nicht-Position“).
Körperaufstellung
Dabei werden Vertreter für Körperelemente (z. B. Körperteile oder innere Organe) aufgestellt. Erweitert werden kann die Aufstellung um äußere Einflüsse und Hilfsmittel (z. B. Medikamente, Behandlungen). Zusammenhänge und Einflüsse können so während der Aufstellungsarbeit besser erkannt werden. Eine Körperaufstellung ist kein Ersatz für eine medizinische Behandlung, kann diese aber unterstützen.
Glaubenspolaritätsaufstellung
Es werden die Elemente „Erkenntnis“, „Liebe“ und „Ordnung“ in Form eines Dreiecks aufgestellt. Ziel der Aufstellung ist die Nutzung dieser Elemente als Kraftquelle für den Klienten, für den das Element „Fokus“ aufgestellt wird. „Glaubenssätze“, die den Klienten belasten, werden am Beginn der Aufstellung durch den Fokus ausgesprochen. Während der Aufstellungsarbeit wird der Fokus oft zu diesen Glaubenssätzen befragt. Der Klient kann dadurch beobachten in welchen Situationen und bei welchen Ritualen diese Glaubenssätze besonders stark vorhanden sind und wie sie sich verändern.
Syllogische Aufstellung
Diese Aufstellungsform kann zur Überprüfung von Vorurteilen und erstarrten Haltungen angewendet werden. Dabei werden zum Beispiel die Elemente „Immer“, „Nie“, „Manchmal“ und „Manchmal nicht“ aufgestellt. Grundlage bildet das syllogische Quadrat der aristotelischen Logik, die dieser Aufstellung auch den Namen gab. Ein anderes Beispiel: „Alle“, „Keine“, „Einige“, „Einige nicht“
Werteaufstellung
Abgeleitet aus der Syllogischen Aufstellung zeigt Varga von Kibed auch die ethische Seite der aristotelischen Logik im sog. Wertequadrat auf. Dabei stehen zwei Werten (z.B. „Respektvoller Umgang“ und „Direktes, persönliches Feedback“, die in einem positiven Spannungsverhältnis stehen, zwei Übertreibungen (in diesem Beispiel „Fried-Höflichkeit“ und „Streitlust/destruktive Kritik“) gegenüber.
Drehbuchaufstellung
Diese Aufstellung wird zur Entwicklung und Überarbeitung von Drehbüchern verwendet. Im Gegensatz zu anderen Aufstellungen ist hier die schnelle Lösung von Konflikten und Problemen nicht vorrangiges Ziel. Bei Drehbüchern sind oft gerade versteckte Probleme und tiefe Konflikte besonders interessant und für die Handlung von großer Wichtigkeit. Speziell bei dieser Aufstellung wird die Methode der „spontanen Veränderung“ der Repräsentanten eingesetzt. Dabei verändern die Repräsentanten zeitgleich ihre Position geringfügig in die Richtung, die ihnen passend erscheint. Danach wird die Veränderung des Gesamtsystems analysiert.
Metaaufstellung
Man spricht von einer Metaaufstellung, wenn eine Aufstellung innerhalb einer anderen Aufstellung durchgeführt wird. Beispielsweise kann im Rahmen einer Tetralemmaaufstellung ein Kontext eröffnet werden, der es notwendig macht, innerhalb dieser Aufstellung eine weitere Aufstellung (z. B. eine Familienaufstellung) durchzuführen.
Quellen
Die Arbeit an Systemischen Strukturaufstellungen hat vier Quellen:
- die Arbeit mit "Rekonstruktionen" und "Skulpturen" von Familien bei Virginia Satir (1916-88),
- die Ericksonsche Hypnotherapie, die insbesondere wertvolle Impulse für die Verwendung von Sprache bei Strukturaufstellungen liefert,
- Familienaufstellungsarbeit mit den Wurzeln bei Thea Schönfelder, Ruth McClendon und Les Kadis, von denen Bert Hellinger das Verfahren übernahm und in wichtigen Punkten weiterentwickelte,
- die lösungsfokussierte Methode der Psychotherapie der Schule von Milwaukee, die auf Ideen von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg beruht.
Darüber hinaus fließen immer wieder zentrale Gedanken der Philosophen und Sprachwissenschaftler Ludwig Wittgenstein, Charles S. Peirce, Alfred Korzybski und Gregory Bateson, aber auch kanonische Formen der Psychotherapieform des Psychodramas nach Jacob L. Moreno in die Arbeit ein.
Literatur
- Insa Sparrer: Wunder, Lösung und System. 3. Auflage, Carl-Auer-Verlag, Heidelberg2004, ISBN 3-896-70458-3
- Matthias Varga von Kibéd, Insa Sparrer: Ganz im Gegenteil: Tetralemmaarbeit und andere Grundformen systemischer Strukturaufstellungen – für Querdenker und solche, die es werden wollen. 5., überarbeitete Auflage, Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2005, ISBN 3-896-70488-5
- Helmut J. Wresnik: Von Bild zu Bild … Arbeiten mit Systemischen Strukturaufstellungen. Books on Demand, Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-6190-X
Weblinks
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