- Surna
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Zurna ist der türkische Name für eine als Sornay zusammengefasste Gruppe von Kegeloboen.
Sie haben ihren Namen sūrnā wahrscheinlich in Persien erhalten und haben als zurna (das türkische „z“ ist ein stimmhaftes „s“) oder in ähnlicher Schreibweise hauptsächlich in den Ländern des ehemaligen Osmanischen Großreiches ihre Verbreitung gefunden. Sie dürften aber in manche Gegenden, so etwa auf den Balkan, schon vor den türkischen Eroberungen, meist durch dorthin geflüchtete Roma gekommen sein. Die Etymologie des Namens sūrnā/zurna ist ungeklärt. Die frühesten türkischen Termini für vergleichbare Instrumente der asiatischen Turkvölker waren im 10. Jahrhundert yırağ und yorağ.
Die zurna gilt als Urahn der europäischen Oboe.
Inhaltsverzeichnis
Bauart
Kegeloboen werden aus einem einzigen, kegelförmigen Stück Holz gedrechselt. In der Türkei wird dafür das Holz von Wacholder und Pflaume bevorzugt. Die meisten Arten des zurna-Typs sind im Griffbereich zylindrisch und zur Stürze hin konisch gebohrt. Sie besitzen ein Doppelrohrblatt, 3–8 Grifflöcher und ein zur Mitte der Rückseite hin versetztes Daumenloch, zusätzlich manchmal eine Vorrichtung, mit der alternative Töne und Klänge erzeugt werden können. Diese Technik wird allerdings heute nicht mehr genutzt.
Vom Prinzip her handelt es sich um Windkapselinstrumente, da der Spieler das Mundstück meist so tief in den Mund nimmt, dass die Rohrblätter darin frei schwingen und nicht mit den Lippen korrigiert werden können. Dabei hilft ihm eine abnehmbare Lippenstütze. Dieser Ansatz wird oft in Verbindung mit der Zirkularatmung eingesetzt. Im Schalltrichter, der Stürze, findet man gelegentlich Grifflöchern ähnliche „Teufelslöcher“ (şeytan delikleri), deren klanglicher Sinn und musikalische Verwendung heute nicht mehr geklärt werden können.
Die zurna gibt es in der Regel in dreierlei Größen, türkisch als kaba („groß“ im Sinne von klanggewaltig, wörtlich „dick“), orta („mittel“) und cura („klein“) bezeichnet.
Funktion und musikalische Verwendung der türkischen zurna
Religiöse und höfische Zeremonien, Militär- und Volksmusik
Zu den Osmanen kam die zurna mit der davul als Geschenk des Seldschukenherrschers Kai Chosrau III. an Osman I. (* um 1258/1259; † 1326). Unter Osman I. war die zurna zunächst fest in höfisch-religiösen Zeremonien z. B. während des Mittagsgebetes verankert (nevbet vurmak), gelangte aber auch in die weltliche Fest- und Unterhaltungsmusik des Hofes und etwas später in die Militärmusik mehterhane der Janitscharen.
In der gleichen Zeit bekam die zurna einen festen Platz in der Volksmusik, besonders in der Musik der religiösen und weltlichen Feste.
Das Duo davul – zurna
Die große Trommel davul bildete schon sehr früh mit der zurna ein Duo, das für verschiedene Anlässe und in verschiedener Funktion große Bedeutung erlangte. Die davul wird bei diesem Duo stets zuerst genannt, da sie sowohl durch ihre unterschiedlichen Klänge als auch durch ihre rhythmische Leitfunktion sehr bestimmend ist. Die verschieden geschlagenen Klänge und Geräusche bringen dabei wie ein Bordun eine Art musikalische Räumlichkeit zustande. Darüber schwingt sich die Melodie der zurna oder sie ordnet sich dem Rhythmus unter.
Davul-zurna in der Volksmusik
In sehr vielen Ländern, in denen das davul-zurna-Ensemble üblich ist, waren oder sind bestimmte Bevölkerungsgruppen als zu den Festen mit Lied, Tanz und instrumentalen Vorträgen engagierte Wandermusikanten mit davul und zurna unterwegs. Häufig sind das Roma (türk. çingene, seltener çigan oder tsigan), deren Vorfahren bereits mit den Seldschuken nach Anatolien gekommen und dort oder zum großen Teil schon auf dem Weg dorthin zum Islam übergetreten sind. Dadurch erhielten die Roma in den seldschukischen Staaten Rechte wie andere islamische Untertanen, auch später im Osmanischen Reich. Traditionell waren sie Handwerker, Händler und Musiker.
Typisch für die çingene-Musiker ist auch heute noch das Duo davul-zurna.
Schon Abū l-Qāsem-e Ferdousī schreibt im Schāhnāme davon, dass Luri, die den çingene entsprechen können, im Jahr 420 u.Z. von Schah Bahram V. Gur als Musiker aus Indien nach Persien geholt worden seien. „Vieles spricht demnach dafür, dass diese Instrumenten-Symbiose und ihre Praxis aus Indien stammen, Klangwerkzeuge wie Menschen.“ (K. u. U. Reinhard 1984)
Die Verbindung von davul-zurna und çingene spiegelt sich beispielhaft in der Hauptfigur des türkischen Schattenspiels, das auch in Griechenland, Montenegro und Rumänien gepflegt wurde. Karagöz wird durch seinen Namen (dt. „Schwarzauge“ im Sinne von çingene), durch sein çingene-Argot und manchmal durch die Attribute davul und zurna als çingene charakterisiert.
In der Türkei waren und sind auch meist alevitische Abdal Wandermusiker. Vor allem sind sie singende ozan und aşık, aber auch Instrumentalisten mit davul und zurna. Sie gelten als turkstämmig. Heute sind sie wie die çingene-Musiker meist sesshaft.
Davul-zurna in der Musik der mehterhâne
Die eindrucksvolle Klangentfaltung der davul und die anfeuernd durchdringenden Klänge der zurna machten das mit hoheitlichen Bedeutungen versehene Duo dieser beiden Instrumente zum Kernstück der Militärmusik-Ensembles der Osmanen. In der Militärmusik der mehterhâne, auch in der von ihnen entwickelten höfischen Repräsentations- und Unterhaltungsmusik, bildete das davul-zurna-Ensemble zusammen mit weiteren Blas- und Schlaginstrumenten ein nahezu genormtes, chorisch besetztes Orchester für Freiluftveranstaltungen.
Das Musizieren mit zwei zurna
Im gesamten Gebiet, in dem die zurna-Familie in der Volksmusik Verwendung findet, ist es Brauch, mit verschieden großen zurna gleichzeitig zu musizieren. Das geschieht mit oder ohne Begleitung der davul.
Dabei überwiegen drei, manchmal miteinander vermischte, strukturelle Formen:
- die kleinere zurna spielt die Melodie, die größere zurna spielt Borduntöne
- zwei zurna spielen die gleiche Melodie heterophon
- zwei zurna wechseln sich responsorisch ab
Gerade in solchen Duos kann der melodieführende Musiker die perfekte Beherrschung seines Instrumentes demonstrieren. Sein Spiel ist geprägt von mikrotonische Abweichungen, Glissandi und Verzierungen mit schnellen Trillern und Nebennoten sowie durch ein Vibrato, das durch den Wechsel des Atmungsdruckes erzeugt wird.
Der Bedeutungsverlust in historischer und neuerer Zeit
1826 wurden die Janitscharenkorps vernichtet und damit auch ihre Militärmusik beseitigt. Der 1828 nach Istanbul berufene, neue italienische Musikdirektor Giuseppe Donizetti formierte Militärkapellen nach europäischem Vorbild. Die zurna wurde durch die Oboe ersetzt. Erst spät im 20. Jahrhundert kam ein hauptsächlich touristisch ausgerichtetes Revival der mehterhane zustande.
In der Volksmusik wird die zurna immer mehr von der Klarinette verdrängt. Die davul-zurna-Musiker werden auch im ländlichen Bereich zunehmend durch technische Medien und ihre traditionellen Musikstücke durch Schlager, Popmusik und Rockmusik ersetzt. Doch auch hier geschieht eine Art Revival. Professionelle Musiker nehmen sich außerhalb des bisherigen soziologischen Kontextes der zurna an.
Literatur
- Ralf Martin Jäger und Ursula Reinhard: Türkei. in MGG, Sachteil, Bd. 9, Kassel 1998
- Andreas Masel und Artur Simon: Zurna. in MGG, Sachteil, Bd. 2, Kassel 1995
- Kurt und Ursula Reinhard: Musik der Türkei, Band 1: Die Kunstmusik (Taschenbücher für Musikwissenschaft; 95). Wilhelmshaven 1984
- Kurt und Ursula Reinhard: Musik der Türkei, Band 2: Die Volksmusik (Taschenbücher für Musikwissenschaft; 96). Wilhelmshaven 1984
- Ursula Reinhard: Doppelrohrblattinstrumente. in MGG, Sachteil, Bd. 9, Kassel 1998
Weblinks
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