- Taumelscheibe (Helikopter)
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Die Taumelscheibe ist ein wesentliches Steuerungselement beim Hubschrauber, das die rumpffesten und linearen Steuereingaben auf den Rotor, d. h. auf die sich drehenden Rotorblätter überträgt. Die Taumelscheibe besteht aus einem drehbaren und einem festen Teil. Sie ist um den Rotormast gelagert, lässt sich axial zum Rotormast verschieben und quer zum Rotormast neigen. Die Bezeichnung Taumelscheibe rührt daher, weil der obere, sich mit dem Rotor mitdrehende Teil bei der Neigung eine Taumelbewegung zeigt.
Inhaltsverzeichnis
Flug und Steuerung des Hubschraubers
Der Hubschrauber schwebt und bewegt sich durch den Auftrieb und Schub des Hauptrotors. Bei diesem handelt es sich im aerodynamischen Sinne um Flügel, die sich um den Rotormast drehen und in gewissen Freiheitsgraden mechanisch oder elastisch (Schlag- und Schwenkgelenke) beweglich sind (Drehflügler). Der Hubschrauber fliegt in jede beliebige Richtung durch eine entsprechende leichte Neigung der Rotorscheibe: der Rotor erzeugt genügend Auftrieb um den Hubschrauber zu tragen, zudem erzeugt er durch die Neigung den Schub für eine horizontale Bewegung. Durch kollektives Einstellen, d. h. an allen Rotorblättern gleiches Anwinkeln des Profils und damit Aufbau von gleichem aerodynamischen Auftrieb pro Umlauf am sich drehenden Flügel wird der Schub erzeugt. Durch ein zusätzlich überlagertes zyklisches Einstellen, also wechselndes Anwinkeln des Profils mit wechselnden aerodynamischen Auftrieb und damit Heben oder Senken pro Umlauf wird der umlaufende Flügel des Rotors so gespurt, dass er in der gewünschten Neigung läuft.
Für die kollektive und zyklische Ansteuerung hat der Hubschrauber getrennte Steuerorgane. Für die kollektive Steuerung dient der Pitch, vom Piloten mit der linken Hand bewegt, für die zyklische Steuerung dient der Stick, vom Piloten mit der rechten Hand bedient.
Im System der Taumelscheibe werden beide Steuereingaben gemischt und die gewünschten Anstellungen des Flügelprofils über Heben, Senken oder Neigen der Taumelscheibe über die Blattverstellhebel auf die sich drehenden einzelnen Flügel des Rotors übertragen.
Beschreibung am Beispiel Bölkow Bo 105
Die Taumelscheibe besteht aus zwei über einen Kugellagerkranz gegeneinander drehbaren Teilen/ Ringe, im Bild mitdrehend und feststehend bezeichnet. Insgesamt sind beide Teile wiederum beweglich über eine Kardanische Aufhängung (Kugelgelenk, Gelenklager) an der Schiebehülse befestigt, was ein Schrägstellen der Einheit aus der Waagerechten bis ca. ± 10° erlaubt. Letztendlich ist die komplette Einheit über die Schiebehülse auf der getriebefesten Trägerhülse zum Rotormast nach oben und unten in Grenzen von ca. ± 30 mm verschiebbar. Im Inneren der Trägerhülse läuft der Rotormast, der mittig durch die Taumelscheibe gehend am oberen Ende den Flansch zur Befestigung des Rotorkopfes trägt. Der obere mitdrehende Ring der Taumelscheibe ist über die Mitnahme-Gelenkhebel mit dem Rotorflansch verbunden und macht so die Drehungen des Rotors mit. Die Gelenke in den Hebeln erlauben dabei das Schrägstellen und das axiale Auf- und Abgleiten der Taumelscheibe.
Die Steuerstange kollektiv verschiebt die Taumelscheibe axial, je nach Bewegung des Pitch durch den Piloten nach oben oder unten. Die Steuerstangen zyklisch stellen über die Differenzialhebel die Neigung der Taumelscheibe je nach Steuerbewegung in Längsrichtung und/oder Querrichtung des Sticks ein. Die an der Schiebehülse gelagerten Differentialhebel stellen sicher, dass zyklische und kollektive Steuereingaben sich nicht gegenseitig beeinflussen/ verfälschen und jeweils voll im gewünschten Maß wirken. Beim axialen Verschieben geht der mittlere Drehpunkt des Differentialhebels mit, die zyklische Einstellung wird dabei nicht verändert.
Vom äußeren sich mitdrehenden Ring der Taumelscheibe führen die Blattverstellstangen zu den Blattverstellhebeln zur Winkeleinstellung des Rotorblattes. Ein axiales Verschieben der Taumelscheibe/ der Blattverstellstangen erzeugt somit eine gleiche Winkeleinstellung an allen Rotorblättern. Eine Neigung der Taumelscheibe erzeugt eine unterschiedliche Winkeleinstellung an jedem Rotorblatt, da die Blattverstellstangen auf der einen Seite entsprechend der Neigung heruntergezogen und auf der anderen Seite nach oben geschoben werden. Beim Drehen des Rotors wechselt dann die Winkeleinstellung des Rotorblattes, periodisch je Umlauf von seinem durch die Neigung der Taumelscheibe vorgegebenen minimalen zum maximalen Wert.
Taumelscheibenneigung und Rotorneigung
Damit sich die Rotorscheibe folgerichtig neigt, d. h. das Rotorblatt z. B. bei der Vorwärtsneigung des Rotors auch genau in der Längsachse vorne unten in der Spur läuft, muss es rechtzeitig vorher zur Drehrichtung im sogenannten Vorlaufwinkel angewinkelt werden. Auf den Umlauf bezogen ist das je nach Hubschraubermodell ein Wert zwischen 70° bis 80°, die das Rotorblatt auf Grund seiner Massenträgheit und dem aerodynamischen Wirkungsaufbau braucht um vom gesteuerten Anwinkeln bis in die gewünschte Lage zu kommen. Folglich ist die Neigungsrichtung der Taumelscheibe nicht identisch mit der Richtung der Rotorneigung und gewünschten Flugrichtung. Ist der konstruktionstypische Vorlaufwinkel des Rotors z. B. 78° wie bei Bo 105, so muss das Rotorblatt 78° vorher in der Drehrichtung die notwendige Winklung erhalten. Die Taumelscheibe wird dabei, konstruktiv bedingt durch den Hebelarm des Blattverstellhebels am Profil, darüber hinaus weitere Grade vorher zur Drehrichtung zur Seite geneigt, wenn der Pilot den Stick nach vorne bewegt/ vorwärts fliegen will.
Zukünftige Technologie
Die dargestellte Konstruktion der Taumelscheibe Bo 105 stammt aus dem Jahr 1964. Im Prinzip hat sich auch beim heutigen Stand der Technik nichts Wesentliches geändert, wie das Bild am Beispiel EC 155 zeigt. Die Mischung der kollektiven und zyklischen Steuerung erfolgt hier lediglich an anderer Stelle des Steuergestänges und nicht wie bei Bo 105 durch die Differentialhebel direkt an der Schiebehülse.
Wie im Tragflächenflugzeugbau bereits Stand der Technik gehört auch bei Hubschraubern dem Fly-by-Wire die Zukunft. Dies bedeutet das elektronische Steuern über Datenleitungen ohne mechanische Verbindungen wie Steuerstangen und damit auch ohne mechanische Verbindung zur Taumelscheibe. Um ganz auf die Taumelscheibe zu verzichten, sind aber noch weitergehende Techniken nötig. Die Fa. ZF Luftfahrttechnik Calden hat elektrisch längsverstellbare Blattverstellstangen (IBC = Individual Blade Control) entwickelt, die sich während des Umlaufs auf elektronische Signale hin verkürzen oder verlängern und so das Einstellen und Winkeln der Rotorblätter vornehmen. Das System wurde zwischenzeitlich von der NASA im Windkanal getestet und wird derzeit (2006) in Deutschland bei der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching an einem CH-53G und in den USA an einem Sikorsky UH-60 Hubschrauber erprobt.
Literatur
Weiterführende Literatur über die Funktion des Hubschraubers ist im Artikel Hubschrauber aufgelistet. Spezielle Literatur über die Taumelscheibe ist bisher nicht veröffentlicht.
Weblinks
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