Tempelprostitution

Tempelprostitution

Tempelprostitution oder kultische Prostitution ist eine im Altertum vor allem in Indien, Ägypten, Babylonien (Ištar-Kult), Lydien, Numidien und auf Zypern vermutete Form des kultischen Geschlechtsverkehrs von Priesterinnen oder Tempeldienerinnen, meist einer Gottheit der sexuellen Liebe. Nachdem die Existenz dieser Institution lange Zeit als gegeben angenommen wurde, wird sie neuerdings vehement in Frage gestellt.

Inhaltsverzeichnis

Historische Belege

expressis verbis von Tempelprostitution ist ausnahmslos in griechischen Texten die Rede. Griechische Schriftsteller berichteten gerne polemisch oder erzählerisch-unterhaltsam über exotisch anmutende Bräuche außergriechischer Kulturen. „Deshalb kann nur bedingt davon die Rede sein, dass Tempelprostitution hier als Phänomen historisch verbürgt sei.“ [1] Dies gilt zum Beispiel für die Erzählung des Herodot (Historien I, 199), nach der eine Babylonierin der Perserzeit sich einmal im Leben zu Ehren der Mylitta einem Fremden gegen Geld hingeben musste.

Nach Strabon, Athenaios, Pindar gab es in Griechenland Prostitution von Tempelsklavinnen im Tempel der Aphrodite in Korinth. Strabon, Ovid und Diodor beschreiben Hierodulen im Kult der Aphrodite von Eryx auf Sizilien, der Ausstrahlung bis nach Rom gehabt haben soll.

Deutung

Tanja Susanne Scheer behauptet, die Existenz der Tempelprostitution im Altertum sei durch zahlreiche Zirkelschlüsse etabliert worden, in denen die jeweils als gesichert geltende Annahme einer Tempelprostitution in anderen Gebieten die lokale Existenz dieser Einrichtung absicherte.[2] Nur in Indien lässt sich nach Scheer eine Art von Tempelprostitution nachweisen, die allerdings nicht mit wechselnden Partnern stattfand, sondern mit jeweils einem Partner über längere Zeit, und die damit eher ein Mätressentum darstellte.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Stephanie Budin: The Myth of Sacred Prostitution in Antiquity. Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-88090-9.
  • Simon R. F. Price: Prostitution, sacred. In: Simon Hornblower, Antony Spawforth (Hrsg.): The Oxford Classical Dictionary. 3. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1996, ISBN 0-19-866172-X, S. 1263–1264.
  • Robert Rollinger: Herodots babylonischer Logos. Eine kritische Untersuchung der Glaubwürdigkeitsdiskussion an Hand ausgewählter Beispiele. Historische Parallelüberlieferung – Argumentation – Archäologischer Befund – Konsequenzen für eine Geschichte Babylons in persischer Zeit. Verlag des Instituts für Sprachwissenschaften der Universität Innsbruck, Innsbruck 1993, ISBN 3-85124-165-7
  • Tanja Scheer, Martin Lindner (Hrsg.): Tempelprostitution im Altertum. Fakten und Fiktionen. Verlag Antike, Berlin 2009, ISBN 978-3-938032-26-8 (Oikumene. Studien zur antiken Weltgeschichte. Band 6).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Renate Jost: Hure/Hurerei (Altes Testament) in: wibilex, 2007.
  2. Tanja Scheer, Martin Lindner (Hrsg.): Tempelprostitution im Altertum, Fakten und Fiktionen. Oikumene - Studien zur antiken Weltgeschichte Bd. 6. Verlag Antike, Berlin 2009
  3. Tanja Scheer, Martin Lindner (Hrsg.): Tempelprostitution im Altertum, Fakten und Fiktionen. Oikumene - Studien zur antiken Weltgeschichte Bd. 6. Verlag Antike, Berlin 2009, S. 399.

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