- Temperamentenlehre
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Die fast 2500 Jahre alte Temperamentenlehre kategorisiert Menschen nach ihrer Grund-Wesensart und ist heute wissenschaftlich gesehen eine überholte Theorie.
Inhaltsverzeichnis
Antike und Mittelalter
Sie geht auf die Humoralpathologie (Viersäftelehre) zurück, die Hippokrates von Kós (griech. Arzt, 460–375 v. Chr.) zugeschrieben wird. Innerhalb des Corpus Hippocraticum wurde sie in der Schrift „Die Natur des Menschen“ erstmals entwickelt, welche dem Polybos, Schwiegersohn und Schüler des Hippokrates zugeschrieben wird.
Die Verknüpfung der Viersäftelehre mit der Lehre von den vier Temperamenten erfolgte durch Galenus von Pergamon, der den vier Flüssigkeiten des Körpers („humores“) je ein Temperament zuordnete. Je nach Vorherrschaft einer dieser vier Flüssigkeiten bilde sich das damit verbundene Temperament besonders hervor. Galen griff dabei eine Auffassung auf, die in gewissen Bereichen, z.B. der Melancholie, bereits zuvor gebildet worden war und systematisierte sie:
- Blut (Sanguis): Sanguiniker (heiter, aktiv)
- Schleim (Phlegma): Phlegmatiker (passiv, schwerfällig)
- Schwarze Gallenflüssigkeit (Melas Cholé): Melancholiker (traurig, nachdenklich)
- Gelbe Gallenflüssigkeit (Cholé): Choleriker (reizbar und erregbar)
Im Mittelalter wurde die Temperamentenlehre Galens noch durch die Zuordnung von entsprechenden Elementen, Himmelsrichtungen, Jahreszeiten, Sternzeichen und Tonarten ergänzt.
Das Gleichnis mit dem Stein
Die vier Temperamente lassen sich sehr einfach an einem simplen Szenario verdeutlichen. Man stelle sich vor, ein großer Stein versperre einem Menschen seinen Weg.
- Der Sanguiniker wird heiter in seiner unbetrübten Art über den Stein hinweg hüpfen oder klettern.
- Der Phlegmatiker geht Konflikten mit unnötig großem Aufwand aus dem Weg, er wird einen großen Bogen um den Stein herum machen.
- Der Melancholiker wird beim Anblick des Steins seine Reise in Frage stellen und sich traurig auf den Stein setzen, um nachzudenken und sein Vorhaben zu reflektieren.
- Der Choleriker wird des unerwarteten Hindernisses wegen in Rage geraten und womöglich versuchen, den Stein mit einem Kraftakt aus dem Weg zu räumen.[1]
19. und 20. Jahrhundert
Johann Nepomuk Nestroy schrieb 1837 die Posse "Das Haus der Temperamente", in der die Bühne vier Wohnungen zeigt, die von vier Familien mit den unterschiedlichen Temperamenten bewohnt werden.
Die Temperamentenlehre wurde viele Jahrhunderte akzeptiert und inspirierte moderne Persönlichkeitspsychologen wie Hans Eysenck (1916–1997), der in seinem Persönlichkeitszirkel die Eigenschaft „instabil“ zwischen melancholisch und cholerisch, „extrovertiert“ zwischen cholerisch und sanguinisch, „stabil“ zwischen sanguinisch und phlegmatisch sowie „introvertiert“ zwischen phlegmatisch und melancholisch einordnete.
Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie und Waldorfschule, entwickelte neben einer Vielzahl die Pädagogik betreffenden Thesen, eine Variante der Temperamentenlehre. Sie teilt, wie ihre griechische Vorläuferin, die Menschen in vier Grundtypen – Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker und Choleriker – ein, wobei Mischformen dieser Typen auftreten können.
Einzelnachweise
- ↑ Temperamente und innere Sekretion.' In: Alfred Adler: Menschenkenntnis, 1927, Online-Version, letzter Aufruf am 12. September 2011.
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