Temperamente

Temperamente
Temperamente
Fachgebiet Literatur
Sprache Deutsch
Verlag Neues Leben (DDR)
Erstausgabe 1976
Erscheinungsweise dreimonatlich

Temperamente, Untertitel: Blätter für junge Literatur, war eine DDR-Literaturzeitschrift. Sie erschien im Verlag Neues Leben in Berlin. Schwerpunkt der Zeitschrift waren Arbeiten junger Autoren.

Geschichte

Hans Bentzien, seinerzeit Chefredakteur des Verlages Neues Leben, regte 1975 die Herausgabe eines solchen Blattes an. Es sollte wegen der in der DDR-üblichen Papierkontingentierung nicht als reguläre Zeitschrift, sondern als Almanach erscheinen.[1] Autoren im ersten Heft, das im Sommer 1976 erschien, waren unter anderem Franz Fühmann und Bernd Ulbrich mit einer seiner ersten Science-Fiction-Geschichten. Die folgenden Hefte enthielten unter anderem frühe Veröffentlichungen von Autoren wie Bert Papenfuß-Gorek oder Stefan Döring.

Kurz nach Erscheinen des ersten Heftes, im November 1976, wurde Wolf Biermann ausgebürgert. In der folgenden Zeit kam es zu einer Verschärfung der Politik der DDR-Führung gegenüber den Künstlern des Landes. Dies führte zu diversen Konflikten zwischen der Redaktion und den Behörden. Karl-Heinz Jakobs wurde als Mitunterzeichner der Protestresolution gegen die Biermann-Ausbürgerung 1977 aus der Redaktion entfernt. Die ersten Ausgaben erschienen nur sporadisch, der Posten der Chefredakteurs wechselte mehrfach. Das dritte Heft konnte überhaupt nicht erscheinen. Als Gründe für das Nicht-Erscheinen gelten eine Erzählung von Klaus Schlesinger, gleichfalls einer der Unterzeichner der Biermann-Resolution, ein Vorabdrucks des Romans Transport-Paule von Paul Gratzik und zu realistischer Fotografien aus Prenzlauer Berg.[2]

Im Sommer 1978 wurde die komplette Redaktion aus politischen Gründen abgelöst. Sie bestand aus dem Chefredakteur Rulo Melchert, der kurz zuvor von der Zeitung Junge Welt gekommen war, seinen Stellvertretern Michael Berger und Fritz-Jochen Kopka sowie Joochen Laabs, Frank Hörnigk, Richard Pietraß und Joachim Walther, die bereits von Anfang an bei der Zeitschrift wirkten.[3] Neuer Chefredakteur wurde Reinhard Weisbach, der im selben Jahr bei einem Unfall verstarb. Ihm folgte Arno Hochmuth, zunächst als „Leiter der Redaktion“, später bis 1982 als Chefredakteur.

Nachdem in den ersten Jahren die Zeitschrift sporadisch etwa zweimal im Jahr erschien, wurde sie ab 1979 regelmäßig vertrieben. Die ursprüngliche geplante zweimonatliche Auslieferung wurde nicht realisiert, das Heft erschien vierteljährlich. Erst 1989 erschienen fünf Ausgaben[4].

Bis 1981 erschienen noch gelegentlich Texte der inoffiziellen Lyrikszene im Heft, danach durften sie als Folge eines Beschlusses des Sekretariats des ZK der SED vom 11. November 1981, faktisch nicht mehr erscheinen.[5]

Der Chefredakteursposten wechselte mehrfach. Nachdem 1982 zunächst Hinnerk Einhorn amtierender Chefredakteur war, folgte ihm 1983 Martin Herzig. Seine Nachfolgerin war Marion Titze, die 1987 ebenfalls aus politischen Gründen entlassen wurde. Später leitete Ulrike Bresch die Redaktion.

Der lange Vorlauf zwischen Texterstellung und Erscheinen des Heftes erwies in den Zeiten der Wende in der DDR 1989/1990 als nachteilig. Dennoch wurde das Heft 1/1990, unter anderem mit Texten von Matthias Baader Holst und Johannes Jansen noch einmal populär, es wurde später unter dem Titel Wider den Schlaf der Vernunft vom Verlag Neues Leben in Zusammenarbeit mit Elefanten Press noch einmal neu aufgelegt.

Mit dem Heft 4/1990 wurde die Zeitschrift eingestellt; die bereits vorbereiteten Hefte 5 und 6/1990 erschienen nicht mehr.

Inhalt

Die Aufmachung und inhaltliche Gliederung der Zeitschrift änderte sich im Verlaufe ihres Bestehens nur wenig. Das Heft war in der Regel 160 Seiten stark und broschiert. Das Titelblatt enthielt eine Zeichnung, in den späteren Jahren meistens farbig. Die Rückseite des Heftes enthielt nur ein kurzes Gedicht oder ein Zitat. Die Innenseiten des Umschlages blieben meistens frei.

Fester Bestandteil der Zeitschrift waren Rubriken wie „Kritik“, „Feuilleton“ oder „Vorrat“, in der ältere Arbeiten bekannter Autoren vorgestellt wurden. Den Hauptanteil machten neue Prosa- und Lyrikwerke vor allem jüngerer, aber auch älterer Autoren aus. Daneben gab es Essays und Interviews. Regelmäßig gab es Berichte vom jährlichen Poetenseminar in Schwerin.

Inhaltliche wurde viel Wert auf die Förderung des literarischen Nachwuchs gelegt. Viele Autoren hatten ihre ersten Veröffentlichungen in dem Blatt. Auch wenn die Brisanz der ersten Hefte später kaum noch erreicht wurde, gab es auch später Themen, die in Temperamente früher als in den meisten anderen DDR-Medien angesprochen wurde. Im Heft 2/1988 erschien explizit homosexuelle Prosa von Michael Sollorz und Frank Goyke. Im Heft 3/1988 wurde das Thema der Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg angesprochen, es erschienen Interviews mit Menschen, die 1945 aus den deutschen Ostgebieten vertrieben worden waren.[6]

Einzelnachweise

  1. Interview mit Richard Pietraß, in: Gerd Labroisse, Ian Wallace, DDR-Schriftsteller sprechen in der Zeit, S.202
  2. Karl-Heinz Baum in: Frankfurter Rundschau, 19. August 1978, S.16, digitalisiert (.pdf, englisch, Textseite 31-33)
  3. Die Zeit, 35/1978, digitalisiert
  4. Temperamente, 5/89, Impressum
  5. Die Lyrik der nichtoffiziellen Literaturszene in der DDR (1976-1989) Internetquelle, abgerufen 3. Juli 2009
  6. Thomas Horstmann, Zur Rekonstruktion und medialen Vermittlung von Flucht und Vertreibung im kollektiven Gedächtnis der SBZ/DDR, Internetquelle, abgerufen am 27. Juli 2009

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Temperamente — Temperamente, die verschiedenen auf der körperlichen Organisation beruhenden Gemüthsarten der Menschen. Diese Verschiedenheiten sind zwar unendlich mannigfaltig, jedoch lassen sie sich unter 4 Hauptkategorien bringen, wie sie bereits die Alten… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Das Haus der Temperamente — Daten des Dramas Titel: Das Haus der Temperamente Gattung: Posse in 2 Aufzügen Originalsprache: Deutsch Autor: Johann Nestroy Musik …   Deutsch Wikipedia

  • Titel Thesen Temperamente — ttt – titel, thesen, temperamente ist eine wöchentliche Kultursendung im Ersten, die abwechselnd von BR, hr, MDR, NDR, RBB und WDR produziert wird. Nach Evelyn Fischer und Caren Miosga wird die Sendung seit dem 4. November 2007 von Dieter Moor… …   Deutsch Wikipedia

  • Ttt - titel, thesen, temperamente — ttt – titel, thesen, temperamente ist eine wöchentliche Kultursendung im Ersten, die abwechselnd von BR, hr, MDR, NDR, RBB und WDR produziert wird. Nach Evelyn Fischer und Caren Miosga wird die Sendung seit dem 4. November 2007 von Dieter Moor… …   Deutsch Wikipedia

  • Ttt – titel, thesen, temperamente — ist eine wöchentliche Kultursendung im Ersten, die abwechselnd von BR, hr, MDR, NDR, RBB und WDR produziert wird. Nach Evelyn Fischer und Caren Miosga wird die Sendung seit dem 4. November 2007 von Dieter Moor moderiert, Fischer wird ihn von Zeit …   Deutsch Wikipedia

  • Keirsey Temperament Sorter — Der Keirsey Temperament Sorter ist ein von David Keirsey 1978 entwickelter psychologischer Test, der Menschen in vier Basistemperamente mit je vier Subtemperamenten kategorisiert. Keirseys Temperament Sorter basiert im Wesentlichen auf dem Myers… …   Deutsch Wikipedia

  • Waldorfpädagogik — Die Waldorfpädagogik ist eine durch Rudolf Steiner (1861–1925) begründete Pädagogik auf der Grundlage der ebenfalls von ihm entwickelten Menschenkunde Anthroposophie. Sie wird der Reformpädagogik zugerechnet. Sie fand bei ihrer Entstehung zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Humoralmedizin — Albrecht Dürer: Die vier Apostel, eine Darstellung der vier Temperamente Die naturwissenschaftlich als veraltet geltende, jedoch von den Geisteswissenschaften und von der rationalen Psychologie als aufschlussreich beurteilte Humoralpathologie… …   Deutsch Wikipedia

  • Säftelehre — Albrecht Dürer: Die vier Apostel, eine Darstellung der vier Temperamente Die naturwissenschaftlich als veraltet geltende, jedoch von den Geisteswissenschaften und von der rationalen Psychologie als aufschlussreich beurteilte Humoralpathologie… …   Deutsch Wikipedia

  • Vier-Säfte-Lehre — Albrecht Dürer: Die vier Apostel, eine Darstellung der vier Temperamente Die naturwissenschaftlich als veraltet geltende, jedoch von den Geisteswissenschaften und von der rationalen Psychologie als aufschlussreich beurteilte Humoralpathologie… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”