Tempo (Marke)

Tempo (Marke)
Logo der eingetragenen Bild-/Wortmarke
Packung Tempotaschentücher (neues Design)

Tempo ist die erste deutsche Marke für Papiertaschentücher[1]. Der Markenname hat sich inzwischen zum Gattungsnamen verselbstständigt. In Deutschland bezeichnet man umgangssprachlich Papiertaschentücher als Tempo, und zwar auch dann, wenn es sich bei dem Papiertaschentuch nicht um die Marke Tempo handelt. In den USA und anderen Ländern hat die Marke Kleenex eine ähnliche Bedeutung.

Im Mai 2009 erfolgte mit der Markteinführung des Tempo Toilettenpapiers unter dem Namen Tempo Toilettenpapier weich & sicher für 3-lagiges Toilettenpapier und Tempo Toilettenpapier extra sanft & extra stark für 4-lagiges Toilettenpapier ein Vorstoß der Marke in ein neues Marktsegment.[2][3][4]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Marke

Am 29. Januar 1929 ließen die Vereinigten Papierwerke Nürnberg das Warenzeichen Tempo beim Reichspatentamt in Berlin anmelden. Die Eintragung des Warenzeichens erfolgte am 18. September 1929 und die Veröffentlichung im Warenzeichenblatt am 15. Oktober 1929. Die Warenzeichennummer lautet 407752.[5]

Die Produktidee schreibt man dem damaligen jüdischen Mitinhaber der Vereinigten Papierwerke Oskar Rosenfelder zu. Der Ursprung des Markennamens Tempo ist der Zeitgeist der 20er Jahre, die bis zur Weltwirtschaftskrise eine Zeit der Superlative waren: alles schien möglich, das gesellschaftliche Leben pulsierte – kurz, sie besaßen einfach Tempo. Und so bekamen sie gegen Ende des Jahrzehnts das Einmaltaschentuch mit dem schwungvollen Markennamen dazu.

Das Stammwerk der Vereinigten Papierwerke, zu 100 % in Händen jüdischer Aktionäre, befand sich in Heroldsberg bei Nürnberg, wo bereits vor 1929 Hygieneartikel hergestellt wurden. In den Jahren bis 1933 übernahmen erst Heimarbeiter und später Wohlfahrtswerkstätten in Nürnberg das Falten der Taschentücher. Mit dem durchgängigen Einsatz von Verarbeitungsmaschinen konnte das Produktionsvolumen auf 150 Millionen Stück im Jahr 1935 gesteigert werden. Allerdings waren Oskar Rosenfelder und sein Bruder Emil, die zusammen knapp 56 % der Aktien besessen hatten, bereits im August 1933 vor den Nazis aus Deutschland nach England emigriert. Sie hatten vorher versucht, durch eine Firmengründung in England die Besitz- und Verfügungsrechte des deutschen Unternehmens dorthin zu übertragen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg eröffnete jedoch ein Verfahren wegen Devisenvergehen und beantragte die Beschlagnahmung des inländischen Vermögens, dem das Landgericht Nürnberg-Fürth kurze Zeit später folgte. Es wurde ein Abwesenheitspfleger bestellt und die Deutsche Bank, welche den Brüdern noch kurz zuvor ein Darlehen gewährt hatte, suchte einen Käufer für das Aktienpaket, welches als Sicherheit für den Kredit hinterlegt worden war. Der Fürther Unternehmer Gustav Schickedanz, der Gründer des Versandhauses Quelle, kaufte im Jahre 1934 dieses Aktienpaket zu einem Kurs von 110 %.[6] Im Jahr 1935 erwarb er die restlichen Anteile an dem Unternehmen.[7] Zugleich sicherte er sich damit die Markenrechte an Tempo. In allen amtlichen Nachkriegsuntersuchungen kam man zu dem Schluss, dass sich Schickedanz bei dem Erwerb der Firma, im Gegensatz zu anderen Unternehmern dieser Zeit, korrekt und zudem großzügig verhalten hatte, was ihm sogar Kritik der lokalen Nationalsozialisten einbrachte.[8] Die geschädigten jüdischen Eigentümer sahen dies völlig anders, so äußerte z. B. Oskar Rosenfelder: „… Gustav Schickedanz [konnte] die Aktienmajorität völlig unentgeltlich in seinen Besitz bringen […], ja darüber hinaus sogar einen erheblichen, seinerzeit sogenannten Arisierungsgewinn erzielen …“ [9][10]

Die steigende Nachfrage führte zum Kauf der Papierwerke in Forchheim, die ebenfalls in der Nähe Nürnbergs angesiedelt waren. Im Jahr des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges betrug das Produktionsvolumen bereits 400 Millionen Stück.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion zuerst stark eingeschränkt und später vollkommen eingestellt, weil das Tempo-Taschentuch keine Berücksichtigung in der Liste kriegswichtiger Güter erfuhr. Erst im Dezember 1947 konnte die Produktion in Heroldsberg und Forchheim wieder aufgenommen werden.

Auch nach dem Krieg wuchs der Verkauf und damit das Fertigungsvolumen weiter an. 1955 verkauften die Vereinigten Papierwerke erstmals mehr als eine Milliarde Taschentücher. Die starke Nachfrage führte zur Errichtung weiterer Produktionsstandorte in Glückstadt (1958), Neuss (1962) und Gelsenkirchen (1972). Die Erweiterung der Produktionsanlagen ließ 1977 die Produktion von mehr als zehn Milliarden Taschentüchern zu. Zwischen 1985 und 1987 wird die gesamte Produktion nach Neuss verlagert.

Die Gesellschaftsform der Vereinigten Papierwerke wechselt von einer Kommanditgesellschaft zur Aktiengesellschaft im Jahr 1986.

Ab April 1989 trat das Unternehmen unter der Firmierung VP-Schickedanz AG auf, die 1994 vom US-amerikanischen Konzern Procter & Gamble aufgekauft wurde. Im März 2007 wurde sie von diesem Unternehmen für 512 Mio. EUR an dessen schwedischen Konkurrenten SCA verkauft.[11] Der Verkauf wurde durch die Europäische Kommission genehmigt.[12]

Das Produktionsvolumen stieg nach der Übernahme auf mehr als 20 Milliarden Taschentücher im Jahr 2004 an.

Produktentwicklung

1929 bis 1949

Von 1929 bis 1939 wurden jeweils 18 Papiertaschentücher in blau, rot und grün bedruckten Pergamin-Packungen verkauft. 1939 wurde die Produktion von rot und grün bedruckten Packungen eingestellt und der Packungsinhalt auf 20 Taschentücher erhöht.

1950 bis 1959

In den 1950er Jahren kam es zu einer mehrfachen Überarbeitung der Tempo-Verpackung. 1950 wurden Tempo-Packungen mit einer abnehmbaren Schmalseite entwickelt, die gleichzeitig als Vorratsbehälter dienten. 1953 wird die so genannte „Brechpackung“ eingeführt. Dabei handelte es sich um eine einfach teilbare Packung mit zwei mal zehn Taschentüchern.

1960 bis 1969

Die Einführung des „Tempo-Griffs“ im Jahr 1963 sollte der praktischeren Entfaltung des Taschentuchs dienen. Ein Jahr später wurden erstmals Mehrfachverpackungen im Handel angeboten. Die erste Mehrfachverpackung war der 6er-Pack. Neben dem Verkauf von Taschentüchern wurden ab 1967 auch Tischservietten in zwei Größen und mehreren Farben und Kosmetiktücher verkauft. Ab 1969 bereicherten Küchenrollen die Tempo-Produktfamilie.

1970 bis 1979

In den 1970er Jahren kamen weitere Mehrfachverpackungen in den Handel: 1970 der 10er-Pack, 1971 10er-Pack mit Menthol und der Superpack mit 18 Taschentuchpäckchen, 1978 die Vorratspackung mit 42 Päckchen Inhalt. Ab 1973 wurden neben weißen auch gelbe, rote und orange Taschentücher angeboten. Die sogenannte Z-Faltung der Taschentücher wurde 1975 eingeführt, die eine noch leichtere Entfaltung ermöglichen sollte. Eine grundlegende Veränderung im Erscheinungsbild der Verpackungen ergab sich mit dem Wechsel zu Folienweichpackungen im Jahr 1978.

1980 bis 1989

Ab Herbst 1988 waren die Folienpackungen wiederverschließbar.

1990 bis 1999

Seit 1990 wird ausschließlich sauerstoffgebleichter Zellstoff für die Produktion der Taschentücher eingesetzt. Im Jahr 1995 wurden zwei neue Tempo-Produkte eingeführt: Tempo Plus mit Aloe Vera und Tempo Menthol mit „Atemfrei Gefühl”. Ein Jahr später wurde das kleinere Format Tempo Compact auf den Markt gebracht. Die Tempo-Box wurde im Jahr 1999 eingeführt, die als Zupfbox 100 Taschentücher enthält. Ab 2006 befinden sich nur noch 80 Taschentücher in einer Tempo-Box. 1999 wurden auch erstmals Tempo-Päckchen mit Cartoons verkauft. Die ersten Päckchen wurden vom Comiczeichner Uli Stein gestaltet.

2000 bis heute

Die gegenwärtige Produktpalette umfasst:

  • Tempo Klassik
  • Tempo Plus
  • Tempo Menthol
  • Tempo Aromathera
  • Tempo ice
  • Tempo Kids
  • Tempo Cleans
  • Tempo Box
  • Tempo Sondereditionen: Tempo Fashion
  • Tempo Sanft und Frei
  • Tempo Toilettenpapier weich & sicher
  • Tempo Toilettenpapier extra sanft & extra stark

Marketing und Verkauf

Tempo Taschentuch

Tempo-Plagiate, ausgestellt im Plagiarius-Museum in Solingen

Das erste Inserat für Tempo-Taschentücher erschien am 29. Dezember 1929 in der Berliner Illustrirten Zeitung. Der Nutzen des Papiertaschentuchs wurde den Verbrauchern anhand von Alltagssituationen aufgezeigt. Man platzierte das Papiertaschentuch, indem man in der Werbung die Hygiene durch die Einmalbenutzung – im Gegensatz zum Stofftaschentuch – betonte.

  • Seidenweich! Saugfähig! Hygienisch! Kein Waschen mehr! – erster Aufdruck auf den Packungen 1929
  • Drum merkt es Euch für immer, Leute – Tempo muß man haben heute (1929)
  • Auf Schnupfen-Nächten liegt ein Fluch! Da hilft das TEMPO-Taschentuch. (1950er Jahre)
  • Tempo mit besond’rem Pfiff – rasch entfaltet, nur ein Griff (1963)
  • Verlass' Dich drauf (1990er Jahre)
  • Die Liebe kann in Schnupfenfällen / am feuchten Taschentuch zerschellen, / er sollte drum zum Naseputzen / ein Tempo-Taschentuch benutzen.
  • Bazillen fahren Straßenbahn, / ich schaff mir Tempo-Taschentücher an.
  • Tempo. Mit dir fühl ich mich stark.

Der ursprüngliche Tempo-Schriftzug aus dem Jahr 1929 erfuhr 1951 die bisher letzte Überarbeitung.

Tempo Toilettenpapier

Die Einführung des Produktes Tempo Toilettenpapier wurde von einer TV-, Print-, und Web-Kampagne unter dem Slogan „Endlich… jetzt gibt es Tempo auch als Toilettenpapier!“ begleitet, die auf die lange Markentradition anspielt.

Literatur

  • Eugen Roth: Das kleine Buch vom Taschentuch. Nürnberg 1954
  • VP-Schickedanz AG (Hrsg.): Tempo, 50 Jahre, Dokumentation eines immer jungen Markenartikels. Nürnberg 1979.
  • VP-Schickedanz AG (Hrsg.): Tempo, 60 Jahre, Die Geschichte einer bahnbrechenden Idee. Nürnberg 1989.

Einzelnachweise

  1. Markenregister
  2. Fachwebsite-Ankündigung zur Einführung des Tempo Toilettenpapiers
  3. Offizielle Seite des Tempo Toilettenpapiers
  4. Pressemitteilung zu Tempo Toilettenpapier
  5. DPMA Markenregister, Registerauskunft RN407752: Wortmarke "Tempo", eingetragen am 18. September 1929.
  6. Die Dresdner Bank und die deutschen Juden (bei Google Books)
  7. Artikel der Die Zeit zur Marke Tempo
  8. Gregor Schöllgen: Der Quelle-Gründer und sein Unternehmen im Dritten Reich. In: Süddeutsche Zeitung. 24. Juli 2009, ISSN 0174-4917, S. 12.
  9. Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammerakten Schickedanz (SprK Sch) 472/1-5.
  10. Eckart Dietzfelbinger: Warum braune Flecken kein Makel bleiben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz. In: Transit. Zeitschrift für Politik und Zeitgeschichte. Nr. 2. Nürnberg 2008. S. 32.
  11. SPIEGEL online
  12. Süddeutsche:Schweden dürfen Tempo-Taschentücher übernehmen – Verkauf von Softis

Weblinks


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