- Thalestris
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Thalestris (griechisch Θάληστρις)[1] war die letzte Amazonenkönigin, die namentlich genannt wird. Sie soll im Jahr 330 v. Chr. Alexander den Großen während dessen Asienfeldzug getroffen haben. Moderne Forscher halten sie durchwegs nicht für eine historische, sondern eine rein fiktionale Persönlichkeit.
Darstellung in geschichtlichen Quellen
Die wichtigsten erhaltenen antiken Quellen für die angebliche Begegnung von Alexander dem Großen und Thalestris stellen die Berichte der Historiker Diodor und Quintus Curtius Rufus sowie der Auszug von Iustinus aus dem Geschichtswerk des Pompeius Trogus dar.
Zur Zeit des Alexanderzugs erstreckte sich die (angebliche) Macht der Thalestris laut Diodor über das Gebiet zwischen den Flüssen Phasis (heute Rioni am Südwestabhang des Kaukasusgebirges) und Thermodon. Als Alexander auf seinem Feldzug gegen die Perser 330 v. Chr. mit seinen Truppen in Hyrkanien lagerte, sei Thalestris mit einem Teil ihres Heeres, 300 in voller Rüstung steckenden Amazonen, zu seinem Lager geritten. Sie habe dem König erklärt, dass sie ein Kind von ihm zu bekommen begehre. Da er sich als der größte aller Männer erwiesen habe und sie selbst mutiger und stärker als alle anderen Frauen sei, werde ein von ihnen zusammen gezeugtes Kind alle Sterblichen übertreffen. Angeblich war Alexander der Bitte nicht abgeneigt und beschloss, mit seinem Heer noch einige Tage Halt zu machen. Nach dreizehn Tagen gemeinsamen Verkehrs habe er Thalestris reich beschenkt entlassen.[2]
Curtius Rufus erwähnt in seiner Erzählung dieser Episode[3] weitere Einzelheiten, u. a., dass Thalestris Alexander gegenüber geäußert habe, dass sie ein Kind weiblichen Geschlechts behalten, ein männliches aber zu ihm schicken werde. Auch Iustinus bringt eine ähnliche Darstellung der Geschichte,[4] gibt aber ebenso wenig wie Diodor und Curtius Rufus Auskunft über das fernere Leben der Amazonenkönigin. Im Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes kommt die Gestalt der Thalestris nicht vor.
Antike und moderne Beurteilung von Thalestris’ Historizität
Die Existenz von Thalestris war schon unter antiken Geschichtsschreibern umstritten. Der Biograph Plutarch führt 14 Autoren auf, welche die Thalestris-Geschichte erwähnten. Einige davon wie Kleitarchos oder Onesikritos schenkten ihr Glauben, neun davon (darunter Aristobulos, Chares von Mytilene, Ptolemaios und Duris von Samos) hielten die Affäre zwischen Alexander dem Großen und Thalestris für komplette Fiktion.[5] Viele Jahre nach der angeblichen Begegnung zwischen dem Makedonenkönig und Thalestris weilte Onesikritos bei Lysimachos, einem Teilnehmer des Alexanderzuges, der sich zum Zeitpunkt dieser vermeintlichen Episode in der Nähe Alexanders aufgehalten hatte. Als Onesikritos das Auftreten der Amazone aus dem vierten Buch seines Geschichtswerks vorlas, lächelte Lysimachos und fragte, wo denn er damals gewesen sei; also wusste er offenbar nichts von der Amazone.[6]
Der als sehr zuverlässig geltende Geschichtsschreiber Arrian berichtet zwar nichts über Thalestris, gibt aber an, dass der Makedonenkönig laut einigen Berichten erst sechs Jahre später (324 v. Chr.) 100 bewaffnete Reiterinnen, angeblich Amazonen, getroffen habe, die vom medischen Satrapen Atropates gesandt worden seien. Alexander habe sie jedoch wieder fortgeschickt, um zu verhindern, dass die Soldaten ihnen Gewalt zufügten. Arrian betont, dass die für ihn glaubwürdigen Alexanderhistoriker wie Ptolemaios und Aristobulos diese Geschichte nicht erwähnten und bezweifelt, dass es überhaupt jemals eine solche Rasse kriegerischer Frauen gab.[7]
Die moderne Wissenschaft hält die Thalestris-Episode einhellig für unhistorisch. Vielleicht lieferte die Tochter eines Skythenkönigs, die Alexander – laut dessen eigenem Brief an Antipater – zur Gattin angeboten worden war,[8] den Anstoß zur Amazonenlegende.
Kunst
- Girolamo Faccioli (auch: Fagivoli): Alexander und Thalestris (16. Jhd.)
- Christian Heinrich Postel: Die Groß-Mächtige Thalestris, oder Letzte Königin der Amazonen (17. Jhd.)
- Johann Georg Plazer: The Amazon Queen Thalestris in the Camp of Alexander (18. Jhd.)
Belege
- ↑ Laut Iustinus (Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 2, 4, 33 und 12, 3, 5) wurde Thalestris auch Minythyia genannt.
- ↑ Diodor, Bibliotheke 17, 77, 1-3.
- ↑ Quintus Curtius Rufus, Historia Alexandri Magni 6, 5, 24-32.
- ↑ Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 12, 3, 5-7.
- ↑ Plutarch, Alexander 46, 1–2; vgl. Strabon, Geographie 11, 5, 4 p. 505.
- ↑ Plutarch, Alexander 46, 4.
- ↑ Arrian, Anabasis 7, 13, 2-6; dazu Siegfried Lauffer: Alexander der Große. dtv, München 1978, 3. Auflage 1993, ISBN 3-423-04298-2, S. 176f.
- ↑ Plutarch, Alexander 46, 3.
Literatur
- Sachliteratur
- Waldemar Heckel: Who’s Who In The Age Of Alexander The Great: Prosopography of Alexander’s Empire. Blackwell, Oxford 2006, ISBN 1-40511-210-7, S. 262f. (Auszug online)
- Belletristik
- P. M. Mitchell (Hrsg.): Johann Ch. Gottsched, Ausgewählte Werke. Band XII. de Gruyter, Berlin 1987, ISBN 3-11011-221-3, S. 294
Weblinks
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