Theodor Fliedner

Theodor Fliedner
Theodor Fliedner, Stahlstich von Ed. Rittinghaus

Georg Heinrich Theodor Fliedner (* 21. Januar 1800 in Eppstein; † 4. Oktober 1864 in Kaiserswerth) war ein deutscher evangelischer Pfarrer und Gründer der Kaiserswerther Diakonie. Er gilt, gemeinsam mit seinen Frauen Friederike Münster und Caroline Bertheau, als Erneuerer des apostolischen Diakonissenamtes.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Fliedner wurde im Jahre 1800 als eines der zehn Kinder des Pfarrers Jakob Ludwig Fliedner und seiner Frau Henriette geboren. Er wurde zusätzlich zur Schule gemeinsam mit seinen Geschwistern von den Eltern unterrichtet und äußerte früh den Wunsch, ebenfalls Pfarrer zu werden. Der Vater starb, als Fliedner zehn Jahre alt war, Mutter und Freunde der Familie ermöglichten ihm den weiteren Besuch des Gymnasiums. 1817 besuchte Fliedner gemeinsam mit seinem Bruder die Universität in Gießen, um mit Hilfe eines Stipendiums evangelische Theologie zu studieren. Er wechselte später nach Göttingen und beendete das Studium 1820 am Predigerseminar in Herborn.

Lebenswerk und berufliches Engagement

1822 wurde Fliedner Pfarrer in Kaiserswerth bei Düsseldorf. Seine in der Minderheit des katholischen Umlandes lebenden Gemeindemitglieder waren schwer von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen, und Fliedner versuchte seiner armen Gemeinde einen Kirchen-, Schul- und Armenfonds zu verschaffen. Zunächst suchte er bei den wohlhabenderen Nachbargemeinden Unterstützung, später reiste er mehrfach zu den Zentren der Erweckungsbewegung in den Niederlanden und nach England, um Spenden zu sammeln. Dort begegnete er Elisabeth Fry, die sich in der englischen Gefangenenfürsorge engagierte und deren Arbeit ihn sehr beeindruckte.

1826 gründete Fliedner die „Rheinisch-Westfälische Gefängnisgesellschaft“ und engagierte sich für Reformen zur Verbesserung der Lebensumstände Inhaftierter und für Resozialisierungsmaßnahmen. Unter seiner Leitung entstand auch eine ökumenische Gefängnisseelsorge. Aus Spendengeldern gründete er im September 1833 ein Asyl für entlassene weibliche Strafgefangene, zu dessen Vorsteherin er Friederike Münster ernannte, die er im Jahre 1828 in Oberbiel (heute Ortsteil von Solms bei Wetzlar) geheiratet hatte und die eine wesentliche unterstützende Rolle bei der Ausweitung und Erweiterung seiner Projekte spielte. Mit ihr gemeinsam hatte Fliedner insgesamt elf Kinder, von denen acht im Kindesalter starben.

Um die schlechten Bildungsverhältnisse der Kinder und Jugendlichen zu verbessern und um so gleichzeitig eine eventuelle Straffälligkeit zu verhindern, errichtete Fliedner eine Strickschule, 1836 eine Kleinkinderschule und ein Kleinkinder-Lehrerinnenseminar. Die katastrophalen Verhältnisse in den Krankenhäusern, in denen überwiegend Wärter und keine Pflegekräfte arbeiteten und die Kranken weitgehend sich selbst überlassen wurden, veranlassten Fliedner, am 13. Oktober 1836 eine „Bildungsanstalt für evangelische Pflegerinnen“ zu gründen, die für eine Verbesserung der pflegerischen Zustände der Patienten sorgen sollte und als erste evangelische Diakonissenanstalt das später errichtete Krankenhaus betreute.

Vorbild der diakonischen Arbeit der „Gemeindeschwestern“ war für Fliedner die Phöbe aus dem Römerbrief (16,1 LUT). Er verstand Diakonissen als Dienerinnen Jesu, als Dienerinnen der Kranken und als Dienerinnen untereinander. Um die Diakonissen vor Angriffen zu schützen und um ihre Professionalität zu unterstreichen, gab Fliedner ihnen eine respektable Uniform und stellte Richtlinien auf, die den Tagesablauf der Diakonissen strukturieren und reglementieren sollten. 1838 wurden die ersten Diakonissen in andere Regionen entsandt, es entstanden weitere Diakonissenhäuser in Rheydt, Frankfurt und Kirchheim. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1842 leitete Friederike Fliedner die Diakonissenanstalt und das Mutterhaus in Kaiserswerth.

Die Lebensumstände von Frauen und auch die Motivation junger Frauen zu eigenständiger Arbeit im Kontext der Nächstenliebe waren Fliedner ein wesentliches Anliegen. Unter seiner Ägide entstanden 1841 ein Seminar für Lehrerinnen sowie 1842 ein Waisenstift für Mädchen aus den mittleren Ständen.

Fliedner heiratete 1843 Caroline Bertheau, die sich an der Seite ihres Mannes ebenfalls stark engagierte. 1844 entstand die Pastoralgehülfen- und Diakonenanstalt, aus der die heutige Theodor Fliedner Stiftung hervorging. Im Jahre 1849 gab Fliedner sein Amt als Gemeindepfarrer ab, um sich seinem Werk stärker widmen zu können und insbesondere die notwendigen Spenden für sein Lebenswerk zu sammeln. 1846 begleitete er die ersten Diakonissen in ein Krankenhaus nach England. Nordamerika besuchte er ebenfalls mit entsandten Schwestern und konnte 1851 Schwestern nach Jerusalem in Israel begleiten, wo er das Mädcheninternat Talitha Kumi eröffnete. 1852 gründete er in Kaiserswerth eine Heilanstalt für weibliche Gemütskranke.

Drei Jahre vor seinem Tod feierte Fliedner, von einer Ägyptenreise gesundheitlich geschwächt, mit den Schwestern das 25-jährige Jubiläum des Diakonissenwerkes. Zu diesem Zeitpunkt umfasste es 83 Stationen im Ausland und 26 eigenständige Häuser.

Theodor Fliedner starb am 4. Oktober 1864 in Kaiserswerth. Sein Sohn aus erster Ehe, Georg Fliedner (1840–1916), schrieb eine Biografie seines Vaters. Einer der Söhne aus zweiter Ehe, Fritz Fliedner (1845–1901), wirkte als Theologe in Madrid.

Werke und Literatur Fliedners

Briefmarke (1952) der Serie Helfer der Menschheit
  • Kollektenreise nach Holland und England, 2 Bände; 1831
  • Kurze Geschichte der Entstehung der ersten evangelischen Liebesanstalten in Kaiserswerth; 1856
  • Liederbuch für Kleinkinderschulen; 1842
  • Kaiserswerther Volkskalender; ab 1842
  • Armen- und Krankenfreund; ab 1849
  • Buch der Märtyrer und anderer Glaubenszeugen der evangelischen Kirche, 4 Bände; 1850 ff.
  • Schul-Bilderbibel, in 30 Bildern Alten und neuen Testaments. Hrsg. von Theodor Fliedner; Düsseldorf: Arnz, 1843. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf

Literatur

  • Friedrich Wilhelm Bautz: Fliedner, Theodor. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 57–59.
  • Georg Fliedner: Fliedner, Theodor. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 7, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 119–122.
  • Robert Frick: Fliedner, Theodor. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, S. 245 f. (Onlinefassung).
  • Thorsten Neubert-Preine: Diakonie für das Heilige Land – Die Gründung der Kaiserswerther Orientarbeit durch Theodor Fliedner; in: Almuth Nothnagle (Hrsg.): Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem. Festschrift zum 150jährigen Jubiläum von Talitha Kumi und des Jerusalemvereins; Leipzig 2000; ISBN 3-374-01863-7; S. 31–43
  • Dietmar Kruczek: Theodor Fliedner: Mein Leben, für das Leben. Eine Biographie über den Gründer der Kaiserswerther Diakonie; Neukirchen-Vluyn: Aussaat, 2002; ISBN 3761550057
  • Thorsten Neubert-Preine: Fliedners Engagement in Jerusalem. Kaiserswerther Diakonie im Kontext der Orientmission; in: Andreas Feldtkeller, Almuth Nothnagle (Hrsg.): Mission im Konfliktfeld von Islam. Judentum und Christentum. Eine Bestandsaufnahme zum 150-jährigen Jubiläum des Jerusalemvereins; Frankfurt am Main 2003; ISBN 3-87476-422-2; S. 57–70

Weblinks


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