Theorie der säkularen Verschlechterung der Terms of Trade

Theorie der säkularen Verschlechterung der Terms of Trade

Die These der säkularen Verschlechterung der Terms of Trade oder auch Prebisch-Singer-These von Raúl Prebisch und Hans Wolfgang Singer basiert auf der von Prebisch in den Jahren 1949 (spanisch) und 1950 (englisch) veröffentlichten Schrift The Economic Development of Latin America and its Principal Problems, sowie auf Singers Postwar Price Relation Between Underdeveloped and Industrialized Countries. Nach der These ist die Einbindung von Primärgüter-Exporteuren (meist Entwicklungsländer) in die internationale Arbeitsteilung – also in das Weltwirtschaftssystem – für sie nachteilig, da dadurch eine Tendenz zur säkularen Verschlechterung der Terms of Trade bestehe.

Dies hängt zusammen mit

  • der niedrigen Einkommenselastizität der Nachfrage nach Primärgütern (z. B. Nahrungsmittel, Rohstoffe): Steigt das Einkommen, steigt nicht gleichermaßen die Nachfrage z. B. nach Kaffee.
  • der hohen Einkommenselastizität der Nachfrage nach Industriegütern: Steigt das Einkommen, dann steigt die Nachfrage nach Industriegütern überproportional.

Daraus ergibt sich, dass ein Einkommensüberschuss überwiegend in die Länder abwandert, in denen Industriegüter produziert werden.

Zudem sind die Exporterlöse von Primärgüter-Exporteuren starken Schwankungen ausgesetzt, da sich viele von ihnen lediglich auf wenige Exportprodukte spezialisiert (beziehungsweise beschränkt) haben und es in der Folge beispielsweise bei Dürreperioden zu hohen Ausfällen von Exporteinnahmen kommt. Dieser Effekt der geringen Export-Diversifizierung wird durch die große internationale Konkurrenz unter den Primärgüter-Anbietern noch verstärkt. Kommt es in einem Land aufgrund von Dürre zu einem Preisanstieg des Exportgutes, dann findet es auf dem Weltmarkt keine Abnehmer, da es leicht durch nahezu identische Güter anderer Lieferländer substituiert werden kann. Das entspricht einer hohen Preiselastizität der Nachfrage nach Primärgütern. Die Preiselastizität der Nachfrage nach Industriegütern ist hingegen niedrig, da hier genügend Diversifizierung vorliegt, um als nahezu „einziger“ Anbieter eines Produktes auch bei einem Preisanstieg keine großen Absatzverluste in Kauf nehmen zu müssen.

Darüber hinaus führen Produktivitäts-Fortschritte in den Entwicklungsländern wegen der großen Konkurrenz zu sinkenden Preisen, also zu geringeren Exporterlösen. In Industrieländern dagegen führen Produktivitätssteigerungen tendenziell zu steigenden Löhnen.

Dies insgesamt führt der These zufolge zur Verschlechterung der internationalen Handelsbedingungen für die Entwicklungsländer.

Rezeption

Die Prebisch-Singer-These wurde in zahlreichen Ländern als Rechtfertigung für eine importsubstituierende Industrialisierung (ISI) herangezogen, auch in neomarxistischen Kreisen fand sie großen Anklang, da sie als Bestätigung der Dependenztheorie angesehen wurde. Obwohl sie zeitweise in Vergessenheit geriet, haben neuere Untersuchungen, u.a. von José Antonio Ocampo, ihre empirische Gültigkeit im 20. Jahrhundert bestätigt. Allerdings sei der Effekt nicht stetig, sondern von starken Schwankungen geprägt. Neuere Forschungen zur Prebisch-Singer-These gehen davon aus, dass ein ähnlicher Effekt wie bei Primärgütern auch bei Industriegütern mit geringer Wertschöpfung entsteht, die heute die Exporte der meisten Entwicklungsländer dominieren.

1998 erklärte Singer, die These sei bereits Teil des entwicklungstheoretischen Mainstreams, da die Empfehlungen der internationalen Wirtschaftsinstitutionen (z.B. des IWF) an die Entwicklungsländer, die beispielsweise davor warnen, auf steigende Rohstoffpreise zu setzen, von denselben Annahmen ausgingen.[1]

Einzelnachweise

  1. Hans Singer: The South Letter (30): The Terms of Trade Fifty Years Later - Convergence and Divergence (PDF), South Center, 1998

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