- Thermal Runaway
-
Thermisches Durchgehen bezeichnet die Überhitzung einer exothermen chemischen Reaktion oder einer technischen Apparatur aufgrund eines sich selbst verstärkenden, Wärme produzierenden Prozesses. Ein Durchgehen bewirkt in der Regel eine Zerstörung der Apparatur durch Brand oder Explosion.
Inhaltsverzeichnis
Chemische Reaktionstechnik
Exotherme chemische Reaktionen müssen durch Kühlung kontrolliert werden. Hierbei muss die Kühlung in einem dynamischen Gleichgewicht mit der Wärmeerzeugung der chemischen Reaktion so geführt werden, dass nur so viel Wärme abgeführt wird, dass zum einen die Reaktion nicht überhitzt, zum anderen genügend Wärme für den Fortgang der Reaktion im System bleibt.
Ein thermisches Durchgehen kann geschehen, wenn
- die Kühlung ausfällt oder eine zu geringe Leistung aufweist.
- der Wärmetransfer aus dem chemischen Gemisch zu gering ist. Hier kann es zu dem Effekt kommen, dass durch einen zu schlechten Wärmetransport aus dem Inneren der Reaktionsmasse die Kühlung nur äußere Bereiche erreicht. Dies ist oft die Folge einer zu geringen Vermischung der Reaktionspartner.
- durch chemische Verunreinigungen die chemische Reaktion beschleunigt wird. Dies kann bspw. der Kontakt mit der Kühlflüssigkeit sein (Wasser bspw. kann einige Reaktionen beschleunigen) oder aber Materialien aus der Reaktorwand, die manchmal sogar katalytisch wirken können.
Das ursprüngliche thermische Durchgehen kann in der Folge durch
- Zersetzungsreaktionen der Reaktionspartner, dessen Produkte wiederum reaktiv sein können,
- Defekte an Dichtungen und Reaktormantel, die zum Kontakt mit anderen reaktiven Materialien führen,
verstärkt werden.
Schutzmaßnahmen sind
- eine großzügige Auslegung der Kühlanlage,
- Vorrichtungen zum Löschen eines Brandes,
- Schutzventile, insbesondere Überdruckventile, die zu einer Abfackelungsvorrichtung führen.
Instabile Betriebspunkte
Die Gefahr des thermischen Durchgehens entsteht insbesondere dann, wenn ein Reaktor am instabilen Betriebspunkt betrieben wird. Ein Reaktor hat i. a. zwei mögliche Betriebspunkte, an dem die durch Kühlung abgeführte Wärme der Wärme, die durch die exotherme Reaktion erzeugt wird, entspricht.
Der stabile Betriebspunkt bei niedriger Temperatur zeichnet sich durch eine Selbstregulierung aus, d. h., dass der Reaktor ihn selbstständig erreicht. Bei Temperaturen unterhalb dieses Punktes entsteht mehr Wärme durch die Reaktion als durch die Kühlung abgeführt wird, womit sich die Reaktionsmasse aufheizt. Bei Temperaturen oberhalb ist die abgeführte Wärme höher als die Reaktionswärme und die Reaktionsmasse kühlt sich ab.
Der instabile Betriebspunkt zeichnet sich dadurch aus, dass der Reaktor ständig dazu neigt, ihn zu verlassen. Bei niedrigeren Temperaturen ist die Kühlung stärker als die Reaktionswärme und der Reaktor ist bestrebt, zum stabilen Betriebspunkt zurückzukehren. Bei höheren Temperaturen hingegen reicht die Kühlung nicht mehr aus, die Reaktionswärme abzuführen und der Reaktor droht durchzugehen.
Der instabile Betriebspunkt ist trotz der damit verbundenen Gefahren oft der gewählte Betriebspunkt, da zumeist bei der höheren Temperatur die chemische Reaktion schneller abläuft und so der Reaktor mehr produzieren kann und damit wirtschaftlicher ist (siehe hierzu auch Spezifische Produktleistung).
Um am instabilen Betriebspunkt arbeiten zu können, ist eine komplexe Steuerungstechnik erforderlich, die die Bedingungen im Reaktor misst und die Kühlung entsprechend fortlaufend ändert.
Elektronik
Lithium-Ionen-Akkumulatoren
Kommt es in einem Lithium-Ionen-Akkumulator zu einem lokalen Kurzschluss der internen Elektroden, z.B. weil der diese trennende Separator durch einen eingeschlossenen Fremdpartikel verunreinigt ist, kann der Kurzschluss-Strom die nähere Umgebung der Schadstelle so weit aufheizen, dass die umliegenden Bereiche ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Prozess weitet sich aus und setzt die im Akkumulator gespeicherte Energie schlagartig frei. Solche Thermal Runaways werden als Ursache für die in jüngerer Zeit verstärkt aufgetretenen Brände bei Laptop-Akkus verantwortlich gemacht. Auslöser waren vermutlich Fertigungsfehler in Verbindung mit Schwankungen in der Betriebstemperatur.
Leistungs-MOSFET
Bei einem Leistungs-MOSFET erhöht sich im durchgeschalteten Zustand mit zunehmender Temperatur der Drain-Source-Durchlasswiderstand, was eine zunehmende Verlustleistung in der Sperrschicht bewirkt. Bei unzureichender Kühlung kann die in Form von Wärme abgegebene Verlustleistung nicht mehr ausreichend abgeführt werden, wodurch sich der Durchlasswiderstand weiter erhöht. Dies führt schließlich zur Zerstörung des Bauteils.
Transistor
Die Überhitzung des Transistors erhöht die Stromdurchlässigkeit was zum weitereren Stromanstieg führt und ihn noch weiter erhitzt. Dieser selbst verstärkendende Prozess setzt sich bis zur Selbstzerstörung fort.
Kerntechnik
Auch das Durchgehen eines Atom-Reaktors ist ein Thermisches Durchgehen, siehe hierzu Kettenreaktion.
Literatur
- R. Gygax: Chemische Reaktionstechnik für die Sicherheit, In: Mettler Toledo Publikation. Nr. 00724386, (Quelle, br.mt.com)
Wikimedia Foundation.