- Thermoselect
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Thermoselect bezeichnet ein thermisches Verfahren des Recyclings. Es wird von der Firma Thermoselect S.A. in Locarno angeboten.
Inhaltsverzeichnis
Grundprinzip
Bei diesem Verfahren wird in einem ersten Schritt der Abfall in einer Abfallpresse verdichtet, ein schubsteifes Abfallpaket erzeugt, das in einen direkt angeschlossenen, beheizbaren Entgasungskanal geschoben wird. Vom Kanal gelangt es dann unterbrechungslos in einen Hochtemperaturreaktor, wo unter Zugabe von technisch reinem Sauerstoff die organischen Bestandteile des Abfalls vergast, Temperaturen von 1200° bis zu 2000° C erreicht werden, und damit Stoffumwandlungen mit hoher Geschwindigkeit ablaufen. Temperaturen von über 1200 °C und eine Verweilzeit von mindestens 2 Sekunden sind wichtige Voraussetzungen, damit chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Dioxine und Furane sowie andere organische Verbindungen sicher zerstört werden. Im Endergebnis entstehen aus dem Abfall verwertbare, feste Produkte, z.B. ein inertes mineralisches Granulat, und Synthesegas, das verstromt oder zur chemischen Synthese genutzt und wieder dem Kreislauf zugeführt werden kann. Bei der Abgabe des Synthesegas an ein nahegelegenes Kraftwerk, in dem es fossile Brennstoffe ersetzt, arbeitet die Thermoselect-Technologie ohne Luftemissionen.
Praxiseinsatz
Karlsruhe: Betrieb 1999–2004; Kapazität 225.000 t/a Hausmüll- und hausmüllähnlicher Gewerbemüll. Die Anlage wurde geschlossen, weil sie aufgrund technischer Probleme nie die angestrebte Kapazität erreichte. 2003 wurde daher die Anlage in Karlsruhe (ebenso die in Ansbach) von EnBW außerplanmäßig abgeschrieben, was das EBITDA laut Halbjahresbericht 2003 mit 283 Millionen € belastete. Die Verluste, die EnBW insgesamt aus dem so genannten Thermoselectgeschäft erlitten hat, wurden 2004 (zur endgültigen Stilllegung der Karlsruher Anlage) verschiedentlich mit über 400 Millionen € beziffert.
Japan: Die erste Anlage wurde im Jahr 1999 von Thermoselect nach Chiba geliefert und in Betrieb genommen. Sie arbeitete in den folgenden Jahren mit Gewinn. Für den japanischen Markt wurde eine Lizenz an JFE (früher KAWASAKI STEEL) vergeben.
Die japanische Firma KAWASAKI STEEL baute vier Anlagen mit der Thermoselect-Technologie. Aus einem Artikel in der Zeitung Nikkei Shimbun vom 15. Februar 2008 geht hervor, dass die Betreiberfirma JFE STEEL, ein joint venture von KAWASAKI STEEL und NIPPON KOKAN (NKK), mit diesen Anlagen 2007 einen Verlust von 1,7 Milliarden Yen (ca. 10 Millionen Euro) erlitt. Für die Vertragslaufzeit bis 2021 wurden Rückstellungen gebildet, die z.B. bei wieder ansteigenden Behandlungspreisen aufgelöst werden.
Heute ist das Thermoselect-Verfahren in sieben Anlagen in Japan im kommerziellen Einsatz. Es werden Hausmüll, Industriemüll und gemischte Fraktionen eingesetzt. Das Synthesegas wird unterschiedlich verwendet, z.B. zur Verstromung in Dampfturbinen und in Gasmotoren, für Tests in Brennstoffzellen, oder es wird an ein benachbartes Stahlwerk zum Einsatz in einer Gasturbine abgegeben:
Chiba: Betriebsbeginn 1999, Kapazität 300 t/d, Industriemüll, Hausmüll,Schlämme;
Mutsu: Betriebsbeginn 2003; Kapazität 140 t/d, Hausmüll;
Osaka: Betriebsgeginn 2004; Kapazität 95 t/d, Plastik, Industrieschlämme;
Kurashiki: Betriebsbeginn 2004; Kapazität 555 t/d; Hausmüll, Sperrmüll, Industrieschlämme, Shredderleichtfraktionen, Chemieabfälle, Plastik;
Nagasaki: Betriebsbeginn 2005; Kapazität 300 t/d; Hausmüll, Sperrmüll;
Tokushima: Betriebsbeginn 2005; Kapazität 120 t/d Hausmüll, Sperrmüll;
Yorii: Betriebsbeginn 2006; Kapazität 450 t/d; Haus- und Industriemüll
Für die USA wurde das Thermoselect-Verfahren an IWT Interstate Waste Technology lizenziert. Mehrere große Städte haben ihr Interesse an dem Verfahren zur umweltfreundlichen Lösung ihres Müllproblems bekundet. U.a. wurde vom County Los Angeles ein weitangelegter Verfahrensvergleich durchgeführt, der das Thermoselect-Verfahren auf Platz 1 setzte. *)
Trivia
Aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit der Anlage in Karlsruhe bekam sie von den Einwohnern sehr bald den Spitznamen "Thermodefekt" verpasst.
Literatur und Weblinks
- Günther Häßler: Thermoselect. Der neue Weg, Restmüll zu behandeln, 2. Aufl. Karlsruhe 1995 (ISBN 3-9803665-4-5). Enthält die Referate einer Fachtagung am 19. Januar 1995 in Rastatt, die von der Karlsruher Betreiberfirma Thermoselect Südwest und dem Badenwerk veranstaltet wurde.
- Homepage der Thermoselect S.A.
- Artikel Thermoselect im Umweltlexikon des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen
- Artikel von Nickolas J. Themelis: Waste Management World July 2007 - Thermal treatment review (englisch). www.waste-management-world.com. Abgerufen am 13. Oktober 2008.
- Conversion Technology Evaluation Report prepared for The County of Los Angeles, URS, August 18, 2005, www.urscorp.com
- Artikel Thermoselect im Karlsruher Stadtwiki
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