Thomas von Erfurt

Thomas von Erfurt

Thomas von Erfurt lebte um 1300 in Erfurt und war dort Magister Regiens und Rektor der Schulen St. Severi und St. Jakob.

Inhaltsverzeichnis

Die Sprachtheorie des Thomas von Erfurt

Thomas ist vor allem aufgrund seiner Beschäftigung mit Sprachlogik bekannt geworden. Sein Tractatus de modis significandi (vielfach unter dem Alternativ-Titel Grammatica speculativa bekannt), den man bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts für ein Werk des Duns Scotus hielt, gilt als Höhepunkt der sog. modistischen Sprachtheorie. Thomas versucht darin, die wechselseitigen Beziehungen von Sprache, Intellekt und außersprachlicher Wirklichkeit zu bestimmen, um die Grammatik auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen.

Thomas zufolge ist eine pars orationis, d.h. ein Wort als Bestandteil eines Satzes, nicht bloß ein Lautkörper (vox) mit einer bestimmten Bedeutung (significatio); zu den jeweiligen Bedeutungen treten immer auch bestimmte Mit-Bedeutungen. So sind im Eigennamen Vergilius neben der konkreten „Bedeutung“ (wir würden in diesem Falle von „Referenz“ sprechen) die weiteren Bestimmungen „Substanz“, „Mensch“, „maskulin“, „einzeln“ etc. enthalten. Diese Konnotationen werden mit dem Begriff modi significandi („Bezeichnungsweisen“) bezeichnet; sie sind der Gegenstand der Grammatik.

Die modi significandi eines Wortes sind gleichsam die Repräsentanten bestimmter modi essendi („Seinsweisen“) im Bereich der außersprachlichen Wirklichkeit, die der Sprache aber erst durch den Intellekt, genauer gesagt: durch wiederum entsprechende modi intelligendi („Wahrnehmungsweisen“), vermittelt werden.

Im Universalienstreit nimmt Thomas damit gewissermaßen die Position eines gemäßigten Realismus ein: Zwar wird Sprache grundsätzlich als Abbild der außersprachlichen Realität aufgefasst, einer Realität, die deshalb auch die Universalien einschließt (sonst könnte eine Sprache nicht über abstrakte Begriffe verfügen). Zugleich aber wird auch die Rolle des menschlichen Intellekts berücksichtigt, der den Dingen erst ihre Bezeichnungen verleiht.

Wirkung

Die moderne Semiotik schließt vermittelt durch die Arbeiten von Charles S. Peirce – der die Grammatica Speculativa Duns Scotus zuschreibt – an Thomas an. Peirce nennt seinen Entwurf der Semiotik, der den ersten Teil der Logik bildet, dann auch Speculative Grammar.

Literatur

  • Marianus Fernández García: B. Joannis Duns Scoti Doct. Stubtilis O.F.M. Grammatica Speculativae nova editio, cura et studio P. Fr. M. F. Garcia O.F.M., Ad Claras Aquas, Quaracchi 1902.
  • Martin Grabmann: Thomas von Erfurt und die Sprachlogik des mittelalterlichen Aristotelismus. München 1943.
  • D. Gabler: Die semantischen und syntaktischen Funktionen im Tractatus „De modis significandi sive grammatica speculativa“ des Thomas von Erfurt. Bern [u.a.] 1987, ISBN 3-261-03622-2
  • Reinhold F. Glei: Die Grammatica speculativa des Thomas von Erfurt (um 1300). In: W. Ax (Hrsg.): Von Eleganz und Barbarei. Lateinische Grammatik und Stilistik in Renaissance und Barock (= Wolfenbütteler Forschungen. Band 94), 2001, S. 11–27.
  • Martin Heidegger: Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus. Mohr, Tübingen 1916. (Heideggers Freiburger Habilitationsschrift über den Traktat des für Duns Scotus gehaltenen Thomas von Erfurt.)
  • Johannes Madey: Thomas von Erfurt. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 17, Herzberg 2000, ISBN 3-88309-080-8, Sp. 1369–1370.
  • Charles S. Peirce: Semiotische Schriften. Band 1, Frankfurt 1986, S. 217n7.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Modi significandi – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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