Thorner Blutgericht

Thorner Blutgericht
Thorner Blutgericht

Das Thorner Blutgericht bezeichnet die Hinrichtung des Bürgermeisters und mehrerer Bürger der Stadt Thorn durch die polnische Regierung am 7. Dezember 1724.

Inhaltsverzeichnis

Die Vorgeschichte

Thorn hatte 1588 die Religionsfreiheit erlangt und war im Wesentlichen protestantisch. Im Jahre 1645 hatte in Thorn unter Leitung des polnischen Kanzlers Ossolinski das Colloquium Charitativum stattgefunden, eine internationale Gesprächsrunde zur Verständigung unter verschiedenen Glaubensrichtungen.

Im Zuge der Gegenreformation kamen jedoch Jesuiten in die Stadt und eröffneten eine Schule. Mit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts, als der für diesen Zweck katholisch gewordene Kurfürst August der Starke von Sachsen zum polnischen König gewählt worden war, machte sich in Thorn ein empfindlicher gegenreformatorischer Druck bemerkbar. Eine starke polnische Garnison, die Krongarde, kam in die Stadt und legte ihr drückende Lasten auf. Zwischen den Schülern der Jesuitenschule und protestantischen Gymnasiasten gab es wiederholt Reibereien. Anlässlich der Fronleichnamsprozession am 16. Juli 1724 stürmten Protestanten das Jesuitenkloster und verwüsteten es.

Johann Gottfried Rösner
August der Starke, zu seiner Linken die polnischen Kronjuwelen und der sächsische Kurhut, Gemälde von de Silvestre

Die Ereignisse

Die polnische Regierung des Königs August II., der niemand anders als der vom Luthertum zum Katholizismus konvertierte Kurfürst August der Starke von Sachsen war, ließ daraufhin nach kurzem Prozess vor einem Assessoralgericht den Bürgermeister Johann Gottfried Rösner sowie neun weitere Bürger – nachdem sie die Bekehrung abgelehnt und Fluchtmöglichkeiten nicht genutzt hatten – hinrichten. Ferner verfügte er die Herausgabe auch der letzten protestantischen Hauptkirche, der Marienkirche, an die Franziskaner, nachdem schon zuvor Jesuiten und Benediktinerinnen zwei städtische Hauptkirchen in Besitz genommen hatten.

Noch am Tag der Hinrichtung durch polnische Truppen unter Jerzy Dominik Lubomirski wurde in der Marienkirche die nach der Reformation erste katholische Messe festlich gefeiert. Zudem sollte der Rat der Stadt künftig mehrheitlich mit Katholiken besetzt sein. Tatsächlich blieb es jedoch bei einer lutherischen Ratsmehrheit.

Für Jakob Zernecke, ehemaligen Bürgermeister und Chronisten Thorns, konnte Aufschub und später auch eine Begnadigung erwirkt werden. Er ging nach Danzig.

Die Nachwirkungen

Die Hinrichtung erregte europaweit Aufsehen und fand ihren Niederschlag in über 165 Flugschriften und hunderten von Zeitungsartikeln. Preußen versuchte die religionsverwandte Minderheit in Polen für einen Anschluss der betroffenen Gebiete zu instrumentalisieren. England entsandte einen Sondergesandten an den Reichstag in Regensburg und den Warschauer Hof. Die Ereignisse in Thorn beeinträchtigten das Bild Polens in Europa erheblich. Noch bei der späteren Teilung Polens prangerte Voltaire unter Hinweis auf die Ereignisse von 1724 die religiöse Intoleranz der Polen an und pries die russische Armee als „Trägerin der Zivilisierung Polens“.[1]

Einzelnachweise

  1. Martin Schulze Wessel: Religiöse Intoleranz, grenzüberschreitende Kommunikation und die politische Geographie Ostmitteleuropas im 18. Jahrhundert, in: Jörg Requate, Martin Schulze Wessel (Hrsg.): Europäische Öffentlichkeit Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert, Campus Verlag, Frankfurt/Main, 2002, S. 77. ISBN 3-593-37043-3 [1]

Quellen

  • Hans-Jürgen Bömelburg (Hrsg.): Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preußischem Obrigkeitsstaat. Vom Königlichen Preußen zu Westpreußen (1756–1826). Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-56127-8 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 5), (Zugleich: Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1993).
    Anm.: Derzeit ( Januar 2008) sind große Teile des Buches online einsehbar.

Literarische Bearbeitungen

Das Thorner Blutgericht hat zu zahlreichen literarischen Bearbeitungen angeregt. Zu nennen sind:

  • Ewald Hering: Das betrübte Thorn. Erzählung aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts. 1826
  • Arnold Krieger: Empörung in Thorn. Weichseldeutscher Roman 1939
  • Julius Pederzani-Weber: Das Thorner Blutgericht. Erzählung um 1910
  • Adolf Prowe: Das Thorner Blutgericht. Eine Erzählung 1866
  • Karl Hans Strobl: Der dunkle Strom. Roman 1922
  • Ernst Wichert: Die Thorner Tragödie. Roman 1902

Eingang fand es auch in

Siehe auch

  • Franz Georg Jauch, 1724 Capitaine des Infanterie-Regiments Garde des Königs und Kompaniechef in der Festung Thorn

Weblinks


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