Ton-Bild-Schere

Ton-Bild-Schere

Die Ton-Bild-Schere, auch Text-Bild-Schere, bezeichnet das widersprüchliche Auseinanderklaffen von Informationen zwischen gezeigten Bildern und gesprochenem Text („Ton“) in Sendungen wie z. B. Nachrichtensendungen, Dokumentar- oder Unterrichtsfilmen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Definition

Der Begriff, ursprünglich und wissenschaftlich richtig „Bild-Text-Schere“, wurde von dem deutschen Medienwissenschaftler Bernward Wember erstmals und im Rahmen seiner Analysen zur Informationsvermittlung im Fernsehen Anfang der 1970er Jahre geprägt.

Weicht bei Informationsfilmen die Bildinformation vom Text zu sehr voneinander ab, widerspricht sie ihm gar, wird dies unmittelbar zu einer „Überlastung“ des Betrachters führen[2]. Dies hat zur Folge, dass die Information, die durch die audiovisuelle Botschaft insgesamt vermittelt werden sollte, wesentlich schlechter oder gar nicht aufnehmbar ist.

Ein verbessertes Verständnis der Information kann durch die Vermeidung der „Bild-Text-Schere“ bzw. mittels stimmig gefilmter Aufnahmen, Grafiken und/oder Schaubilder oder einem zum Bild passenden Kommentar erreicht werden.

Insbesondere die Tagesschau führt die „Bild-Text-Schere“ oft auf unkonventionelle Weise wieder zusammen, indem im Text verwendete, bildhafte Sprache oder Metaphern durch die Bilder visualisiert werden[3]:

Ton Bild
"[…] tritt die CSU immer noch auf der Stelle" jemandem ist kalt und er tritt deshalb im Schnee auf der Stelle
"[…] trotzdem bleibt die Hoffnung auf die CSU-Nachfolgefrage nicht mehr als ein zartes Pflänzchen." Blatt (frischer Trieb?) im Bild mit einer Menge Schnee obendrauf…

Kritik

Das Konzept der Text-Bild-Schere ist in der Medienlinguistik viel diskutiert. Zum einen, weil es auf der Annahme beruht, Bild und Text könnten im Gegensatz zu einer totalen Divergenz von Bild und Text eine "semantische Einheit" bilden, was aber aufgrund der semantischen Eigenschaften von Bild und Text oft bezweifelt wird.[4][5]. Bildern wird ein größerer semantischer Deutungsrahmen zugesprochen, als der Sprache. Insofern ist es schwierig, von einer vollkommen redundanten Text-Bild-Relation auszugehen. Eine solche Relation mag bei Konkreta noch funktionieren[6] (Man sieht ein Schwein auf einer Straße sitzen und der Text dazu nennt auch das Wort Schwein), ist aber beispielsweise bei Abstrakta (wie bspw. Liebe oder Glaube), Verben oder Adjektiven schon wesentlich uneindeutiger[4] (Sitzt, lümmelt oder kauert das Schwein beispielsweise auf der Straße? Welche Eigenschaften werden ihm zugesprochen?). Text und Bild konstituieren, wenn sie gemeinsam auftreten, immer auch gemeinsam ein Kommunikat, sie bilden eine Art "Wort-Bild-Reißverschluss"[7]. Die Frage ist also eher, welche audiovisuellen Muster sie innerhalb dieser Beziehung hervorbringen können, zwischen den Extremformen von Redundanz und Divergenz.

Dass zum anderen, für den Rezipienten Verständnisprobleme aufgrund einer Text-Bild-Schere entstehen könnten, ist ebenfalls umstritten. Empirische Studien ergaben bisher, dass derlei Auswirkungen auf den Zuschauer eher gering sind[8]. Dass der sinnsüchtige Rezipient aufgrund von Kontextinformationen und Weltwissen diese Relationen doch mit einander vereinen kann, ist zumindest sehr wahrscheinlich[4]. So kann er beispielsweise auch ironische Verhältnisse aufdecken (bei denen die Informationen auf den ersten Blick nicht mit einander vereinbar scheinen.)

Literatur

Einzelnachweise

  1. http://web.archive.org/web/20070818035504/http://www.hist.uni-hannover.de/~kultarch/hisbil/hisbil_dokdarst.htm
  2. http://web.archive.org/web/20070927190043/http://www.uni-duisburg-essen.de/chemiedidaktik/forschung/chemiedidaktik_25674_stachelscheid_1.shtml
  3. Beispiele aus einer 20-Uhr-Tagesschau vom Januar 2007
  4. a b c Harald Burger (2005) Mediensprache., S. 406ff.
  5. Knut Hickethier (1998) Narrative Navigation durchs Weltgeschehen., S. 199.
  6. Bernd Tischer (1994) Zum Einfluss der Text-Bild-Korrespondenz und der Schnittposition auf das Erinnern von Fernsehnachrichten, S. 174.
  7. Werner Holly (2009) Der Wort-Bild-Reißverschluss., S. 391.
  8. Colin Berry (1988) Rundfunknachrichtensendung

Weitere

  • Berry, Colin (1988): Rundfunknachrichtenforschung. Ein Beitrag zur Klärung der Wirkung von Präsentation und Motivation In: Media Perspektiven 3, 166-175.
  • Burger Harald (2005): Mediensprache. Eine Einführung in Sprache und Kommunikationsformen der Massenmedien. 3., völlig neu überarbeitete Auflage. Berlin: de Gruyter.
  • Hickethier, Knut (1998): Narrative Navigation durchs Weltgeschehen. Erzählstrukturen in Nachrichten . In: Kamps, Klaus/Meckel, Miriam (Hrsg.): Fernsehnachrichten. Prozesse, Strukturen, Funktionen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Holly, Werner (2009): Der Wort-Bild-Reißverschluss. Über die performative Dynamik der audiovisuellen Transkriptivität. In: Helmuth Feilke/Angelika Linke (Hrsg.): Oberfläche und Performanz. Tübingen: Niemeyer, 389-406.
  • Tischer, Bernd (1994): Zum Einfluss der Text-Bild-Korrespondenz und der Schnittposition auf das Erinnern von Fernsehnachrichten In: Medienpsychologie 3, 168-198.

Weblinks


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