Triade (Familientherapie)

Triade (Familientherapie)

Eine Triade bezeichnet in der Familientherapie das Beziehungssystem zwischen drei Personen. Dieses System hat seine erste Ausprägung im Leben eines jeden Menschen in der Beziehungskonstellation Vater-Mutter-Kind, also der kleinsten Kernfamilie. Aber auch andere familiäre Beziehungen oder allgemein Beziehungen zwischen drei Personen in Gruppen (Subsystem) beschreiben eine Triade.

Inhaltsverzeichnis

Triade als beschreibendes Modell

Jede Familie besteht aus einer oder mehreren Triaden. Die erste Triade, die ein Mensch erlebt, ist meist Vater-Mutter-Kind. Eine weitere bedeutsame Triade ist Eltern-Kind-Geschwisterkind. In einer 4-köpfigen Familie gibt es 4, in einer 5-köpfigen bereits 9 Triaden. Die Mehrgenerationenperspektive liefert weitere Triaden, z.B.: Vater-Mutter-Schwiegermutter, Großmutter-Mutter-Tochter, BruderdesVaters-Vater-Sohn, etc. In Triaden können auch ein unbekanntes Familienmitglied (beispielsweise der unbekannte oder verschollene Vater), oder ein verstorbenes oder nicht geborenes Familienmitglied eine Rolle spielen. Die Varianten sind hochkomplex.

"Triade" ist eine Betrachtungsweise, ein Modell zur Beschreibung von dynamischen Vorgängen in Beziehungen, Familien und Gruppen. In diesem Sinne gibt es keine "gute" oder "schlechte" Triade. Hingegen kann je nach gewähltem Ziel ein bestimmtes Muster in einer Triade mehr oder weniger hilfreich sein ein bestimmtes Ziel beispielsweise in der Kindererziehung oder in der Entwicklung von Partnerschaften zu erreichen.

Der Begriff stammt von Murray Bowen (1976) und wurde von Salvador Minuchin bekannt gemacht.

Bedeutung verschiedener Triaden

Triaden - oder genauer: die Erfahrungen in einer Triade - haben eine besondere und grundlegende Bedeutung für die Entwicklung von Werten und Normen, sowie für die Entwicklung von Gefühlen und Gefühlsmustern und von Verhaltensmustern. Triaden leben und entwickeln sich nach eigenen Mustern und Regeln. Diese Regeln sind einerseits abhängig vom Typ der Triade (die Triade Vater-Mutter-Kind beinhaltet andere Muster als die Triade Großvater-Vater-Sohn), andererseits von familien- und situationsspezifischen Umständen. Zwischen Vater und Mutter spielt zusätzlich die Familienkultur in der Herkunftsfamilie des Vaters und der der Mutter eine wesentliche Rolle, beziehungsweise wie gut es beiden gelingt, die beiden Kulturen zu vereinigen.

Triaden sind immer dynamisch, die Muster, Regeln und Rollen verändern und entwickeln sich. In einer Triade sind immer zwei der Beteiligten etwas stärker verbunden ("Paar", Extrem: Symbiose), der Dritte etwas weiter weg (Extrem: "fünftes Rad am Wagen"). Diese Positionen können über lange Zeit konstant sein, aber sie können auch kurzfristig und mehrfach wechseln (Extrem: "Prinzessin" oder "Schwarzer Peter"). Häufig zu beobachten ist "wechselnde Koalition", also ein abwechselndes Sich-Verbünden von je zweien gegen den Dritten.

Eine spezielle Form von Triade ist das Dramadreieck, wo die Rollen Täter, Opfer und Retter gespielt werden.

Starre Triade

Der Begriff "Starre Triade" stammt von Minuchin. Dabei stabilisieren die Eltern ihre Paarbeziehung auf Kosten des Kindes. Zwei Formen werden unterschieden:

Eltern halten zusammen gegen ein "böses" oder "krankes" Kind
Der gemeinsame Kampf gegen, oder die gemeinsame Fürsorge für ein Kind lenkt von den eigenen Schwierigkeiten in der Paarbeziehung ab. Oder andersherum betrachtet: das Kind "opfert" sich für die Beziehung der Eltern. Dazu können psychische oder soziale Verhaltensauffälligkeiten genauso genutzt werden wie körperliche Krankheit, Missbildungen, Lernschwierigkeiten, Essstörungen, etc.
Ein Elternteil verbündet sich mit dem Kind gegen den anderen Elternteil
Auch: "Perverses Dreieck". Zwei Angehörige unterschiedlicher Generationen verbünden sich gegen einen Dritten. Beispielsweise die Frau und deren Mutter gegen den Mann der Frau.

Starre Triade, Perverses Dreieck und Triangulation haben ähnliche Inhalte.

Triangulation / Triangulierung

Triangulation bedeutet in der Familientherapie Umleitung oder Verschiebung eines Konfliktes.

Ein Kind erhält eine bedeutsame und ungesunde Funktion in einem anderen Subsystem, dem es selbst nicht angehört und die ihm auch nicht angemessen ist. Die Beschreibung kann meist auf eine Triade reduziert werden.

Beispiel: die Mutter hat einen Konflikt mit dem Vater, und verbündet sich mit der Tochter gegen den Vater, die Tochter erhält dadurch eine dysfunktionale Rolle im Subsystem Elternpaar. Der eigentliche Konflikt zwischen den Eltern wird gewissermaßen über einen Dritten (hier die Tochter) "umgeleitet".

Damit beginnt auch das eigentliche Triangulieren: Das (Eltern-)Paarsystem "braucht" (Missbrauch) das Kind, um stabil zu bleiben und hält an dieser Konstellation fest. Dadurch kommt ein Kind immer in einen starken Loyalitätskonflikt, weil es sowohl den Vater, als auch die Mutter liebt und jetzt gezwungen wird, sich für den einen und gegen den anderen zu "entscheiden". Das Kind entwickelt starke Gefühle etwa wie „es würde etwas schlimmes passieren“ wenn es eigene Wege geht.

Mathematik

Die Zahl der möglichen Beziehung und der möglichen Dreiecke nimmt mit der Zahl der beteiligten Personen stark zu. Je größer die Gruppe, desto komplexer werden die Beziehungen. In einer Mehrgenerationenfamilie oder in einem Projektteam sind die Beziehungen nur noch schwer überschaubar.

Personen Beziehungen Dreiecke
1 - -
2 1 -
3 3 1
4 6 4
5 10 10
6 15 20
7 21 35
8 28 56

In der Kombinatorik entsprechen diese Beziehungen Kombinationen ohne zurücklegen:


Paarbeziehungen = \frac {n(n-1)} {2}

Dreiecksbeziehungen = \frac {n!} {6(n-3)!}

Vielecksbeziehungen = \frac {n!} {k!(n-k)!}
"!" heißt "Fakultät" und bedeutet: 3! = 1*2*3, 4! = 1*2*3*4, n! = 1*2*..n
"n" ist die Zahl der Personen
"k" ist die Zahl der Ecken des angenommenen Vielecks

Die Formel für die Vielecke entspricht den Binomialkoeffizienten, die sich am einfachsten rekursiv mit dem Pascalschen Dreieck bestimmen lassen.

Triangulation als Allianz zu dritt

Im Gegensatz zur defizitären Form der Triangulation untersuchte die Forschungsgruppe um Fivaz-Depeursinge unter dem Stichwort 'Familienallianz' Entwicklungen im System Familie, die die Formen „zwei gegen einen“ oder 'zwei minus einen' – die Ausschlussformen also – überschreiten und jenen mit den Konstellationen 'zwei für einen' und 'zwei plus einen' durch Formen der Einbezogenheit ergänzen. Ihren triangulären Höhepunkt findet dies in der Form 'drei gemeinsam' – alle Beteiligten erleben eine Gemeinsamkeit zu Dritt. Daraus leitet Fivaz-Depeursinge denn auch ihren Begriff von Triangulierung ab, nämlich die Fähigkeit, „in affektiv aufgeladenen Situationen eine Bezogenheit zu dritt zu entwickeln und zu erhalten“ (Fivaz-Depeursinge und Corboz-Warnery 2001). Damit findet die systemisch-familientherapeutische Forschung Anschluss an die psychoanalytische Konzeption der Triangulierung, bei der es im Kern um einen intra-psychischen Entwicklungsschritt geht (siehe Britton 1989, Tietel 2006).

Siehe dazu auch die Beziehungsform Polyamory, in der ein neuer Geliebter, eine neue Geliebte nicht ausgegrenzt, sondern in die bestehende Partnerschaft miteinbezogen wird.

Zirkuläre (triadische) Frage

Statt die Mutter direkt zu fragen, was sie über ihren Sohn denkt, wird die Tochter gefragt, was sie glaubt, dass die Mutter über ihren Bruder denkt. Dadurch werden Beziehungsmuster in der Triade offengelegt. Siehe auch Zirkuläre Frage

Siehe auch

Literatur

  • Haley, J., Ansätze zu einer Theorie pathologischer Systeme in: Watzlawick, P.: Interaktion, 1980, ISBN 3456804482
  • Salvador Minuchin: Familie und Familientherapie, Theorie und Praxis struktureller Familientherapie, 1977, ISBN 3784101488
  • Britton, R., The missing link: parental sexuality in the Oedipus complex in: Steiner, J. Hrsg.: The Oedipus Complex Today, London: Karnac Books, 1989, S. 83 - 101
  • Fivaz-Depeursinge, E. und Corboz-Warnery, A., Das primäre Dreieck. Vater, Mutter und Kind aus entwicklungstheoretisch-systemischer Sicht, Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, 2001
  • Tietel, E., Die interpersonelle und die strukturelle Dimension der Triade, in: Rieforth, J. Hrsg.: Triadisches Verstehen in sozialen Systemen, Heidelberg: Carl Auer, 2006, S. 61 - 85

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