- Turbulenzmodell
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Ein Turbulenzmodell dient in der numerischen Strömungssimulation zur Schließung des zugrundeliegenden Gleichungssystems.
Da Turbulenz sowohl räumlich als auch zeitlich auf sehr unterschiedlichen und vor allem auch sehr kleinen Skalen stattfindet, werden zur korrekten Auflösung aller Phänomene extrem feine Gitter und Zeitschritte benötigt, wie dies in der direkten numerischen Simulation (DNS) geschieht.
Die DNS ist aufgrund ihres extremen Rechenaufwands auf absehbare Zeit auf niedrige (und damit für praktische Anwendungen häufig wenig interessante) Reynolds-Zahlen beschränkt. Aus diesem Grund werden unterschiedliche Strategien zur Verringerung des Rechenaufwandes verwendet. Je mehr Annahmen dabei getroffen werden, desto geringer wird i. d. R. die Rechenzeit und desto größer werden die Unsicherheiten bzgl. des Ergebnisses.
Inhaltsverzeichnis
Statistische Modellierung
Die derzeit am weitesten verbreitete Modellierungsstrategie ist die statistische Modellierung (auch: Reynolds Averaged Navier Stokes (RANS)). Dabei wird die turbulente Strömung im einfachsten Fall als zeitlicher Mittelwert und Varianz der Geschwindigkeit ui und des Drucks p modelliert. Führt man diese Modellannahme in die Navier-Stokes-Gleichungen ein und mittelt diese zeitlich, so entstehen die Reynoldsgemittelten Navier-Stokes-Gleichungen. Diese enthalten mit dem Reynolds'schen Spannungstensor
einen zusätzlichen Term mit zusätzlichen Variablen , den Reynoldsspannungen. Die Diagonalenelemente des Tensors stellen Normalspannungen dar, während die restlichen Elemente Schubspannungen sind. Das Gleichungssystem ist damit nicht mehr geschlossen. Die Schließung gelingt durch zusätzliche Annahmen für die Komponenten des Reynolds'schen Spannungstensors in Form von Gleichungen. Diese zusätzlichen Gleichungen werden Turbulenzmodell genannt. Da Turbulenz noch im Wesentlichen unverstanden ist, beruhen diese meist auf Heuristiken. Zur Validierung dienen Daten aus Experimenten. Man unterscheidet zwischen Null-, Ein- und Zweigleichungsmodellen, sowie Schließungsansätzen 2. Ordnung.
Wirbelviskositätsmodelle
Bei den Wirbelviskositätsmodellen wird der Reynoldssche Spannungstensor nach der Hypothese von Boussinesq approximiert. Hierbei werden die Reynolds-Spannungen in Analogie zu den durch molekulare Viskosität hervorgerufenen Spannungen behandelt:
- .
Die Größe wird turbulente Wirbelviskosität genannt und beschreibt die Erhöhung der Viskosität durch turbulente Schwankungsbewegungen. In der Regel überschreitet μt die molekulare Viskosität deutlich. Die Wurzel aus der turbulenten kinetischen Energie stellt ein typisches Geschwindigkeitsmaß der turbulenten Schwankungsbewegungen dar. Das Symbol δij bezeichnet das Kronecker-Delta. Der Term ist ein „turbulenter Druckterm“, der notwendig ist, um die Gleichung auch für Normalspannungen anwenden zu können.
Aus Dimensionsgründen lässt sich die turbulente Wirbelviskosität νt mit einem turbulenten Längenmaß Lt und einem turbulenten Geschwindigkeitsmaß Ut gemäß ausdrücken. Durch den Boussinesq-Ansatz gelingt das Schließen der Reynoldsgemittelten Navier-Stokes Gleichungen durch die Bestimmung der Wirbelviskosität νt bzw. der damit assoziierten turbulenten Längen- und Geschwindigkeitsmaße.
Die Wirbelviskositätsmodelle werden nach der Anzahl der unabhängigen Turbulenzvariablen, die zur Berechnung von Lt und Ut benutzt werden, unterschieden.
Nullgleichungsmodelle
Algebraische- oder Nullgleichungsmodelle verwenden zur Schließung nur algebraische Beziehungen. Hierzu zählen das Baldwin-Lomax-Modell und das Turbulenzmodell nach Cebeci und Smith.
Eingleichungsmodelle
Eingleichungsmodelle benutzen eine zusätzliche Transportgleichung zur Bestimmung von νt. Das verbreitetste Eingleichungsmodell stammt von Spalart und Allmaras, das eine zusätzliche Transportgleichung für die an die turbulente Viskosität angelehnte Hilfsgröße einführt. Außer in Wandnähe stimmt mit der turbulenten Viskosität νt überein:
Die beiden Terme hinter der eckigen Klammer beschreiben die Turbulenzdestruktion und die Turbulenzproduktion. Nachteilig ist bei diesem Turbulenzmodell die Unfähigkeit schnelle Änderungen im turbulenten Längenmaß, wie sie beim Übergang einer Grenzschicht in eine freie Scherschicht auftreten, richtig vorherzusagen
Zweigleichungsmodelle
Zweigleichungs-Turbulenzmodelle sind ein Schließungsansatz, der aus der Lösung zweier gekoppelter Transportgleichungen besteht. Man unterscheidet die Modelle anhand der verwendeten Turbulenzgrößen. Zwei große Gruppen sind z. B. die -Turbulenzmodelle und die k-ω-Turbulenzmodelle.
Standard k-ε-Turbulenzmodell
Das k-ε-Turbulenzmodell ist ein weitverbreitetes Zweigleichungsmodell. Es beschreibt mit zwei partiellen Differentialgleichungen die Entwicklung der turbulenten kinetischen Energie k und der isotropen Dissipationsrate . Die Gleichungen lauten:
und
In die oben genannten Gleichungen sind einige, z. T. erheblich vereinfachende Modellannahmen eingeflossen. Dies schränkt den Gültigkeitsbereich und somit den Anwendungsbereich deutlich ein. In den Gleichungen tauchen noch unbekannte Koeffizienten auf. Diese werden durch die Betrachtung einfacher Strömungsfelder ermittelt. Der Parameter Cε1 wird durch eine homogene Scherung im Gleichgewichtszustand kalibriert. Die Größe Cε2 folgt aus dem Abklingverhalten homogener Gitterturbulenz. Die turbulente Prandtlzahl σε ergibt sich aus einer Analyse des logarithmischen Bereiches einer ebenen turbulenten Wandgrenzschicht. Der Anisotropieparameter Cμ ergibt sich aus einer Dimensionsanalyse der Wirbelviskosität: . Daraus folgt unmittelbar νt = Cμ(k2 / ε). Die Betrachtung einer turbulenten Wandgrenzschicht liefert dann einen Wert für Cμ.
Für das Standard k − ε-Modell findet man in der Literatur[1] häufig:
Die Art der Bestimmung der Konstanten bezeichnet die Strömungsfelder, in denen das Modell gute Übereinstimmung mit Messungen liefern sollte.
Nichtlineare k-ε-Turbulenzmodelle
Das Standard -Modell hat einige gravierende Nachteile. Die Normalspannungen werden durch die Boussinesq-Approximation des Reynolds'schen Spannungstensors in allen Raumrichtungen gleich groß berechnet → isotrope Turbulenz. Das bedeutet aber, dass Strömungsfelder, in denen der Geschwindigkeitsvektor in großem Maße von den Normalspannungen beeinflusst wird, nur ungenau abgebildet werden können. Dies ist der Fall in Ablösegebieten, Rezirkulationsbereichen und Sekundärströmungen. Ein Ausweg bietet eine Erweiterung der Boussinesq-Approximation. Dies führt zusätzliche nichtlineare Terme in die Modellgleichungen ein, die nichtlinear im Gradienten der mittleren Geschwindigkeit sind. Diese nichtlinearen Terme erlauben eine genauere Berechnung der Normalspannungen.
V2F-Turbulenzmodell
Die Turbulenz in der Nähe von Wänden ist gekennzeichnet durch Inhomogenität und Anisotropie. Die Zweigleichungsmodelle, wie und k − ω, benutzen in Wandnähe die Annahme homogener, isotroper Turbulenz. Dämpfungsfunktionen werden in diese Modelle eingefügt, um diese falschen Annahmen zu korrigieren. Dämpfungsfunktionen sind so gestaltet, dass bestimmte Lösungen vom Modell wiedergegeben werden können. In anderen Fällen werden falsche Vorhersagen getroffen. Das V2F-Turbulenzmodell ist eine Erweiterung des -Turbulenzmodells. Zusätzlich zu den Transportgleichungen für die turbulente kinetische Energie und die Dissipationsrate werden eine Gleichung für das Geschwindigkeitsmaß normal zur Wand, und deren mit k normalisierte Produktionsrate f gelöst. Die Gleichungen für k und sind identisch mit denen des Standard k − ε-Modells.
und
Für das wandnormale Geschwindigkeitsmaß wird die zusätzliche Gleichung
formuliert. Der Term kf22 stellt die Quelle für dar und kann als Umverteilung von Turbulenzintensität aus der strömungsparallelen Komponente interpretiert werden. Die Nichtlokalen Effekte werden mathematisch durch eine elliptische Relaxationsgleichung für f22 repräsentiert:
Die im Model auftretenden Längen- und Zeitmaße sind:
- L = CLl
mit
und
Der Koeffizient 6 im Ausdruck für T wurde mit Hilfe direkter numerischer Simulation bestimmt. Die Wirbelviskosität ist gegeben durch:
.
Die Modellkonstante sollte je nach Wandabstand nach der Literatur zwischen 1,3, weit entfernt von der Wand, und 1,55, in einer anliegenden Grenzschicht, liegen. wird mit der Gleichung
zwischen diesen beiden Werten interpoliert. Die anderen Modellkonstanten sind gegeben mit:
k − ω Turbulenzmodell
Ein weiteres weitverbreitetes Zweigleichungs-Turbulenzmodell ist das von Wilcox angegebene k − ω-Modell. Es werden hier eine Transportgleichung für k und eine Transportgleichung für die charakteristische Frequenz, , der energiedissipierenden Wirbel gelöst. Nach Wilcox lautet die Transportgleichung für k:
β * entspricht dem Cμ der k − ε-Modelle Die Konstanten zur Schließung des Systems wurden in analoger Weise zum k − ε-Modell bestimmt und sind nach Wilcox gegeben mit:
Das k − ω-Modell reduziert das turbulente Längenmaß in Wandnähe automatisch. Ein weiterer Vorteil besteht in der robusten Formulierung der viskosen Unterschicht. Nachteilig ist die Abhängigkeit des berechneten Grenzschichtrandes von der Freiströmbedingung für ω, die vom Benutzer vorgegeben wird. Dieses Verhalten wird in der Literatur als "free stream"-Sensitivität bezeichnet.
k − ω-SST Turbulenzmodell
Das k − ω-Modell bietet Vorteile in wandnahen Bereichen des Strömungsfeldes, wohingegen das k − ε-Modell in wandfernen Gebieten gute Resultate liefert. Die Vereinigung der Vorteile dieser beiden Modelle liefert das von Menter entwickelte SST-Turbulenzmodell.
Treten in der Strömung zusätzliche Phänomene (Verbrennung, Partikel, Tropfen, Überschall, usw.) auf, so müssen auch die damit verbundenen Größen (bspw. Dichte, Temperatur, Massenbrüche, etc.) gemittelt werden. In den dazugehörigen Transportgleichungen treten dabei analoge Schliessungsprobleme auf.Large Eddy Simulation
Anstelle der zeitlichen Mittelung tritt bei der Large Eddy Simulation eine zeitliche und räumliche Tiefpassfilterung. Dies hat zur Folge, dass die großskaligen Phänomene transient simuliert werden, während der Beitrag der kleinskaligen Phänomene weiterhin modelliert werden muss.
Obwohl verwandte Modellierungsprobleme auftreten, verspricht die LES bei höherem Rechenaufwand eine bessere Beschreibung der Turbulenz als die statistischen Methoden, weil zumindest ein Teil der turbulenten Schwankungen wiedergegeben wird.
Detached Eddy Simulation
Die Detached Eddy Simulation (DES) wurde erstmals 1997 von P. Spalart veröffentlicht. Sie basiert in ihrer ursprünglichen Form auf dem Turbulenzmodell von Spalart-Allmaras (eine Transportgleichung), es wird aber auch an der Anwendung in Verbindung mit anderen Modellen geforscht.
Die DES ersetzt den Wandabstand, der als Variable im Spalart-Allmaras-Modell vorkommt, in wandfernen Bereichen durch die größte Weite einer Gitterzelle. Durch diese Formulierung lässt sich in den wandfernen Bereichen ein LES-ähnliches Verhalten der Rechnung erreichen. De facto erhält man so also eine RANS-Formulierung in der Grenzschicht und eine LES Formulierung in der freien Strömung, also das im jeweiligen Bereich am besten geeignete Verfahren (bez. Genauigkeit u. Rechenaufwand).
Da RANS und LES unterschiedliche Anforderungen an das Gitter stellen, hat das Erstellen eines geeigneten, in entsprechende Zonen unterteilten Gitters einen großen Einfluss auf den Erfolg der Rechnung. Dasselbe gilt für die verwendeten numerischen Methoden. Diese sind aber meist gezwungenermaßen im gesamten Rechengebiet dieselben, was teilweise zu Kompromissen bezüglich der Genauigkeit führt.
Literatur
- Michael Breuer: Direkte Numerische Simulation und Large-Eddy Simulation turbulenter Strömungen auf Hochleistungsrechnern. 1. Auflage. Shaker, Aachen 2002, ISBN 3-8265-9958-6.
- Herbert Oertel jr., Eckart Laurien: Numerische Strömungsmechanik. 2. Auflage. Vieweg, Braunschweig / Wiesbaden 2003, ISBN 3-528-03936-1.
- Jochen Fröhlich: Large Eddy Simulation turbulenter Strömungen. 1. Auflage. Teubner, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8351-0104-8.
Referenzen
- ↑ Zum Beispiel in: J. H. Ferziger, M. Perić: Computational Methods for Fluid Dynamic, 3rd Edition, 2002
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