Twinning

Twinning

Als Twinning wird das von der Europäischen Union finanzierte Programm zum Auf- und Ausbau öffentlicher Strukturen („Institution Building“) in Beitrittskandidadaten der Europäischen Union bezeichnet. Dabei gilt es, den acquis communautaire (lateinisch gemeinschaftlicher Besitzstand) der Europäischen Union zu übernehmen und moderne, effiziente Verwaltungen aufzubauen, die in der Lage sind, die Gesetze und Verordnungen in demselben Maße umzusetzen wie die jetzigen Mitgliedsländer.

Geschichte

Das im Jahre 1998 im Rahmen der Heranführungsstrategie aufgelegte Twinning-Instrument im Rahmen des PHARE-Programms verfolgte diese Zielrichtung. Aufgrund des Erfolges wurde das Instrument auf Länder ohne Beitrittskandidatenstatus ausgedehnt. Seit 2002 profitierten die Länder des Westbalkans im Rahmen von CARDS und seit 2003 Länder der GUS im Rahmen von TACIS von Twinning-Projekten. Auch wurden erste Projekte im Rahmen des MEDA-Programms in Mittelmeeranrainerstaaten initiiert.

Für die am 1. Mai 2004 der EU beigetretenen Länder ist eine Twinning-Finanzierung nicht mehr möglich; für Rumänien und Bulgarien, die am 1. Januar 2007 beigetreten sind, wurde Twinning im Rahmen einer Übergangsfinanzierung („Transition Facility“) noch bis Ende 2007 fortgeführt. Die in 2008/2009 noch aufgelegten Twinning Light Projekte stammen aus Restmitteln früherer Finanzierungsprogramme und liefen 2009 aus, wobei die Implementierungsphase zum Teil noch bis 2010 andauern sollte.

Verstärkt angewendet wird Twinning für die Länder des West-Balkans mit Kandidatenstatus (Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) und ohne (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien) sowie für die Türkei. Die Finanzierung erfolgt hier aus dem Vor-Beitrittsinstrument Instrument for Pre-Accession (IPA).

Seit 2004 wird das Twinning-Konzept auch in Ländern ohne Beitrittsperspektive genutzt, darunter Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau und die Ukraine sowie die Mittelmeeranrainer Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko und Tunesien. Diese Programme werden seit 2007 im Rahmen des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument ENPI (European Neighbourhood Policy Instrument) finanziert.

Vorgehensweise

Die Unterstützung der Beitritts- und Nachbarländer der EU beim Verwaltungsaufbau erfolgt in einem Partnerschaftsprozess, bei dem Heranführungsberater (auch Langzeitberater) aus den Verwaltungen der Mitgliedsländer die Beitrittsländer auf der Grundlage vereinbarter spezifischer Projekte, die verbindliche Zielstellungen enthalten, vor Ort während der Projektlaufzeit (12-24 Monate) unterstützen. Öffentliche Verwaltungen aus Mitglieds- und Kandidatenländern arbeiten dabei bei konkreten Projekten aus den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Finanzen, Justiz/Inneres, Regionalentwicklung, Wirtschaft, Binnenmarkt, Telekommunikation, Energie, Arbeit, Gesundheit und Soziales u.a.m. zusammen. Die Projektvolumina für die Beratungsleistungen reichen von 250.000 bis zu 2.000.000 €, finanziert aus Mitteln der Europäischen Union. Twinning Light Projekte – ohne Einsatz eines Langzeitberaters - haben eine Laufzeit von 6 bis 8 Monaten mit einem Budget bis 250.000 €.

Jedes Twinning-Projekt wird von einem Projektleiter aus der projektführenden Verwaltung geleitet. Neben den Langzeitberatern (RTA) sehen die Twinning-Projekte auch den Einsatz von Kurzzeitexperten (STE) und weitere Formen der Wissens- und Erfahrungsvermittlung (Studienaufenthalte, Seminare, Workshops) vor.

Twinning-Projekte sind so ausgerichtet, dass sie ausschließlich von öffentlichen Verwaltungen durchgeführt werden; private Einrichtungen können nur in einem sehr begrenzten Umfang teilnehmen und nur da, wo sie öffentliche Aufgaben erfüllen und dies zu den Konditionen, die für Verwaltungen gelten. Mit anderen Worten heißt dies damit auch, dass mit Twinning kein Gewinn erwirtschaftet werden soll.

Die Koordinierung der Twinning-Aktivitäten obliegt in den jeweiligen Mitglieds- und Partnerstaaten der Nationalen Koordinierungsstelle („National Contact Point“, NCP). Dieser ist in Deutschland dem Referat EB6 "Verwaltungsaufbau, Beratung, Twinning“ in der Europaabteilung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zugeordnet. Der NCP ist Teil eines gesamteuropäischen Netzwerkes zur Anbahnung, Koordinierung und Durchführung von Twinningprojekten. Die Aufgaben des NCP umfassen:

  • Deutsche Vertretung im EU-Gremium der Nationalen Koordinatoren
  • Zentraler Ansprechpartner für EU-Kommission, Partnerländer und andere Nationale Koordinatoren
  • Förderung der deutschen Teilnahme an EU-finanzierten Behördenpartnerschaften
  • Schulung von Langzeitexperten für deren Tätigkeit in den Partnerländern.

Twinning in Deutschland Von 1998 bis Ende 2009 wurden insgesamt 2.723 Projekte ausgeschrieben. Deutsche Behörden konnten davon 541 Projekte als Projektführer gewinnen und beteiligten sich zusätzlich an 109 Projekten als Juniorpartner. Unter IPA positionierte sich Deutschland mit 343 Projektzuschlägen für Twinning-Projekte insgesamt als aktivster Partnerstaat. Unter ENPI lag Deutschland an zweiter Stelle (nach Frankreich) mit 19 Projektzuschlägen. Im Zeitraum 1998 bis 2008 zeigte sich Deutschland damit als der erfolgreichste EU-Mitgliedstaat bei der Implementierung von Verwaltungspartnerschaftsprojekten, die aus den EU-Programmen zum Verwaltungsaufbau finanziert werden.

Internationale Zusammenarbeit – Chancen für Deutschland Die Teilnahme am Twinning eröffnet Deutschland die Möglichkeit, Impulse für eine intensive bilaterale Zusammenarbeit zu setzen, politische Kontakte zu vertiefen und weitere Kooperationsformen anzustoßen. Deutschland übernimmt eine aktive Rolle in der Gestaltung des Transformationsprozesses der (potenziellen) EU-Beitrittskandidaten und der Staaten der ENP. Twinning-Projekte stärken die wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenarbeit und eröffnen die Chance, den europäischen Partnern deutsches Verwaltungshandeln und deutsche Strukturen zu vermitteln. Dies führt zu verbesserten Anknüpfungspunkten für politische, wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und mittelfristig zu gleichen Interessen in EU-Gremien und internationalen Foren.

Die Projekte können:

  • eine Verbesserung der Markteintrittschancen für deutsche Unternehmen herbeiführen. Aus den Twinning-Projekten resultieren transparentere Ausschreibungsverfahren und bessere Chancen auf eine Berücksichtigung der deutschen Wirtschaft bei Umwelt-, Energie- und Infrastrukturmaßnahmen bewirken.
  • eine Stärkung des bilateralen Handels und der Exportchancen deutscher Unternehmen darstellen.
  • Rückflüsse von EU-Mitteln sichern. Als größter Nettozahler zum Haushalt der Europäischen Union ist Deutschland besonders an einem effektiven und effizienten Einsatz der Haushaltsmittel der EU interessiert.
  • wichtige deutsche Sicherheitsinteressen durch Beratungsprojekte im Bereich Innere Sicherheit, Grenzschutz und Zoll fördern.
  • die bilaterale politische Zusammenarbeit stärken. Deutschland gewinnt im Rahmen von Verwaltungspartnerschaften wichtige Kontaktpersonen für die Vertretung deutscher Interessen in EU-Gremien und internationalen Foren.

Weblinks


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