Ulvi Kulac

Ulvi Kulac

Ulvi Kulaç (* 13. Dezember 1977 in Naila) wurde am 30. April 2004 wegen Mord und mehrfachem sexuellem Missbrauch an Kindern in einem Aufsehen erregenden Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Außergewöhnlich war, dass es für den Mord weder eine Leiche noch sonstige Spuren als Beweis gab und die Verurteilung lediglich aufgrund eines widerrufenen Geständnisses des geistig Behinderten erfolgte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Kulaç wurde als Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren. Mit drei Jahren hatte er durch eine Hirnhautentzündung schwere geistige Schäden erlitten. Sein Entwicklungsstand wird mit dem eines 10- bis 12-jährigen Jungen gleichgesetzt. Die Eltern führen eine Kneipe in der oberfränkischen 1200-Einwohner-Gemeinde Lichtenberg. Dort arbeitete Kulaç gelegentlich als Hilfskellner.

Im Sommer 2000 missbrauchte er einen sieben Jahre alten Jungen sexuell. Die Mutter Elsa Kulaç erfuhr davon und zeigte ihn an. Es stellte sich heraus, dass er sich in mindestens 20 Fällen seit 1996 an Jungen vergangen hatte. Er hatte, wie er eingestand, Kindern Kekse angeboten, wenn sie sich auf Doktorspiele einließen. Im September 2001 wurde er in Bayreuth in eine Psychiatrie eingewiesen.

Tathergang und Ermittlungen

Am 7. Mai 2001 verschwand die neunjährige Peggy Knobloch aus Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule. Sie wurde von Zeugen am Abend gegen 19 Uhr zuletzt gesehen. Die Fahndungen führten sogar bis nach Tschechien und in die Türkei, das Heimatland ihres Stiefvaters. Die Ermittlungen brachten keinen Erfolg. Es wurde eine Belohnung von 55.000 DM ausgesetzt. Bei der Suche nach der Drittklässlerin mussten von der Sonderkomission Peggy 4500 Spuren abgearbeitet werden. Trotz intensiver Suche blieb sie unauffindbar. Kulaç wurde zunächst nach Hinweisen von Peggys Mutter vernommen, wies jedoch ein Alibi vor, das ihm seine Mutter verschafft hatte.

Im Februar 2002 wurde eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe verstärkt und untersuchte alle Spuren erneut. Im März 2002 wurde die Kleidung von Ulvi Kulaç ohne Befund untersucht. Im Oktober 2002 wurde er in der Klinik festgenommen und erneut verhört. Der damals 24-jährige Ulvi Kulaç hatte bei der Polizei gestanden, Peggy Knobloch vier Tage vor ihrem Verschwinden sexuell missbraucht zu haben. Gegen ihn bestand seit dem 22. Oktober 2002 dringender Tatverdacht. Bei einer Vernehmung gestand Kulaç, das Mädchen am 3. Mai 2001 in seiner Wohnung missbraucht zu haben. Am 7. Mai habe er es auf dem Heimweg erwartet und sich entschuldigen wollen. Peggy sei jedoch weggelaufen und habe gedroht, ihn zu verraten. Auf dem Lichtenberger Schlossplatz habe er sie eingeholt. Nachdem er sie niedergestoßen habe, sei sie schreiend am Fuß einer Treppe liegen geblieben. Er habe ihr Mund und Nase zugehalten, bis sie erstickt sei. In abgehörten Telefonaten zwischen Vater und Sohn Kulaç belastete Kulaç seinen Vater mit der Aussage, er habe ihm geholfen, die Leiche zu beseitigen. Der Vater wurde vorübergehend festgenommen. Doch auch wenn Kulaçs Vater die Leiche beseitigt haben sollte, so hat er sich dabei nicht strafbar gemacht, weil er damit seine nächsten Angehörigen vor Strafverfolgung hat schützen wollen, was nach deutschem Recht Strafverfolgung ausschließt.

Später widerrief Kulaç das Mordgeständnis, die Geständnisse wegen der übrigen Missbrauchsfälle hielt er aufrecht. Anwalt und Eltern sind überzeugt, dass das Geständnis durch die Erschöpfung bei den stundenlangen Vernehmungen sowie durch Suggestivfragen und falsche Versprechungen seitens der Polizei zu erklären ist. Das Geständnis erfolgte in Abwesenheit eines Verteidigers. Außerdem gibt es von dem Geständnis keine Tonaufzeichnung, es beruht auf dem Gedächtnisprotokoll des Ermittlers. In der Urteilsbegründung wird allerdings davon ausgegangen, dass Kulaç nicht in der Lage gewesen wäre, eine solche Geschichte zu konstruieren, so dass man annehmen könne, dass er Erlebtes geschildert habe.

Die sterblichen Überreste von Peggy Knobloch wurden bislang nicht gefunden.

Verurteilung

Am 30. September 2003 wurde vor dem Landgericht Hof unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess eröffnet. Wegen eines Fehlers in der Schöffenbesetzung wurde der Prozess abgebrochen und am 7. Oktober wieder aufgenommen. Am 28. April 2004 wurde Ulvi Kulaç zu lebenslanger Haft verurteilt. Hauptindiz war das Geständnis des Angeklagten. Der Richter hielt es für rechtmäßig zustande gekommen und glaubwürdig. Außerdem sei der Angeklagte bei einem IQ von 68 schuldfähig.

Die Verteidigung ging in Revision mit der Begründung, ein so perfektes Verbrechen könne von ihrem Mandanten nicht begangen worden sein. Außerdem habe es Zeugen gegeben, die Peggy angeblich noch um 19:00 Uhr gesehen hätten, während laut Staatsanwaltschaft die Tat gegen 13:30 begangen worden sei. Am 25. Januar 2005 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision, das Urteil ist damit rechtskräftig. Ulvi Kulaç sitzt seine Strafe in einem psychiatrischen Krankenhaus in Bayreuth ab. Ulvis Eltern, Peggy Knoblochs leiblicher Vater sowie Großeltern und Teile der Bevölkerung von Lichtenberg glauben an die Unschuld von Ulvi Kulaç und haben eine Bürgerinitiative gegründet.

Da dem als geistig behindert geltenden Ulvi Kulaç zur Zeit des Prozesses ein Betreuer nicht gewährt worden war, wurde eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, die noch nicht beschieden worden ist. Ein Betreuer für Ulvi Kulaç wurde mittlerweile gerichtlich berufen.

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