Umweltgesetzbuch

Umweltgesetzbuch

Das Umweltgesetzbuch (UGB) war ein deutsches Gesetzesvorhaben auf Bundesebene, mit dem das deutsche Umweltrecht bundeseinheitlich kodifiziert werden sollte. Bisher gibt es für das Umweltgesetzbuch zwei so genannte „Professorenentwürfe“ aus den 1990er Jahren und einen aktuellen Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums (BMU) aus 2008, der sich in fünf Einzelbücher und einige Verordnungen gliedert.[1] Ende Januar 2009 erklärte der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel das Umweltgesetzbuch für gescheitert.[2] Inzwischen hat das Bundesumweltministerium Entwürfe für Einzelgesetze vorgelegt. Diese sollen die Anforderungen im Wasser- und Naturschutzrecht bundesweit vereinheitlichen. Darüber hinaus sollen bundesgesetzliche Regelungen für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung entstehen. Ebenso ein "Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt". Die Gesetzgebungsverfahren sollen noch in der 16. Legislaturperiode abgeschlossen werden.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Durch die Zersplitterung des Umweltrechts war im Laufe der Zeit eine Vereinheitlichung und Harmonisierung notwendig geworden. Neben der Idee eines einheitlichen Umweltgesetzbuches stellte sich zugleich die Frage, ob das Umweltrecht überhaupt kodifikationsreif sei. Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) gab es bereits Ende der 1970er Jahre erste Vorarbeiten zur Harmonisierung des Umweltrechts.[3]

Professorenentwürfe

Im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes wurden zwei Professorenentwürfe für die beiden Teile eines Umweltgesetzbuchs vorgelegt. Der erste Entwurf wurde 1990 fertig gestellt. Er ist als „Allgemeiner Teil“ des Umweltgesetzbuchs verfasst und beinhaltet übergreifend für die unterschiedlichen Umweltrechtsbereiche unter anderem Ziele, Prinzipien und Instrumente des Umweltschutzes.[4] Der zweite Entwurf entstand 1994 und bildet den „Besonderen Teil“ des Umweltgesetzbuchs. Die darin enthaltenen Regelungen beziehen sich auf die einzelnen Umweltmedien und bestimmte Bereiche des Umweltschutzes. Der Entwurf umfasst die Kapitel Naturschutz- und Landschaftspflege, Gewässerschutz und Wasserwirtschaft, Bodenschutz, Immissionsschutz, Kernenergie und Strahlenschutz, gefährliche Stoffe sowie Abfallwirtschaft und Abfallentsorgung.[5] Nicht geregelt wurden im Besonderen Teil aufgrund der Vorgaben der Auftraggeber andere umweltrelevante Rechtsbereiche wie die Gentechnik oder ein einheitliches Recht für Verkehrsanlagen. Beide Entwürfe bestehen zusammen aus 598 Paragrafen.

Entwurf der unabhängigen Sachverständigenkommission

1992 setzte der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer eine unabhängige Sachverständigenkommission ein, die beauftragt wurde, bis Ende 1997 aufbauend auf dem Professorenentwurf einen Entwurf für ein einheitliches Umweltgesetzbuch vorzulegen. Die Kommission setzte sich zusammen aus acht „Umweltexperten aus unterschiedlichen Bereichen, die auf den Gebieten des Umweltrechts über große praktische Erfahrungen verfügen“.[6] Den Vorsitz hatte der ehemalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Horst Sendler. Seit September 1997 liegt der Vorschlag der unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch vor. Er umfasst ebenfalls einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Der besondere Teil besteht aus neun Kapiteln. Gegenüber dem Professorenentwurf kamen die Kapitel „Verkehrsanlagen und Leitungsanlagen“ sowie „Gentechnik und sonstige Biotechnik“ hinzu. Zudem wurde der Titel „Immissionsschutz“ um den Bereich Energieversorgung erweitert. Die Kommission verfasste insgesamt 775 Vorschriften sowie eine detaillierte Begründung des Entwurfs.

Referentenentwurf

Anfang 1999 wurde im Bundesumweltministerium auf der Grundlage des Kommissionsentwurfs ein Referentenentwurf für ein „Erstes Buch zum UGB“ erstellt. Dieses sollte vor allem das Zulassungs- und Überwachungsrecht für Industrieanlagen regeln. Wegen verfassungsrechtlicher Hindernisse (siehe unten) ließ sich der Entwurf jedoch nicht durchsetzen. Verantwortlich für die fristgemäße Erstellung des Referentenentwurfs 2009 sind die Unterabteilungsleiter Frau Dr. Lottermoser und Herr Steinkemper im Bundesumweltministerium.

Aktuell geplante Neuerungen

1. Die Benutzung von Anlagen zur Bestrahlung der Haut mit künstlicher ultravioletter Strahlung in Sonnenstudios darf Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht gestattet werden. Grund: Schäden an den Hautzellen, die zu Hautkrebs führen können. Nicht erfasst werden therapeutische Einsätze von UV-Strahlung bei Kindern und Jugendlichen, z. B. die Behandlung von Hautkrankheiten wie Neurodermitis. Diese dürfen nur nach sorgfältiger Indikation und nur auf Grund ärztlich verordneter Therapiemaßnahmen in klinischen Einrichtungen und ärztlichen Praxen erfolgen. Aufgrund des Gesundheitsrisikos wurden in Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden und Finnland bereits rechtliche Regelungen zum Schutz von Jugendlichen erlassen. Auch die Vertreterinnen und Vertreter der Solarienbranche in Deutschland begrüßen überwiegend gesetzliche Regelungen für diesen Bereich. Es wird Teil des kommenden Gesetzes zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung sein, das bisher das Einzelbuch V des am 1. Februar 2009 für gescheitert erklärten Umweltgesetzbuchs war. Zunächst hatten die Behörden ein freiwilliges System versucht, doch die wenigsten der Sonnenstudios willigten ein.“[7]

Derzeitiger Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern verhinderte bisher die Einführung eines Umweltgesetzbuchs. Mit der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform wurde die Rahmengesetzgebung des Bundes für Naturschutz und Wasser abgeschafft und der Bund hat nunmehr die Möglichkeit, Vollregelungen für diese Bereiche zu treffen. Insbesondere diese fehlende Kompetenz war es, die den ersten Anlauf zur Schaffung eines Umweltgesetzbuchs scheitern ließ.[8] Somit ist die Debatte um ein Umweltgesetzbuch erneut aufgekommen, da die veränderte Kompetenzverteilung die Verabschiedung eines Umweltgesetzbuchs nun ermöglicht. Die Zusammenführung der Umweltgesetze in ein einheitliches Umweltgesetzbuch ist im Koalitionsvertrag von 2005 zwischen SPD und CDU/CSU vereinbart worden. Nach Angaben von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist es geplant, bis 2009 die wesentlichen Bestandteile des Umweltgesetzbuches in Absprache mit den Ländern zusammenzustellen. Dennoch sei es unwahrscheinlich, dass bis dahin alle notwendigen Beratungen abgeschlossen sein werden.[9] Wichtige Teile des Umweltgesetzbuchs, namentlich das vorhabenbezogene Umweltrecht sowie neue gesetzliche Bundesregelungen im Wasser- und Naturschutzrecht, sollen jedoch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.[10] Im Juni 2008 fanden Anhörungen der Bundesländer und der Verbände zum Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums statt.

Am 1. Februar 2009 gab Bundesumweltminister Gabriel das endgültige Scheitern des Umweltgesetzbuches bekannt. Als Grund nannte er den Widerstand der Bayerischen Landesregierung bzw. der CSU.[2]

Am 10. Juli 2009 hat der Bundesrat die folgenden Gesetze beschlossen, mit denen das Umweltrecht nach dem Scheitern des Umweltgesetzbuches in Deutschland auf Bundesebene neu geregelt wird:

  • Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege
  • Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts
  • Gesetz zur Regelung des Schutzes vor nichtionisierender Strahlung
  • Gesetz zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des BMU (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU)

Am 1. März 2010 traten das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege (BNatSchG) und das Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts (WHG) in Kraft.[11] Damit gelten in Deutschland bundeseinheitliche Rechtsgrundlagen, die das Naturschutz- und Wasserrecht harmonisieren. Das bisherige Rahmenrecht wurde abgeschafft. Auf Basis der Verfassungslage sind diese Gesetze verbindliche Handlungsgrundlage für Vollzugsbehörden.

Literatur

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Umweltgesetzbuch (UGB-KomE) – Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Berlin 1998, ISBN 3-428-09226-0
  • Christian Calliess: Europarechtliche Vorgaben für ein Umweltgesetzbuch. Natur und Recht 28(10), S. 601–614 (2006), ISSN 0172-1631
  • Michael Kloepfer: Sinn und Gestalt des kommenden Umweltgesetzbuchs. Umwelt- und Planungsrecht 27(5), S. 161–170 (2007), ISSN 0721-7390
  • Uwe Müller, Benjamin Klein: The New Legislative Competence of “Divergent State Legislation” and the Enactment of a Federal Environmental Code in Germany. Journal for European Environmental and Planning Law (JEEPL) Heft 3/2007, S. 181 ff., ISSN 1613-7272, Inhaltsangabe

Weblinks

Einzelnachweise

  1. bmu.de
  2. a b Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums: Umweltgesetzbuch ist am Widerstand Bayerns und der Union gescheitert (1. Februar 2009)
  3. Seite des UBA zum Umweltgesetzbuch
  4. Kloepfer, Rehbinder, Schmidt-Aßmann, Kunig 1990: Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil. Bericht des Umweltbundesamtes 7/90. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
  5. Jarass, Kloepfer, Kunig, Papier, Peine, Rehbinder, Salzwedel, Schmidt-Aßmann 1994: Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil. Bericht des Umweltbundesamtes 4/94. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
  6. Pressemitteilung des BMU von 1997: Unabhängige Sachverständigenkommission übergibt Entwurf eines einheitlichen Umweltgesetzbuches [1]
  7. Ärzte Zeitung online [2]
  8. BMU 2006: Neuordnung der Umweltkompetenzen nach der Föderalismusreform: Der Weg ist frei für das Umweltgesetzbuch [3]
  9. Sigmar Gabriel: Umweltrecht unter einem Dach, Artikel erschienen in der FAZ am 21. November 2006, siehe online
  10. BMU 2007: Projekt „Umweltgesetzbuch“ – Umweltrecht unter einem Dach. Broschüre unter [4]
  11. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Bundesnaturschutzgesetz und Wasserhaushaltsgesetz in Kraft getreten

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