Urteil (Logik)

Urteil (Logik)

Urteil ist in der Wissenschaft der Logik die Form, in welcher entweder der Vorgang oder das Ergebnis einer Feststellung in der sprachlichen Form eines Satzes ausgedrückt werden. Nicht alle Logiker oder Philosophen haben diesen Grundbegriff fast einer jeden Logik ausdrücklich definiert oder eine diesbezügliche Urteilstheorie[1] entwickelt. Die meisten von den späteren Logikern dargestellten Begriffe haben jedoch gewisse Familienähnlichkeiten, indem sie entweder an die Logik des Aristoteles direkt anschließen oder sich in Gegensatz dazu stellen.

Die wichtigsten Unterscheidungen betreffen die Frage, welche Rolle psychologische Erwägungen über den dabei angestellten Denkprozess (etwa Assoziationspsychologie) oder Begründungen (etwa Selbstbeobachtung) beim Aufbau einer Logik spielen, ob wie herkömmlicherweise von der Subjekt-Prädikat-Struktur eines Satzes sowie der Unterteilung Begriff-Urteil-Schluss ausgegangen werden soll oder ob dazu Alternativen ins Spiel gebracht werden. Schließlich beeinflussen erkenntnistheoretische oder ontologische Annahmen (wie schon bei Aristoteles deutlich wird) mitunter sehr stark die Ausgestaltung einer jeden Logik-Konzeption.[2]

In der traditionellen Logik ist „Urteil“ ein Grundbegriff, der eine bestimmte Sicht der logischen Aussage bezeichnet (siehe auch Kategorisches Urteil). Jede logische Aussage – jedes Urteil – spricht einem logischen Subjekt eine allgemeinere Bestimmung – ein logisches Prädikat – zu: Das Subjekt wird also in den allgemeineren Bereich des Prädikats eingeordnet.[3]

Inhaltsverzeichnis

Bedeutungen

Die Logik untersucht die Gesetze, die das Urteil bestimmen. Die formale Logik befasst sich mit der formalen Struktur im Urteilsakt. In der Erkenntnistheorie wird der Wahrheitsgehalt des Urteils untersucht.

In der philosophischen Logik ist anstelle des aufs logisch Formale reduzierten Begriffs „Aussage“ der Begriff „Urteil“ gebräuchlich. Entsprechend finden sich bei Aristoteles bis Immanuel Kant Einteilungen der Urteile gemäß Kategorien in einer Urteilstafel.[4]. Kant unterscheidet insbesondere zwischen analytischen und synthetischen Urteilen, die sich (a posteriori) auf die Erfahrung beziehen oder vor aller Erfahrung (a priori) gemacht werden.

Romantik und Deutscher Idealismus lehnen eine analytische Zerlegung in Einzelteile als vorrangige Methode ab und geben dem zusammenhängenden, einheitlichen Ganzen von Wissen, Gefühl und Glauben absoluten Vorrang. Friedrich Hölderlin schreibt in Urteil und Sein, dass die Teile durch das Urteil ihre wesentliche Bestimmung erhalten, wehrt sich aber gegen die Auslegung, dass die Teile wie Werkstücke gesondert voneinander betrachtet werden könnten. Novalis vermerkt in seinem Allgemeinen Brouillon: „Man will nicht bloß den Satz oder das Urteil, sondern auch die Acten dazu.“[5]

Urteil im Sinne der Logik kann Unterschiedliches bedeuten:

  1. einen Behauptungssatz[6] bzw. eine Aussage[7];
  2. den „Schlusszusammenhang eines Syllogismus[8] bzw. das „Glied eines Syllogismus“[9];
  3. eine Begriffsverbindung oder -trennung[10] bzw. ein Erkenntnisakt im Sinne Kants[11]

Nach Husserl[12] kann das Wort „Urteil“ bedeuten:

  1. die Fürwahrhaltung;
  2. eine ideale Bedeutungseinheit.

Psychologische, sprachliche und ontologische Auffassung

Unterscheidet man mit Tugendhat grob eine psychologische, sprachliche und ontologische Grundauffassung von Logik[13], so hat das Wort drei ganz unterschiedliche Grundbedeutungen (die allerdings in einem analogen Sinnzusammenhang stehen). Was man unter Urteil versteht, hängt daher von der jeweiligen Erkenntnis- und Begriffstheorie ab.

psychologisch sprachlich ontologisch
Urteil (als psychischer Akt) Aussagesatz (Satz)
  • Gedanke (Frege);
  • Sachverhalt (Husserl, Wittgenstein I);
  • Proposition (engl. Philosophie);
  • Aussage (auch)

Da seit Frege und Husserl der Psychologismus in der Logik als überwunden gilt, erscheint der Ausdruck heute manchen für die moderne Logik als überholt[14].

Ein Teil der klassischen Logik des Urteils findet sich im Artikel Syllogistik.

Literatur

  • Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, 10. Aufl. (1993), S. 12
  • Lotz, Urteil, in: Brugger, Philosophisches Wörterbuch (1976)
  • Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), Urteil
  • Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002), Urteil
  • Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 17 ff., 79
  • Zoglauer, Einführung (1999), S. 88 ff.
  • Zwenger, Urteil, in: Rehfus, Wulff D. (Hg.), Handwörterbuch Philosophie (2003)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. (1904), Urteilstheorie.
  2. siehe zu entsprechenden Beispielen die lexigrahische Übersicht in: Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. (1904), „Urteil“
  3. Alois Halder / Max Müller:Philosophisches Wörterbuch, Freiburg im Breisgau 1993, S.328
  4. Albert Menne: Die Kantische Urteilstafel im Lichte der Logikgeschichte und der modernen Logik. Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, 20(2), 1989, S. 317-324
  5. Novalis: Das Allgemeine Brouillon. Materialien zur Enzyklopädistik 1798/99. Mit einer Einleitung von Hans-Joachim Mähl. Felix Meiner Verlag : Hamburg 1993. ISBN 3-7873-1088-6. S. 61.
  6. Zwenger, Urteil, in: Rehfus, Wulff D. (Hg.), Handwörterbuch Philosophie (2003)
  7. Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), Urteil
  8. Zwenger, Urteil, in: Rehfus, Wulff D. (Hg.), Handwörterbuch Philosophie (2003)
  9. Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), Urteil
  10. Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), Urteil
  11. Zwenger, Urteil, in: Rehfus, Wulff D. (Hg.), Handwörterbuch Philosophie (2003)
  12. Husserl, Logische Untersuchungen I, in: Meixner, (Hrsg.), Philosophie der Logik (2003), S. 83 (101)
  13. Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 17
  14. Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002), Urteil

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