Varianz einer Zufallsvariablen

Varianz einer Zufallsvariablen
Dichten zweier normalverteilter Zufallsvariablen mit gleichem Erwartungswert aber unterschiedlichen Varianzen. Die orange Kurve hat eine geringere Varianz (entsprechend der Breite) als die grüne. Die Wurzel der Varianz, die Standardabweichung, kann bei der Normalverteilung an den Wendepunkten ersehen werden.

Die Varianz ist ein Maß, das beschreibt, wie stark eine Messgröße (genauer eine Zufallsgröße) „streut“. Sie wird berechnet, indem man die Abstände der Messwerte vom Mittelwert quadriert, addiert und durch die Anzahl der Messwerte teilt.

In der Stochastik ist die Varianz ein Streuungsmaß, d. h. ein Maß für die Abweichung einer Zufallsvariable X von ihrem Erwartungswert \operatorname {E}(X). Die Varianz verallgemeinert das Konzept der Summe der quadrierten Abweichungen vom Mittelwert in einer Beobachtungsreihe. Die Varianz der Zufallsvariable X wird üblicherweise als \operatorname{V}(X), \operatorname{Var}(X) oder σ2 notiert. Ihr Nachteil für die Praxis ist, dass sie eine andere Einheit als die Daten besitzt. Dieser Nachteil kann behoben werden, indem man statt der Varianz die Standardabweichung benutzt. Die Standardabweichung ist die Quadratwurzel der Varianz. Eine einheitenlose Kennzahl für die Varianz ist der Variationskoeffizient, er macht auch die Varianz von Größen unterschiedlicher Einheit vergleichbar.

In der Praxis ist die Varianz der Grundgesamtheit häufig nicht bekannt. Sie muss dann mit einem Varianzschätzer, etwa der Stichprobenvarianz geschätzt werden.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Wenn \mu = \operatorname E(X) der Erwartungswert der quadratisch integrierbaren Zufallsvariablen X ist, dann berechnet sich die Varianz sowohl für diskrete als auch stetige Zufallsvariablen zu


\operatorname{Var}(X) := \operatorname V(X) := \operatorname E\bigl((X-\mu)^2\bigr)

Die Varianz ist also das zweite zentrale Moment einer Zufallsvariablen.

Die Varianz ist der Durchschnitt der Abweichungsquadrate vom Durchschnitt eines statistischen Merkmals.

Die Quadratwurzel der Varianz heißt Standardabweichung (σ):


\sigma_X = \sqrt{\operatorname{Var}(X)}
bzw. 
\sigma_X^2= \operatorname E\bigl((X-\mu)^2\bigr)

Rechenregeln

Verschiebungssatz

\operatorname{Var}(X)=\operatorname{E}\left(\left(X-\operatorname{E}(X)\right)^2\right)=\operatorname{E}(X^2)-\left(\operatorname{E}(X)\right)^2

Lineare Transformation

\operatorname{Var}(aX+b) = a^2 \operatorname{Var}(X)

dies kann mittels des Verschiebungssatzes hergeleitet werden:

\begin{align}
 \operatorname{Var}(aX+b) &= 
 \operatorname{E}[ (aX + b - \operatorname{E}(aX + b))^2 ] =
 \operatorname{E}[ (aX + b - b - a \operatorname{E}(X))^2 ]\\
 &=
 \operatorname{E}[ a^2 (X - \operatorname{E}(X))^2 ] = 
 a^2 \operatorname{E}[ (X - \operatorname{E}(X))^2 ] =
 a^2 \operatorname{Var}(X)
\end{align}

Varianz von Summen von Zufallsvariablen

\operatorname{Var}\left(\sum_{i=1}^na_iX_i\right)=\sum_{i=1}^na_i^2\operatorname{Var}(X_i)+2\sum_{i=1}^{n-1}\sum_{j=i+1}^na_ia_j\operatorname{Cov}(X_i,X_j)

Hierin ist Cov(Xi,Xj) die Kovarianz der Größen Xi und Xj.

Sind die Zufallsvariablen paarweise unabhängig, so sind die Kovarianzen gleich Null und damit gilt:

\operatorname{Var}\left(\sum_{i=1}^na_iX_i\right)=\sum_{i=1}^na_i^2\operatorname{Var}(X_i)

Charakteristische Funktion

Die Varianz lässt sich mit dem Verschiebungssatz und der charakteristischen Funktion  \varphi der Zufallsvariablen X darstellen als:

\operatorname{Var}(X) 
= \frac{\varphi_X''(0)}{\mathrm{i}^{2}} - \left(\frac{\varphi_X'(0)}{\mathrm{i}}\right)^{2}
= \varphi_X'(0)^2 -\varphi_X''(0)

Momenterzeugende Funktion

Da zwischen der charakteristischen und der momenterzeugenden Funktion der Zusammenhang

\begin{align}
 \frac{\varphi_X'(0)}{\mathrm{i}} &= M_X'(0) = \operatorname{E}(X)\\
 \frac{\varphi_X''(0)}{\mathrm{i}^{2}} &= M_X''(0) = \operatorname{E}(X^{2})\\
 &\;\vdots \\
 \frac{\varphi_X^{(n)}(0)}{\mathrm{i}^{n}} &= M_X^{(n)}(0) = \operatorname{E}(X^{n})
\end{align}

gilt, lässt sich die Varianz auch in dieser Form ohne die Verwendung komplexer Zahlen abbilden: (Zur obigen Berechnung von  \varphi wird immer  \operatorname{i} benötigt.)

\operatorname{Var}(X) 
= M_X''(0) - M_X'(0)^2

Beispiele

Diskrete Zufallsvariable

Gegeben ist eine diskrete Zufallsvariable X mit den Wahrscheinlichkeiten

i 1 2 3
xi -1 1 2
f(xi) 0,5 0,3 0,2

wobei der Erwartungswert

\operatorname{E}(X) = -1 \cdot 0{,}5 + 1 \cdot 0{,}3 + 2 \cdot 0{,}2 = 0{,}2

beträgt.

Die Varianz ist demnach

\operatorname{V}(X) = (-1-0{,}2)^2 \cdot 0{,}5 +(1-0{,}2)^2 \cdot 0{,}3 +(2-0{,}2)^2 \cdot 0{,}2 = 1{,}56

Mit dem Verschiebungssatz erhält man entsprechend

\operatorname{V}(X) = (-1)^2 \cdot 0{,}5 +1^2 \cdot 0{,}3 +2^2 \cdot 0{,}2 - 0{,}2^2 = 1{,}56.

Für die Standardabweichung ergibt sich damit

\sigma_X = \sqrt{\operatorname{V}(X)} = \sqrt{1{,}56} = 1{,}249

Stetige Zufallsvariable

Eine stetige Zufallsvariable habe die Dichtefunktion

 f(x) =
\begin{cases} 
\frac {1}{x} & \mbox{ falls } 1 \le x \le e \\
0 & \mbox{ sonst }
\end{cases}

Mit dem Erwartungswert

\operatorname{E}(X) = \int_1^e x \cdot \frac {1}{x} dx = e - 1

berechnet sich die Varianz mit Hilfe des Verschiebungssatzes als

\operatorname{V}(X) = \int_{-\infty}^\infty x^2 \cdot f(x) dx - (\operatorname{E}(X))^2 = \int_1^e x^2 \cdot \frac {1}{x} dx - (e - 1)^2
\qquad = \left[ \frac{x^2}{2}\right] _1^e - (e - 1)^2 = \frac{e^2}{2} - \frac{1}{2} -(e-1)^2 \approx 0{,}242

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Varianz einer Zufallsvariable — Dichten zweier normalverteilter Zufallsvariablen mit gleichem Erwartungswert aber unterschiedlichen Varianzen. Die orange Kurve hat eine geringere Varianz (entsprechend der Breite) als die grüne. Die Wurzel der Varianz, die Standardabweichung …   Deutsch Wikipedia

  • Varianz — steht für: Stichprobenvarianz, die Varianz als deskriptives Maß zur Beschreibung einer Stichprobe korrigierte Stichprobenvarianz, die empirische Varianz für die Schätzung der Varianz einer Grundgesamtheit Varianz (Stochastik), ein Maß für die… …   Deutsch Wikipedia

  • Varianz (Stochastik) — Dichten zweier normalverteilter Zufallsvariablen mit gleichem Erwartungswert aber unterschiedlichen Varianzen. Die rote Kurve hat eine geringere Varianz (entsprechend der Breite) als die grüne. Die Wurzel der Varianz, die Standardabweichung, kann …   Deutsch Wikipedia

  • Varianz — Disparität (fachsprachlich); Ungleichheit; Unterschied; Ungleichgewicht; Streuung; Standardabweichung; Komplexität; Vielschichtigkeit; Versatz; Synchronistationsdifferenz; …   Universal-Lexikon

  • Varianz-Kovarianz-Matrix — Als Kovarianzmatrix (selten auch: Varianz Kovarianz Matrix) wird in der Wahrscheinlichkeitstheorie die Matrix aller paarweisen Kovarianzen der Elemente eines Zufallsvektors bezeichnet. Insofern verallgemeinert dieser Begriff den der Varianz einer …   Deutsch Wikipedia

  • Varianz-Kovarianzmatrix — Als Kovarianzmatrix (selten auch: Varianz Kovarianz Matrix) wird in der Wahrscheinlichkeitstheorie die Matrix aller paarweisen Kovarianzen der Elemente eines Zufallsvektors bezeichnet. Insofern verallgemeinert dieser Begriff den der Varianz einer …   Deutsch Wikipedia

  • Empirische Varianz — Die korrigierte Stichprobenvarianz (s2) ist eine Schätzfunktion für die Varianz einer Zufallsvariablen aus Beobachtungswerten, die einer Stichprobe der Grundgesamtheit entstammen. Diese Varianz wird auch in der deskriptiven Statistik als Maß für… …   Deutsch Wikipedia

  • Varianz — gebräuchlichste Maßzahl zur Charakterisierung der ⇡ Streuung einer theoretischen oder empirischen ⇡ Verteilung. Die V. ist ein nicht relativiertes ⇡ Streuungsmaß. 1. Ist X eine ⇡ Zufallsvariable, so bezeichnetvar X = E(X – EX)2 = EX2 – (EX)2deren …   Lexikon der Economics

  • Inferentielle Varianz — Dichten zweier normalverteilter Zufallsvariablen mit gleichem Erwartungswert aber unterschiedlichen Varianzen. Die orange Kurve hat eine geringere Varianz (entsprechend der Breite) als die grüne. Die Wurzel der Varianz, die Standardabweichung, k …   Deutsch Wikipedia

  • Empirische Standardabweichung — Die korrigierte Stichprobenvarianz (s2) ist eine Schätzfunktion für die Varianz einer Zufallsvariablen aus Beobachtungswerten, die einer Stichprobe der Grundgesamtheit entstammen. Diese Varianz wird auch in der deskriptiven Statistik als Maß für… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”