Verifizierung

Verifizierung

Verifizierung oder Verifikation (von lat. veritas ‚Wahrheit‘ und facere ‚machen‘) ist der Nachweis, dass ein vermuteter oder behaupteter Sachverhalt wahr ist. Der Begriff wird unterschiedlich gebraucht, je nachdem, ob man sich bei der Wahrheitsfindung nur auf einen geführten Beweis stützen mag oder aber auch die in der Praxis leichter realisierbare bestätigende Überprüfung und Beglaubigung des Sachverhaltes durch Argumente einer unabhängigen Instanz als Verifizierung betrachtet.

Inhaltsverzeichnis

Wissenschaftstheorie

In der Wissenschaftstheorie versteht man unter der Verifizierung einer Hypothese den Nachweis, dass diese Hypothese richtig ist. Logischer Empirismus und Positivismus gehen davon aus, dass solche Nachweise führbar seien. Im Rahmen des kritischen Rationalismus (K. Popper) wird argumentiert, dass es Verifikation nicht gibt. Allgemeine Gesetzesaussagen können nur wahr, aber unverifiziert sein, oder mit Beschreibungen von Sachverhalten, die der Aussage widersprechen, falsifiziert werden, sich also als ungültig herausstellen. Zum Verständnis ein Beispiel, das Karl Popper anführt: Angenommen, die Hypothese lautet: „Alle Schwäne sind weiß“, so trägt das Finden zahlreicher weißer Schwäne nur dazu bei, dass die Hypothese beibehalten werden darf. Es bleibt stets die Möglichkeit bestehen, einen andersfarbigen Schwan zu finden. Tritt dieser Fall ein, so ist die Hypothese widerlegt. Solange aber kein andersfarbiger Schwan gefunden wurde, kann die Hypothese weiterhin als nicht widerlegt betrachtet werden.

Auch bei lokalisierenden Existenzhypothesen (auch bestimmte Existenzhypothesen genannt) gilt der Falsifikationismus: Die (allgemeine) Hypothese „Es gibt weiße Schwäne“ kann für sich genommen nicht überprüft werden. Hat man jedoch den Aufenthaltsort eines weißen Schwans in einem Raum-Zeit-Gebiet, so ist die Falsifikation möglich, und zwar umso leichter, je eingeschränkter dieses Gebiet ist. Findet sich dort nämlich kein weißer Schwan, so kann die Hypothese als widerlegt betrachtet werden. Umgekehrt folgt die unfalsifizierbare Aussage „Es gibt weiße Schwäne“ aus einer solchen bestimmten Existenzhypothese wie „Am 25. August ist ein weißer Schwan im Augsburger Zoo“. Sie wird aber nicht bereits dadurch verifiziert, dass die Falsifikation (einstweilen) ausbleibt, so ist es denkbar, dass das beobachtete Tier nur aus der Ferne aussah wie ein Schwan.

Weitere Formen von wissenschaftlichen Hypothesen sowie deren Prüfbarkeit finden sich bei Groeben und Westmeyer.[1]

Informatik

In der Informatik und Softwaretechnik versteht man unter Verifikation einen Prozess, der für ein Programm oder ein System sicherstellt, dass es zu einer Spezifikation "konform" ist. Im Gegensatz dazu steht die Validierung, d.h. die dokumentierte Plausibilisierung, dass ein System die Anforderungen in der Praxis erfüllt.

Zu einer formalen Verifikation gehört zum Einen eine formale Spezifikation (z.B. in Form einer Logik, einer Spezifikationssprache wie z.B. Z oder der Eingabesprache von Matlab/Simulink), zum Anderen ein formales Verständnis davon, was "konform" heißen soll.

Im Extremfall kann eine formale Verifikation ein mathematischer Beweis sein, dass ein Programm (also eine konkrete Implementation) der vorgegebenen Spezifikation entspricht. Konformität heisst dann Gültigkeit im logischen Sinne, d.h. das Programm muss sich für alle logisch möglichen Eingaben so verhalten, wie es die Spezifikation vorschreibt. Solche Beweise werden mit Hilfe spezieller Kalküle wie dem Hoare-Kalkül geführt, der seinerseits als "korrekt" gegenüber einer formalen Semantik der Programmiersprache bewiesen wurde. Obwohl Verifikation im Allgemeinen nicht in jedem Fall möglich ist, wie das Halteproblem und der Gödelsche Unvollständigkeitssatz zeigen, und obwohl Beweise zur Verifikation zumeist außerordentlich umfangreich und oft für den Menschen nicht intuitiv sind, werden interaktive oder automatisierte Theorembeweiser für relevante Probleme in der Praxis eingesetzt.

Die sog. Modellprüfung ist ein interessanter Speziallfall eines automatisierten Beweisverfahrens, der zum Beispiel im Hardwaredesign relevant ist. Voraussetzung ist, dass Programme, parallele Prozesse und Spezifikationen in endliche Automaten mit endlicher Zustandsmenge, allgemeine Automaten oder Petri-Netze übersetzt werden können; auf diesen sind effiziente Algorithmen bekannt, die Eigenschaften wie Erreichbarkeit, Leerheit der Sprache, etc. überprüfen. Dieser Ansatz ist durchaus leistungsfähig, da z.B. der Satz von Büchi-Elgot-Trakhtenbrot die Äquivalenz von endlichen Automaten und Formeln der monadischen Logik 2. Stufe (siehe MSO) beweist. Dadurch kann das Problem der Korrektheit eines speziellen Programms im Bezug auf seine Spezifikation in monadischen Logik auf eine äquivalente Eigenschaft eines Automaten reduziert werden.

Schwächere Formen der formalen Verifikation sind z.B. modell-basierte Testverfahren. Konformität heißt hier, dass das Programm nur einer endlichen Teilmenge der möglichen Eingaben, dem Testdatensatz, genügen muss. Formale Testbegriffe setzen ein Adäquatheitskriterium voraus, das für ein gegebenes Programm und seine Spezifikation wenigstens Minimalanforderungen an die Größe des Testdatensatzes stellt. Solche Adäquatheitskriterien können sich auf Pfadabdeckungen in Programmen, Abdeckungen von Fällen in Spezifikationen, oder sogar stochastische Eigenschaften von Programmen und Spezifikationen beziehen. Auch hier sind Algorithmen bekannt, die für ein gegebenes Abdeckungskriterium, eine Spezifikation und ggf. ein Programm Testdatensätze erzeugen, mit denen das Programm effektiv getestet werden kann.


Raumfahrt

In der von der NASA geprägten Raumfahrt unterscheidet man unter dem Oberbegriff Verifikation zwei Tätigkeiten.

Qualifikation
formeller Nachweis, dass der Entwurf alle Anforderungen des Lastenheftes (specification) einschl. Toleranzen durch Fertigung, Lebensdauer, Fehler usw und die im Schnittstellen-Kontroll-Dokument (Interface Control Document ICD) festgelegten Parameter erfüllt. Der Abschluss der Qualifikation ist die Unterschrift des Auftraggebers unter das COQ (Certificate of Qualification). Qualifikations-Verifikationsmethoden sind
  • Entwurfsüberprüfung anhand von Zeichnungen (Review of Design / RoD). Für Software wird ein Code-Review durchgeführt.
  • Analyse
  • Test (Funktionen, Masse, Abmessungen usw)
  • Inspektion

Jedes Software-Element wird einzeln und als Teil der Gesamtkonfiguration durch Test qualifiziert wie jedes andere Element des Systems.

Abnahme
formeller Nachweis, dass das abzuliefernde Produkt alle Anforderungen des Lastenheftes (specification) erfüllt (bezogen auf die Seriennummer) und keine Material- oder Fertigungsfehler hat. Die Abnahme basiert auf dem Nachweis der erfolgreichen, vorhergehenden Qualifikation (einschließlich. Identität der Bauunterlagen zum Qualifikationsmodell). Abschluss der Abnahme ist die Unterschrift des Auftraggebers unter das COA (Certificate of Acceptance). Abnahme-Verifikationsmethoden sind:
  • Test
  • Inspektion

Die Verifikationstätigkeiten sind die Ursache für die hohen Kosten für Raumfahrtgeräte, verglichen mit einem gleichen technischen Produkt, das unter normalen Industriebedingungen entwickelt wurde. Alle dabei anfallenden Ergebnisse werden dokumentiert und bleiben verfügbar für eventuell später notwendige Fehleruntersuchungen. Während früher diese Regeln für alle Ebenen bis zum Bauelement galten, versucht man heute die Kosten durch Einsatz kommerzieller Bauelemente für nicht sicherheitsrelevante Geräte zu reduzieren.

Während vor einigen Jahren die Raumfahrt der Vorreiter für die Entwicklung miniaturisierter elektronischer Bauelemente war, sind die verfügbaren, extrem komplexen Chips nicht ohne weiteres für die Raumfahrt einsetzbar. Ihr Verhalten unter Weltraumstrahlungsbedingungen (Zerstörung oder zeitweiliges Fehlverhalten) ist meistens nicht bekannt oder kann sogar am Boden nicht getestet werden. Daher hat die Hardware / Software Interaction Analysis, die die Reaktion von Hardware - Fehlern auf die im Processor laufende Software untersucht, speziell für stochastische Fehler große Bedeutung erlangt. Bei der NASA wurden bis heute große Summen aufgewendet, um einen kommerziellen Laptop zu finden, der auf der ISS einsetzbar ist.

Ein weiteres, hohe Kosten verursachendes Gebiet ist die Qualifikation des Langzeitverhaltens von Materialien im Weltraum wegen des atomar vorkommenden Sauerstoffs. In vielen Raumfahrtprogrammen wird die Qualifikation der Lebensdauer von Geräten und Materialien stark vereinfacht, um im Kostenrahmen zu bleiben; zum Beispiel gibt es keine Kabel, die für mehr als zwölf Jahre zertifiziert sind. Neuerdings werden von der European Cooperation on Space Standards (ECSS) die oben unter Qualifikation definierten Tätigkeiten mit dem Begriff Verifikation bezeichnet; der Oberbegriff Verfikation entfällt damit.

Qualitätssicherung

Die DIN EN ISO 8402 vom August 1995, Ziffer 2.17 versteht unter Verifizierung „das Bestätigen aufgrund einer Untersuchung und durch Bereitstellung eines Nachweises, daß festgelegte Forderungen erfüllt worden sind.“ Diese Norm bezieht sich auf die Qualitätssicherung von organisatorischen und betrieblichen Abläufen. Verifizierung wird hier also verstanden als eine „Bestätigung im Nachhinein“, ob vorhandene Abläufe die gewünschten Ergebnisse erzielen.

Diese DIN 8402 ist zurückgezogen, aber alle Begriffe des Qualitätsmanagements findet man seit 2000 in der ISO 9000:2000. Die letzte Version ISO 9000:2005, Abschnitt 3.8.4, definiert Verifizierung als „Bestätigung durch einen objektiven Nachweis, dass Anforderungen erfüllt werden“. Im Gegensatz dazu beschreibt ISO 9000:2005, Abschnitt 3.8.5, Validierung als „die Bestätigung durch objektiven Nachweis, dass die Anforderungen für eine bestimmte Anwendung oder einen bestimmten Gebrauch erfüllt sind“.

Beispiel:

  • Bestätigung, dass ein Produkt ein unternehmenseigenes, internes Pflichtenheft erfüllt, führt zu einem verifizierten Produkt.
  • Bestätigung, dass ein Produkt ein vom Kunden erstelltes Lastenheft und damit so weit die Anforderungen an den Gebrauch durch den Kunden erfüllt, führt zu einem validierten Produkt.

Im Normalfall erfolgt in einem Unternehmen immer zuerst die Verifizierung und dann die Validierung. Dies ist vor allem deshalb richtig, sofern man die EN ISO 9001:2008 befolgt und im Unternehmen die Kundenanforderungen ermittelt und in einem internen Lastenheft festgeschrieben hat. Die Verifizierung ist eine Überprüfung der Konformität zur formal im internen Lastenheft festgehaltenen Kundenanforderungen. Die Validierung ist hingegen eine Art Feldversuch um zu überprüfen, ob das Produkt in der Anwendung wirklich das leistet, was der Kunde haben will und ist somit unter anderem eine Verifizierung des Lastenhefts. Ein Produkt, dass zwar verifiziert aber nicht validiert wurde birgt große Gefahr, dass der Anwender oder Kunde ein Produkt erhält, dass zwar sehr gute Eigenschaften haben kann und dem internen Lastenheft gerecht wird, aber nicht den Anforderungen des Kunden in der Anwendung entspricht.

In der Informatik wird diese Art der Überprüfung der Validierung gegenübergestellt.

Authentifizierung

Die Verifizierung von Personendaten oder Protokollen ist als Vorgang einer gemeinsamen Unterschrift oder als hoheitlicher Akt der Beglaubigung bekannt. Hier findet auch der verwandte Begriff der Authentifizierung als Synonym für einen Identitätsnachweis Verwendung. Umgangssprachlich wird hier oft auch in technischen Dokumentationen von Verifizierung gesprochen.

Beispiele für Verifizierungen

Militärwesen

Verifikation ist die Bezeichnung für alle diejenigen Maßnahmen, die der Überwachung der Einhaltung von Abrüstungs- beziehungsweise Rüstungskontrollabkommen dienen. Mittel der Verifikation sind technische Systeme (wie die Satellitenüberwachung), Manöverbeobachter und Inspektoren.

Zusammenfassung

Die frühzeitige Verifizierung beziehungsweise Verifikation eines Prozesses oder einer Aussage hilft, Fehler rechtzeitig zu erkennen und technische, menschliche oder prozessuale Kommunikationsverluste zu vermeiden. Verifizierung ist nicht zu verwechseln mit Validierung.

Die inhaltliche Beurteilung der überprüften Aussagen oder Daten auf Plausibilität oder Wirkung ist nicht Aufgabe der Verifizierung. Es handelt sich hierbei also nur um den Nachweis einer gewissen Authentizität der Aussage an sich. Ein verifizierter Ausdruck (das Ergebnis eines Experimentes) ist somit von Dritter Stelle überprüft, seine wissenschaftliche Aussagekraft ist damit jedoch noch nicht belegt. Die verifizierte Aussage hat somit zwar einen höheren Stellenwert als die unbelegte Behauptung, jedoch einen niedrigeren Stellenwert als der schlüssige Beweis. Der Beweis gehört allerdings nicht mehr zum Bereich der synthetischen (empirischen), sondern der analytischen (theoretischen) Wahrheit.

Literatur

  • Elliott Sober: Testability. In: Proceedings and Addresses of the American Philosophical Association 73, 1999, S. 47–76 (PDF-Fassung; Verteidigung des Kriteriums).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. N. Groeben und H. Westmeyer: Kriterien psychologischer Forschung. Juventa, München 1975, S. 107-133

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