Viktor Juschtschenko

Viktor Juschtschenko
Kyrillisch (Ukrainisch)
Віктор Андрійович Ющенко
Transl.: Viktor Andrijovyč Juščenko
Transkr.: Wiktor Andrijowytsch Juschtschenko
Kyrillisch (Russisch)
Виктор Андреевич Ющенко
Transl.: Viktor Andreevič Juščenko
Transkr.: Wiktor Andrejewitsch Juschtschenko

Wiktor Andrijowytsch Juschtschenko ( Aussprache?/i; * 23. Februar 1954 in Choruschiwka, Oblast Sumy, Ukraine) ist ein ukrainischer Politiker. Juschtschenko ist seit Januar 2005 Präsident der Ukraine (Nascha Ukrajina).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wiktor Juschtschenko wurde 1954 in Choruschiwka an der Grenze zu Russland im Gebiet Sumy als Kind eines Lehrerpaars in ländlicher Umgebung geboren. Sein Vater ist als einer von mehreren tausend sowjetischen Kriegsgefangenen im KZ Flossenbürg[1] inhaftiert gewesen.

1975 schloss Juschtschenko sein Studium am Finanztechnischen Institut in Ternopil ab. Dort war er in der Abteilung für Marxismus und Leninismus tätig. Anschließend arbeitete er zwei Monate als Buchhalter in einem Kolchos in der Oblast Iwano-Frankiwsk; nach dem Ableisten des Armeedienstes war er von 1976 bis 1985 in einer Niederlassung der Staatsbank im Dorf Uljaniwka in seiner Heimat dem Oblast Sumy tätig, zunächst als Abteilungsökonom, ab 1977 als Abteilungsleiter. 1985 bis 1987 war er als stellvertretender Abteilungsleiter der Staatsbank in Kiew für landwirtschaftliche Fragen wie Kolchosenkredit- und -finanzierungswesen zuständig. Ende 1987 wechselte er zur ukrainischen Republikzentrale der Agroprombank der Sowjetunion; seit 1990 war er stellvertretender Abteilungsleiter der als kommerzielle Aktiengesellschaft organisierten Landwirtschaftsbank Ukrajina in Kiew. Schon mit 21 Jahren ist er der Kommunistischen Partei der Sowjetunion beigetreten (KPdSU), deren Mitglied er bis zum Zerfall der Sowjetunion geblieben ist.

Im Januar 1993 wurde Juschtschenko zunächst Abteilungsleiter, 1997 Vorsitzender der Nationalbank der Ukraine. 1998 erschien seine Dissertation zum Thema Entwicklung von Geldangebot und -nachfrage in der Ukraine. Juschtschenko wurde international vor allem für die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation gelobt und erhielt 1997 den Global Finance Award als einer der fünf besten Bankfachleute weltweit.

Vom 22. Dezember 1999 bis 29. Mai 2001 war Wiktor Juschtschenko Premierminister der Ukraine. Er initiierte marktwirtschaftliche Reformen, gilt als Vater der stabilen Währung und machte sich einen Namen bei der Bekämpfung der Korruption. Durch ein Misstrauensvotum des Parlaments verlor er sein Amt. Juschtschenkos Nachfolger im Amt des Premierministers wurde Anatolij Kinach (Partei der Industriellen und Unternehmer Ukraine/PPPU).

Seit Mai 2002 war Juschtschenko Parlamentsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender der Oppositionspartei Unsere Ukraine (ukrainisch Наша Україна/Nascha Ukrajina). Seit Juni 2002 war er Mitglied des Komitees für Bürgerangelegenheiten, nationale Minderheitenfragen und internationale Beziehungen. Zudem arbeitete er in verschiedenen nicht-staatlichen Komitees, unterhielt enge Beziehungen zu den Trägern der Rosenrevolution in Georgien.

Als Kandidat des Oppositionsblocks Unsere Ukraine erhielt er am 26. Dezember 2004 bei der Wiederholung der Stichwahl die meisten Stimmen. Die erste Stichwahl war auf Grund massiven Wahlbetruges nach wochenlangen friedlichen Protesten für ungültig erklärt worden. Am 20. Januar 2005 bestätigte das Oberste Gericht seinen Wahlsieg. Am 23. Januar 2005 wurde er in Kiew als Präsident vereidigt und somit Nachfolger von Leonid Kutschma.

Juschtschenko erhielt mehrere Preise (Medaille der Stadt Athen) und Ehrenbürgerschaften (Ternopil, Lemberg) sowie zwei Ehrendoktorwürden. Im Januar 2005 wurde er von der US-Senatorin Hillary Clinton für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Er war in erster Ehe mit Switlana Kolesnyk (ukrainisch Світлана Колесник) verheiratet. Juschtschenko studierte später in den USA weiter und lernte 1993 während eines USA-Fluges die ukrainischstämmige US-Amerikanerin Kateryna Tschumatschenko (ukrainisch Катерина Чумаченко) kennen, die damals eine Vertretung der Firma Barents-Group in der Ukraine leitete. Mit ihr ist er in zweiter Ehe verheiratet. Aus beiden Ehen hat Juschtschenko drei Töchter und zwei Söhne, außerdem hat er zwei Enkelkinder. Der jüngste Sohn wurde am 25. März 2004 geboren.

Dioxinvergiftung

Wiktor Juschtschenko 2000 – vor seiner Vergiftung

Seit September 2004 leidet Juschtschenko an einer Krankheit, die seine Organe lebensgefährlich angegriffen und sein Gesicht fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt hat. Erste Anzeichen der Krankheit wurden am 6. September 2004 festgestellt, als Wiktor Juschtschenko ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Am Abend zuvor hatte er sich zu einem Abendessen mit Ihor Smeschko, dem Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes, und dessen Stellvertreter Wolodymyr Sazjuk getroffen. Während der Nacht nach diesem Treffen auf Sazjuks Datscha traten die ersten Symptome der Vergiftung auf: Juschtschenko litt unter Unterleibs- und Rückenschmerzen, Gesichtsmuskeln waren gelähmt, er erbrach häufig. Vier Tage später ließ er sich in das Wiener Rudolfinerhaus bringen. Die Ärzte dort stellten Entzündungen in Magen, Dünndarm, Bauchspeicheldrüse und im Ohr fest. Die Leber war geschwollen und ein Gesichtsnerv gelähmt. Durch die Krankheit fiel er im Präsidentschaftswahlkampf vier Wochen aus.

Die Ursache für die Krankheit war lange nicht geklärt bzw. wurde während des laufenden Wahlkampfes von den Wiener Ärzten nicht veröffentlicht. Nach einer weiteren Untersuchung im Wiener Rudolfinerhaus teilten die behandelnden Ärzte am 11. Dezember 2004 mit, dass es sich bei der Erkrankung Juschtschenkos um eine Dioxinvergiftung handle. Ersten Angaben der Ärzte zufolge sei in seinem Blut und Gewebe das 1000-fache der normalen Konzentration an Dioxin gefunden worden. Späteren Medienberichten zufolge sei jedoch das 6000-fache der normalen Konzentration in Juschtschenkos Körper gelangt.

Am 17. Dezember 2004 wurde vom Präsidenten des Wiener Rudolfinerkrankenhauses Michael Zimpfer bekanntgegeben, dass es sich bei dem verwendeten Dioxin um TCDD handelte. Drei Labors seien übereinstimmend zu diesem Ergebnis gekommen. Weil das Gift in so hoher und reiner Form im Blut Juschtschenkos nachgewiesen worden sei, könne eine natürliche Vergiftung ausgeschlossen werden. Die Schäden im Verdauungstrakt deuten für die Mediziner darauf hin, dass Juschtschenko das Gift Anfang September über den Mund aufgenommen habe.

TCDD gilt als das gefährlichste der 17 besonders giftigen Dioxine und kann im Tierversuch schon in einer Konzentration von einem millionstel Gramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich sein. Es ist Bestandteil des über Vietnam versprühten und daher bekannt gewordenen Entlaubungsmittels „Agent Orange“ und verursacht neben Chlorakne auch bleibende Leberschäden.

In einem Interview mit ausländischen Journalisten beschuldigte Juschtschenko im September 2007 Russland, die Ermittlungen zur Aufklärung seiner Vergiftung zu behindern und so offensichtlich in das Verbrechen verwickelt zu sein. Die Art Dioxin, mit der er vergiftet worden sei, werde nur an drei Orten, nämlich in den USA, in Großbritannien und in Russland hergestellt. Einzig das russische Labor habe sich bislang geweigert, eine Dioxinprobe zur Untersuchung einzureichen.[2] Darüber hinaus hat Russland dem dringend tatverdächtigen Wolodymyr Sazjuk per Präsidentenukas die russische Staatsbürgerschaft verliehen, wodurch die von der Ukraine geforderte Auslieferung Sazjuks verhindert wurde. Eine Auslieferung von Staatsbürgern an das Ausland ist in Russland verfassungswidrig.[3]

Im Juni 2008 wurde bekannt, dass Juschtschenko nach seiner Vergiftung von einem Schweizer Ärzteteam um den Professor Jean-Hilaire Saurat, Arzt des Universitätsspitals Genf, behandelt wurde. Das Ärzteteam soll ein Enzym entdeckt haben, welches den Abbau von Dioxin bewirkt. Davor konnte Dioxin nicht vom Körper abgebaut werden. Der ukrainische Präsident musste dazu innerhalb von drei Jahren insgesamt 25 Operationen in Vollnarkose über sich ergehen lassen. Bis heute (Juni 2008) seien 90 Prozent des Dioxins aus dem Körper Juschtschenkos entfernt worden. Dieser habe keine sichtbaren Spuren mehr auf seinem Körper und wieder ein normales Gesicht. [4]

Politik als Präsident ab 2005

Juschtschenko und seine Frau Kateryna mit George W. Bush und dessen Frau Laura im April 2005 in Washington D.C.

Siehe Spezialartikel: Präsidentschaftswahlen in der Ukraine 2004

Nach seiner Ernennung zum Staatspräsidenten Anfang 2005 war eine der Hauptaufgaben Juschtschenkos, einem Zerfall des Landes vorzubeugen, denn in der Osthälfte der Ukraine hatte sein unterlegener, vom angrenzenden Russland stark unterstützte Gegenkandidat Wiktor Janukowytsch viele Stimmen gewonnen.

Er machte Staatsbesuche in Ländern Mittel- und Westeuropas und ließ die Visumspflicht für Staatsbürger aus der EU und der Schweiz aufheben, um die Verbindung des großen, aber noch unterentwickelten Flächenlandes zum Westen zu betonen und dem Wunsch, möglichst bald der EU beizutreten, Nachdruck zu verleihen. Diesem Ziel diente auch Juschtschenkos Arbeitsbesuch in Österreich am 11. und 12. Juli 2005 und die Gespräche mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der Anfang 2006 turnusgemäß den Ratsvorsitz der Union übernahm. Des Weiteren wurden Kooperationen in den Bereichen Justiz und Sicherheit, Verwaltung und Verkehr in die Wege geleitet.

Am 8. September 2005 löste Juschtschenko wegen einer vorangegangenen Regierungskrise die Regierung auf. Seinem Beraterkreis wurde mehrmals Korruption vorgeworfen.

Parlamentswahlen 2006

Juschtschenko mit Polens Präsident Lech Kaczyński im Juli 2007

Bei den 15 Monaten nach der Orangenen Revolution stattfindenden Parlamentswahlen im März 2006 konnte Juschtschenkos Bündnis Unsere Ukraine keine Mehrheit im Obersten Rate für sich gewinnen; obwohl die einfache Mehrheit der Mandate von der Partei seines Gegners Janukowytsch erreicht wurde, führte Unsere Ukraine zunächst Verhandlungen mit dem Block Julija Tymoschenko (BJUT) und der Sozialistischen Partei unter Olexandr Moros mit dem Ziel der Regierungsbildung durch. Nach dem Ausstieg der Sozialisten aus der geplanten Koalition erklärte Juschtschenko nach einigem Zögern Anfang August seine Bereitschaft, Wiktor Janukowytsch zum Premierminister vorzuschlagen; Unsere Ukraine und Janukowytschs Partei der Regionen unterzeichneten ein Memorandum der Koalition der nationalen Einheit; am darauffolgenden Tag wurde Janukowytsch als Premierminister vom Parlament bestätigt.[5][6]

Parlamentswahlen 2007

Am 2. April 2007 löste Juschtschenko das Parlament auf und kündigte vorgezogene Neuwahlen für den 27. Mai an, da die Mehrheit des Parlaments um den Regierungschef Janukowytsch „die Macht an sich reißen und ihre Herrschaft auf ewig einrichten“ wolle. Daraufhin kam es am darauffolgenden Tag zu Massenprotesten von Anhängern Janukowytschs.[7] Im Kabinett konnte der Präsident einzig auf die Loyalität des Außenministers zählen, der Verständnis für diese Aktion äußerte.

Nach monatelangem politischen Tauziehen wurden schließlich die Neuwahlen für den 30. September 2007 anberaumt. Überraschend trugen dabei die Kräfte der „Orangenen Revolution“, der Blok Juliji Tymoschenko und die Wahlallianz Juschtschenkos, Nascha Ukrajina - Narodna Samooborona, einen knappen Sieg davon. Juschtschenko trat dennoch für eine Einbeziehung der Partei der Regionen Janukowytschs in die Regierungsbildung ein.[8] Trotzdem bildeten die beiden westlich orientierten Kräfte eine Koalitionsregierung unter Julija Tymoschenko. In der Folge kam es wiederum zu einem lähmenden Kräftemessen zwischen Juschtschenko und Tymoschenko, der Ambitionen auf das Amt des Staatsoberhauptes nachgesagt werden.

Am 9. Dezember 2008, einigten sich Juschtschenko und Julija Tymoschenko auf eine Fortsetzung ihres Bündnisses. Ergänzt wird die prowestliche Regierungskoalition von Wolodimir Litwin, dem frisch gekürten Parlamentspräsidenten. Timoschenko wird voraussichtlich weiterhin das Amt der ukrainischen Premierministerin bekleiden.[9]

Weblinks

Schriften

  • Віктор А. Ющенко, Віктор Лисицький: Гроші: Розвиток попиту та пропозиції в Україні. Київ: Скарби 1998. ISBN 966-95038-1-7. (Arbeit zur Geldpolitik der Ukraine, ukrainisch)
  • Віктор А. Ющенко: Історія української гривні. Київ: Бібліотека Українца 1999. ISBN 966-7419-16-9. (Geschichte der ukrainischen Währung, ukrainisch)
  • Victor Yushchenko, Victor Lysyts'kyi: Money: demand and supply development in Ukraine. Kyiv: Skarby 2000. ISBN 966-95789-2-2. (englisch)
  • Віктор А. Ющенко: Вірю в Україну. Дрогович: Коло 2004. ISBN 966-7996-58-1. (ukrainisch)
  • Віктор А. Ющенко: 100 днів президентства: пряма мова. Харків: Фоліо 2005. ISBN 966-03-3113-4. (ukrainisch)

Literatur

  • Оксана Сліпушко: Віктор Ющенко: Банкір і політик. Київ: Криниця 2000. ISBN 966-7575-19-5. (Biographie, ukrainisch)
  • Микола Жилинський/ Оксана Сліпушко: Віктор Ющенко: випробування владою. Харків: Фоліо 2005. ISBN 966-03-3112-6. (ukrainisch)
  • Сергей Кара-Мурза: Экспорт революции: Ющенко, Саакашвили. Алгоритм, Москва 2005, ISBN 5-9265-0197-0 (russisch)
  • А. М. Євтушенко/ В. А. Дроздова/ Л. З. Науменко: Віктор Ющенко: Вірю! Знаю! Можемо!. ИнЮре 2005. (ukrainisch)

Einzelbelege

  1. UNIAN: Ющенко подякував Меркель за підтримку
  2. SAGOLOWKI: Виктор Ющенко обвинил в своем отравлении диоксином Россию
  3. NEWSru.com: Россия предоставила гражданство украинцу Сацюку, подозреваемому в отравлении Ющенко. Он не будет выдан Киеву (17.07.2008)
  4. http://www.20min.ch/news/ausland/story/28867639
  5. tagesschau.de: Juschtschenko schlägt Rivalen als Premier vor, 3. August 2006
  6. Ukrajinska Prawda: http://pravda.com.ua/news/2006/8/3/45527.htm
  7. FOCUS: Massenprotest gegen Parlamentsauflösung
  8. http://rus.newsru.ua/ukraine/06oct2007/france24.html
  9. vgl. Wiktor und Julia versuchen's noch mal bei tagesschau.de, 9. Dezember 2008 (aufgerufen am 10. Dezember 2008)

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