- Baureihe 475
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DRG-Baureihe ET/ES/EB 165
DR-Baureihe 275/875
DBAG-Baureihe 475/875Anzahl: 638 Triebwagen
465 Steuerwagen
173 BeiwagenHersteller: AEG, DMV, O&K, SSW Baujahr(e): 1928–1932 Ausmusterung: 1997 Achsformel: Bo'Bo'+2'2' Spurweite: 1.435 mm Breite: 3.000 mm Drehzapfenabstand: 11.800 mm Drehgestellachsstand: 2.500 mm Leermasse: 65,5 t Reibungsmasse: 37,9 t Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h Stundenleistung: 360 kW Beschleunigung: 0,3 und 0,5 m/s² je nach Fahrschalterstellung Laufraddurchmesser: 900 mm Raddurchmesser: 900 mm Stromsystem: 750 V DC Stromübertragung: seitliche, von unten bestrichnene Stromschiene Anzahl der Fahrmotoren: 4 Bremse: Einlösige Knorr-Personenzugbremse mit zusätzlicher elektro-pneumatischer Betätigung, dadurch mehrlösig Zugheizung: elektrisch über Heizkörper unter Sitzbänken Geschwindigkeitsmesser: DEUTA Steuerung: elektropneumatisch gesteuertes Klinkwerk wirkt auf 13-stufiges Nockenschaltwerk mit 16 Schaltern Kupplungstyp: Scharfenbergkupplung Sitzplätze: 115 Fußbodenhöhe: 1.100 mm Der ET 165 (später Baureihe 275 (DR) bzw. 475 (DB AG)) ist ein elektrischer Triebwagen, der für den S-Bahn-Verkehr im Gleichstrom-Netz von Berlin von 1927 bis 1932 gebaut wurde. Die Züge waren bis 1997 noch im Berliner Stadtbahnnetz unterwegs, wurden aber bis Mai 2004 mit Ausnahme einiger Museumstücke verschrottet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Baureihe ET 165 wurde ab 1927 bis 1932 gebaut. Es handelt sich hierbei um knapp 36 Meter lange sogenannte Viertelzüge, die aus je einem elektrischen Triebwagen und einem antriebslosen Steuerwagen bestanden. Bei den letzten Auslieferungen waren die Steuerwagen durch Beiwagen ersetzt. Bis zu vier dieser Viertelzüge konnten zu einem rund 145 Meter langen Vollzug gekuppelt eingesetzt werden, der eine in der Praxis nutzbare Platzkapazität von ungefähr 1.000 Sitz- und Stehplätzen und ein für damalige Verhältnisse hervorragendes Beschleunigungs- und Bremsvermögen aufwies. Mit dieser Fahrzeugkonzeption konnten die damaligen Anforderungen des Berliner S-Bahnverkehrs voll erfüllt werden.
Die Konstruktion basiert auf der Baureihe ET 168 aus dem Jahr 1925. Oberstes Ziel war hierbei die Herabsetzung des Leergewichtes, da der Typ „Oranienburg“ mit etwa 45 Tonnen für den Trieb- und 36 Tonnen für den Steuerwagen für den Stadtbahnbetrieb mit häufigem Halten und Wiederanfahren viel zu schwer ausgefallen war. Man konnte die neuen Fahrzeuge durch den Einsatz wesentlich dünnerer, aber aus hochfestem Siliziumstahl hergestellter Profile leichter ausführen(etwa 38 Tonnen (Tw) und 27 Tonnen (Sw), außerdem ließen sich zum ersten Mal die Türen vom Führerstand aus schließen. Mit diesen Wagen begann der großflächige Ausbau des elektrifizierten Schnellbahnnetzes in Berlin. Die Fahrzeuge wurden nach einheitlichen Plänen von vielen namhaften Waggonbaufirmen gebaut und in dem eigens für die neuen S-Bahn-Triebwagen damals neu erbauten Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Berlin Schöneweide elektrisch ausgerüstet. Am 11. Juni 1928 fuhr zum ersten Mal diese Baureihe auf der neu elektrifizierten Strecke von Potsdam über die Stadtbahn nach Erkner. Dem entsprechend auch als Bauart Stadtbahn bezeichnet, wurde die Baureihe zu einer Legende. Bis Ende 1933 entstanden insgesamt 1.276 Einzelwagen, die meist gebaute Wagenserie der deutschen Eisenbahngeschichte.
Im Jahre 1932 erfolgte anlässlich der Elektrifizierung der Wannseebahn die Lieferung des letzten Bauloses mit 51 Viertelzügen. Diese Baureihe ET 165.8 erhielt den Namen Bauart Wannseebahn. Sie entsprach bis auf ein geändertes Schaltwerk (jetzt rein elektrisch angetrieben) und einen Wagenkasten ohne sichtbare Nietreihen (Senknietung in Verbindung mit Punktschweißung dünnerer Verkleidungsbleche) der Stammbaureihe ET 165.
Charakteristisch für diese Baureihe war die Frontansicht mit dem weißen Ein-Licht-Spitzensignal und dem beleuchteten Schilderkasten sowie den zwei roten Oberwagenlaternen als Schlusssignal. Für Fahrten auf dem falschen Gleis besaßen die Züge zusätzlich noch ein kleines rotes Signal unter dem weißem Frontsignal, welches aber in den Nachkriegsjahren entfernt wurde. Die klassische Frontansicht dieser Baureihe blieb bei den meisten Zügen bis Ende der 1960er Jahre erhalten. Die Nachfolgebaureihen ab 1934 hatten bereits zwei große Frontscheinwerfer, die entweder ein Zwei-Licht-Spitzensignal oder ein Zwei-Licht-Schlusssignal zeigen konnten.
In den Jahren des Zweiten Weltkrieges wurden die verbliebenen Steuerwagen zur Materialgewinnung ebenfalls in Beiwagen umgebaut. Die charakteristischen dreiteiligen Stirnwände – die reinen Beiwagen hatten eine gerade Stirnwand – blieben dabei erhalten. Im Inneren hatten diese Beiwagen am Betriebskuppelende nur eine Sitzbank und kein besonderes Abteil hinter dem Einstiegsraum. 1981/82 wurden drei ehemalige Steuerwagen (275 320, 354 und 514) des Bw Wannsee wieder mit Führerständen ausgerüstet, um erneut einzelne Viertelzüge ab etwa 21 Uhr auf der Spätverbindung Friedrichstraße–Charlottenburg einsetzen zu können, nachdem die für diese Zwecke bisher genutzten Viertelzüge der Bauart „Peenemünde“ (276.0) in das 277er Reko-Programm einbezogen wurden und danach im Ostteil Berlins verblieben (zuletzt 477/877.6).
Von 1965 bis 1969 (und in einer zweiten Serie 1979) wurde ein großer Teil der Stadtbahnwagen auf Einmannbetrieb umgebaut. Die Führerstände erhielten Bordfunkgeräte, mit denen der Abfahrauftrag der Aufsichten von den Bahnsteigen übermittelt werden konnte. Der bislang noch notwendige Schaffner, der während der Abfahrt an der Tür stand und den Zug und die Bahnsteigaufsicht zu beobachten hatte, konnte entfallen. Beim Umbau wurden die vorher sehr beengten Führerstände vergrößert; hierbei mussten vier Sitzplätze an der Führerstandsrückwand entfallen. Äußerlich waren die Einmannzüge (EMB-Viertel) an den je zwei Spitzen- und Schlusslampen mit Alurahmen nach dem Vorbild der E 11 und E 42 in den Stirnwänden und der Antenne für die Abfertigung per Funk zu erkennen. Etwa ein Viertel des Bestandes erhielt nur eine minimale Anpassung an den Einmannbetrieb (durchlaufende Steuerleitungen) ohne äußerlich sichtbare Veränderungen. So konnten diese Passviertel im Einmannbetrieb nur in Zugmitte verkehren. Erst bei der Rekonstruktion bzw. bei der Generalreparatur (das betraf die 1984 an die BVG abgegebenen Wagen) erhielten sie die volle Einmannausrüstung.
Ab 1979 erfolgte nach dem Vorbild der Baureihe 277 im Raw Schöneweide eine Rekonstruktion etwa der Hälfte des Wagenbestandes (212 Viertelzüge) der 1970 umbenannten Baureihe 275. Kurze Zeit später wurden diese auch als Nietenrekos bekannten Wagen als Baureihe 276.1 in den Wagenpark eingereiht.[1] Auffälligstes Merkmal war eine modernisierte Front mit zwei Scheiben und die modernisierte Inneneinrichtung. Die Stirnfront der ehemaligen Steuerwagen wurde dabei zunächst nicht verändert. Erst bei den in den 1980er Jahren rekonstruierten Viertelzügen passte man diese Fronten den regulären Beiwagen an.
Mit der Übergabe der Betriebsrechte der S-Bahn in West-Berlin an den Senat im Jahr 1984 konnte der neue Betreiber, die BVG, 119 Viertelzüge übernehmen. Im Jahr 1961 waren noch 379 Viertelzüge in West-Berlin stationiert. Bis 1987 wurden diese Wagen zum größten Teil ebenfalls modernisiert, aber nicht im gleichen Umfang wie im Ostteil der Stadt. Zwölf Passviertel wurden dabei wieder zu Steuervierteln mit voller EMB-Ausrüstung auch der Steuerwagen aufgerüstet. Auffallend für Laien war die neue Inneneinrichtung dieser Züge. Die Holzbänke waren aber bei den meisten Wagen noch vorhanden und wurden aufgearbeitet weiter verwendet. Ursprünglich war die weitere Verwendung der Holzsitze als Kompromiss vorgesehen, überraschenderweise waren sie bei vielen Fahrgästen sehr beliebt und erlangten bald Kultstatus. Im Rahmen mit der Zusammenführung von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn zur Deutschen Bahn am 1. Januar 1994 gab die BVG ihre Betriebsrechte und ihre Züge wieder an die Deutsche Bahn ab. Ein Jahr später wurde die S-Bahn Berlin GmbH gegründet.
Am 22. Dezember 1997 wurde die Baureihe 475/875 mit einer Sternfahrt zum Ostkreuz feierlich aus dem Verkehr genommen. Die rekonstruierte Schwesterbaureihe 476.1/876.1 hielt sich bis Sommer 2000 im Betrieb.
Mit dieser Baureihe wurde damals die Vorbildfunktion der Berliner S-Bahn auf viele Stadtschnellbahnprojekte der Welt begründet. Die Konzeption und Konstruktion dieser Baureihe, insbesondere hinsichtlich Einfachheit der Bedienung, Unter- und Erhaltungsfreundlichkeit, Standfestigkeit und Wirtschaftlichkeit, bewährte sich so gut, dass die Baureihe mit diversen Rekonstruktionen rund 70 Jahre im täglichen Einsatz war. Eine derartige Langlebigkeit ist für ein Nahverkehrsfahrzeug wohl einmalig.
Allerdings war die legendäre Haltbarkeit des 165er nur das Resultat schmerzlicher Erkenntnisse und kostspieliger Anpassungen hauptsächlich in den 1930er Jahren, denn der „Stadtbahner“ hat den Verantwortlichen der DRG auch einige Überraschungen und einiges Kopfzerbrechen bereitet. Die herausragendsten Mängel der ersten Jahre betrafen folgende Bauteile:
- Der verkehrswerbende Außenanstrich verwitterte sehr schnell und die Züge wurden rasch unansehnlich. Da die Farbhersteller nicht genügend schnell zu Verbesserungen in der Lage waren, führte die DRG selbst umfassende Entwicklungen und Versuche durch, bis ein haltbarer Lack gefunden war.
- Tausende Holzschiebetüren verzogen sich unter den Witterungseinflüssen, klemmten und mussten bereits nach wenigen Jahren gegen Metallschiebetüren ausgewechselt werden, ein Programm, das sich für den Großteil der Züge bis in die 1960er Jahre hinzog. Die letzten Originaltüren wurden gar erst durch die BVG im Westteil der Stadt Mitte der 1980er Jahre ausgetauscht.
- Sämtliche Viertelzüge wurden zwischen 1932 und 1936 mit einer elektropneumatischen Steuerung der Druckluftbremse nachgerüstet. Es zeigte sich nämlich, dass die Bremsventile zu träge arbeiteten und dass das Bremsen mit einer rein pneumatisch gesteuerten Bremse im S-Bahnbetrieb Zielbremsungen zu sehr erschwerte.
- Bereits Mitte der 1930er Jahre mussten an sämtlichen Drehgestellen Grundüberholungen mit Verstärkungen durchgeführt werden, erzwungen durch gefährlich gelockerte Nietverbindungen und Risse.
- Nachrüsten sämtlicher Wagen mit Dämpfungspuffern zwischen den Wagen eines Viertelzuges: Der heftig schlingernde Lauf der neuen Zügen im geraden Gleis war nicht zufriedenstellend und führte zu massiven Beschwerden des Publikums, die ein solches Fahrverhalten von nagelneuen Fahrzeugen nicht erwarteten.
Erst diese aufwändigen Anpassungen und die ständigen Reparaturen und Anpassungen in den Jahrzehnten seines Einsatzes machten den „Stadtbahner“ zu dem, als was er heute Eisenbahnfreund und Fachmann in Erinnerung ist.
Später kamen wesentliche Bauteile ausgemusterter Wagen auf der heutigen Berliner U-Bahnlinie 5 zum Einsatz, wo sie mit neu gebauten Wagenkästen, aber den alten elektrischen und mechanischen Komponenten unter der Baureihenbezeichnung E-III bis 1994 verkehrten.
Einige Viertelzüge konnten vom Verein Historische S-Bahn e.V. in Zusammenarbeit mit der S-Bahn Berlin GmbH betriebsfähig erhalten werden. Darunter sind ein Museumszug im Zustand nach der Auslieferung 1928 und weitere Traditionszüge, die in unterschiedlichen Zuständen der 1950er/1960er Jahre und der 1980er/1990er Jahre restauriert wurden.
Heute können Züge dieser Baureihe beispielsweise in den Dezembertagen als Weihnachtszug (siehe Bild) oder im Rahmen von angemieteten Sonderfahrten im Netz beobachtet werden oder bei den regelmäßig veranstalteten Tagen der offenen Tür im S-Bahn-Betriebswerk Erkner besichtigt werden.
Technik
Die Grundeinheit des Triebzugs ist der Viertelzug, bestehend aus dem Triebwagen und einem nichtangetriebenen Steuerwagen (später zu Beiwagen umgebaut) oder Beiwagen (bei der DB AG als Baureihe 875 bezeichnet). Trieb- und Beiwagen stimmten in den ersten Serien (Trieb-und Steuerwagen)wagenbaulich überein, die ab 1930 beschafften Beiwagen hatten dann identische Stirnwände. Sie sind starr miteinander kurzgekuppelt und bilden elektrisch eine Einheit. An den Enden des Viertelzuges sind Scharfenberg-Kupplungen eingebaut, um ein schnelles Kuppeln und Entkuppeln der Einheiten zu ermöglichen. So sind die im Betrieb üblichen Konfigurationen von Halbzug (zwei Einheiten), Dreiviertelzug (drei Einheiten) und Vollzug (vier Einheiten) schnell zusammen- und auflösbar. Zwischen den einzelnen Wagen ist kein Übergang möglich. Der selbsttragende, genietete Wagenkasten aus Stahl hat ein Tonnendach und ruht auf Profillängsträgern, die mit den Querversteifungen ebenfalls vernietet sind. Jeder Wagen hat vier Doppeltüren (Taschenschiebetüren) pro Seite.
Die Wagen ruhen auf zwei blattgefederten, zweiachsigen Drehgestellen. Die vier Achsen des Triebwagens werden durch Tatzlagermotoren angetrieben, wobei die zwei Motoren eines Drehgestells in Reihe geschaltet sind. Die Steuerung der Fahrmotoren erfolgt durch ein, über ein elektro-pneumatisch gesteuertes Klinkwerk angetriebenes Nockenschaltwerk mit zwölf Anfahr- und einer Dauerfahrstufe. Die Betriebsbremse ist eine Klotzbremse der Bauart K-P (einlösige Knorr-Personenzugbremse) mit einer ab 1934 zugerüsteten elektropneumatischen Druckluftsteuerung. Ein Teil der Wagen erhielt 1989 bis 1992 (bereits als Baureihe 476.0) die mehrlösige Bremsbauart KE.
Einzelnachweise
- ↑ Stadtschnellbahn-Berlin.de: Die Baureihen 165, 275 und 475/875. Abgerufen am 14.11.2007.
Literatur
- Martin Pabst: U- und S-Bahn-Fahrzeuge in Deutschland. 1. Auflage. GeraMond, München 2000, ISBN 3-932785-18-5.
- Daniel Riechers: S-Bahn-Triebzüge – Neue Fahrzeuge für Deutschlands Stadtschnellverkehr. 1. Auflage. transpress Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-71128-1.
Weblinks
- Beschreibung der Baureihe 165 auf stadtschnellbahn-berlin.de
- Liste der erhaltenen S-Bahn-Fahrzeuge des Vereins historische S-Bahn Berlin
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