Virginia Apgar

Virginia Apgar
Virginia Apgar

Virginia Apgar (* 7. Juni 1909 in Westfield, New Jersey; † 7. August 1974 in New York City) war eine amerikanische Chirurgin und Anästhesistin. 1952 entwickelte sie den noch heute weltweit gängigen Apgar-Score.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Virginia Apgar wurde als jüngstes von drei Kindern und einziges Mädchen von Helen und Charles Apgar geboren, ihr Vater war Versicherungsagent. Da beide Eltern musikalisch interessiert waren, erhielt sie Violinunterricht, einem Hobby, dem sie auch später treu bleiben sollte. Bereits während ihrer Schulzeit wollte Virginia Apgar Medizin studieren. Nachdem sie 1925 die High School in Westfield beendet hatte, besuchte sie das Mount Holyoke College, welches sie mit einem Bachelor in Zoologie abschloss, sie war eine der besten Schülerinnen ihres Colleges. Sie galt als vielseitig interessierte Studentin, betrieb sieben Sportarten und war als Reporterin und Schauspielerin tätig.

Zeit als Chirurgin

1929 begann sie ihr Medizinstudium am Columbia University College of Physicians and Surgeons in New York und gehörte im Jahre 1933 zu den ersten Frauen, die an der dortigen Medizinischen Fakultät ihre Examen ablegten. Ihre anschließende Assistenzzeit absolvierte sie am Presbyterian Hospital. Nach zwei Jahren hatte sie mehrere hundert Operationen erfolgreich durchgeführt und galt als vielversprechende chirurgische Begabung. Trotzdem riet ihr Mentor Dr. Allen Whipple ihr von der Chirurgie ab, da hier die Berufsaussichten für Frauen schlecht waren. Keine seiner Assistentinnen hatte es bis dahin geschafft von ihrem Beruf zu leben. Virginia Apgar legte diese Tatsache durchaus nicht nur den Männern sondern auch den Frauen zur Last:

„Frauen wollen nicht von einer Chirurgin operiert werden. Nur Gott weiß, warum.“

Whipple bestärkte sie das damals neue Fach der Anästhesiologie, das bis dahin nur von Pflegekräften abgedeckt wurden, sowohl klinisch als auch wissenschaftlich zu bearbeiten. So wurde sie 1938 zur ersten Abteilungsleiterin für Anästhesiologie an der heutigen Columbia University in New York.

Zeit als Anästhesistin

Virginia Apgar wandte sich tatsächlich der Anästhesie zu, da in diesem Fachgebiet (in den US-amerikanischen Kliniken) ein höherer Frauenanteil gängig war. Aufgrund der zunehmend komplizierten und langwierigen Eingriffe wurden dringend gut ausgebildete Spezialistinnen gebraucht. 1938 wurde Apgar Leiterin der Anästhesieabteilung des Columbia University College of Physicians and Surgeons. In den Jahren ihrer Tätigkeit hier legte sie die Grundlagen für ein neues akademisches Fachgebiet der Medizin. Als 1949 die Abteilung in ein eigenständiges Department umgewandelt wurde, bekam die Leitung ein männlicher Kollege, als Entschädigung ernannte die Universität Virginia Apgar zur ersten ordentlichen Professorin für Anästhesiologie der Vereinigten Staaten.

Der Apgar-Score

siehe auch: Apgar-Score

Aufgrund ihrer Erfahrungen und Beobachtungen in der Anästhesie und Geburtshilfe erkannte Virginia Apgar bald, dass das Leben vieler Neugeborener gerettet werden könnte wenn man sie sofort nach der Geburt untersucht und behandelt hätte. Zur damaligen Zeit wurde das Neugeborene häufig von den unerfahrensten Mitgliedern im geburtshilflichen Team betreut, noch nicht einmal das Freimachen der Atemwege und eine Sauerstoffgabe waren etabliert. Einen einheitliche Definition, wann ein Neugeborenes als „normal“ einzustufen oder Richtlinien ab wann es zu reanimieren ist, gab es nicht. Apgar setzte sich dafür ein, dass eine Gefährdung des Neugeborenen frühzeitig erkannt wurde und dadurch eine bessere Therapie in die Wege geleitet werden konnte. Sie sorgte für Schulungen des geburthilflichen Teams in Anästhesie, entwarf Behandlungsrichtlinien für asphyktische Neugeborene. Einer Erzählung zufolge, soll sie zu dem von ihr entwickelten Apgar-Schema durch die Frage eines Assistenten angeregt worden sein. Dieser fragte sie: „Wie könnte man systematisch und schnell den Zustand eines Neugeborenen feststellen“. Daraufhin soll sie auf ein Papier folgendes geschrieben haben: 1. Heart Rate (Herzfrequenz) 2. Respiration (Atmung) 3. Muscle tone or activity (Muskeltonus und Aktivität) 4. Reflex irritability (Reflexantwort auf Stimulation) 5. Colour (Hautfarbe), dies waren die Kriterien mit denen Anästhesisten damals ihre narkotisierten Patienten beurteilten. Sie entwickelte diese Kriterien weiter, ordnete jeder Ausprägung einen Punktwert von null bis zwei zu und schuf damit ein System, mit dem man relativ objektiv und damit vergleichbar den Zustand eines Neugeborenen einschätzen konnte.

Dieses Bewertungssystem stellte sie auf dem 27. Jahreskongress der amerikanischen Anästhesisten 1952 in Palm Beach vor. Zuvor hatte sie seine Aussagekraft an mehr als 1000 Neugeborenen überprüft. 1953 veröffentlichte sie ihre Ergebnisse und abgeleiteten Vorschläge in der Zeitschrift Current Researches in Anesthesia and Analgesia und dem Titel „A Proposal for a New Method of Evaluation of the Newborn Infant“. Ihr Bewertungsindex fand überraschend schnell Anerkennung und verbreitete sich innerhalb weniger Jahre in den gesamten Vereinigten Staaten und Anfang der 1960er Jahre auch in Europa. In den USA wurde 1963 ein Merkspruch durch Joseph Butterfield eingeführt, der ihren Nachnamen verwendet. „Apgar“ kann jedoch bei den verschiedenen Merksprüchen jeweils eine unterschiedliche Bedeutung beinhalten.

Spätere Jahre

Ende der 1950er Jahre ließ Apgar sich beurlauben und studierte an der Johns Hopkins School of Public Health, wo sie 1959 mit einem „Master of Public Health“ abschloss. Direkt danach übernahm sie den Vorsitz der March-of-Dimes Stiftung, einer gemeinnützigen Organisation für Schwangerschafts- und Säuglingsgesundheit. Apgar war aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung besonders geeignet für diese Position: Sie war bei rund 17.000 Geburten dabei gewesen, war Expertin in dem noch jungen Fach Neonatologie, eine hervorragende Lehrerin und Rednerin. Daneben bemühte sie sich unermüdlich, Mittel für diese Stiftung zu beschaffen. Es gelang ihr, die Jahreseinnahmen von 19 Mio. Dollar bei ihrem Amtsantritt auf 46 Mio. zu erhöhen. Zwischen 1960 und 1974 bereiste sie die ganze Welt, um Spenden zu beschaffen, und trieb die Forschung der Perinatologie voran. Sie leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Geburtsschäden. Neben zahlreichen Beiträgen für Zeitschriften und Magazinen und mehr als 60 wissenschaftlichen Artikeln, schrieb sie auch ein Buch für Schwangere mit dem Titel „Is my Baby all right“.

Virginia Apgar blieb ledig. Auf die Frage, warum sie nie geheiratet habe, erklärte sie einmal: „Ich habe eben keinen Mann gefunden, der kochen kann.“

1973 musste Virginia Apgar auf Grund einer Lebererkrankung ihre Tätigkeit zunehmend reduzieren und starb schließlich 1974 an Leberversagen.

1994 gab die US-Post eine Briefmarke mit ihrem Porträt heraus. 1995 wurde sie in die National Women's Hall of Fame der USA aufgenommen.

Literatur

  • H. Ludwig: Virginia Apgar (1909–1974), Gynäkologe 40 (2007), 227–228, doi:10.1007/s00129-007-1943-5
  • K. Brandt, Prof. Dr. L. Brandt Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens, Hebammenzeitschrift 6 (2009), 67-69

Weblinks


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