Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist die amtliche Überschrift des in § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) geregelten deutschen Straftatbestandes.

Inhaltsverzeichnis

Die Tathandlung des Abs. 1

Gegenstand des Tatbestandes ist das Vorenthalten oder das Veruntreuen von Arbeitsentgelt, wobei in Absatz 1 die an den Sozialversicherungsträger zu zahlenden Arbeitnehmeranteile gemeint sind.

Die gesetzliche Beschreibung dieser Tathandlung lautet wörtlich: Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 266a Abs. 1 StGB).

Rechtsgut

Geschütztes Rechtsgut ist nicht etwa das Interesse des Arbeitnehmers, seinen Lohn ausbezahlt zu bekommen, sondern das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherung der Sozialversicherung. Demnach hängt - wie in der aktuellen Gesetzesfassung auch explizit geregelt - die Strafbarkeit nicht davon ab, ob überhaupt Arbeitslohn gezahlt wurde. Auch ein Einverständnis des Arbeitnehmers, seine Anteile nicht an die Sozialversicherung weiterzuleiten, ändert an der Strafbarkeit nichts.

Den Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnzahlungen betrifft § 266a StGB außer in dem in Absatz 3 geregelten Fall dagegen grundsätzlich nicht. Hier ist der Arbeitnehmer nicht schutzwürdiger, als jeder andere Gläubiger einer Forderung.

Täter

§ 266a StGB ist ein so genanntes Sonderdelikt, das (abgesehen von dem Fall des § 266a Abs. 3 StGB; s. u.) nur von einem Arbeitgeber begangen werden kann. Dem Arbeitgeber gleichgestellt sind die Organe von Verbänden nach den Grundsätzen der in § 14 geregelten Vertreterhaftung, sowie die Auftraggeber von Heimarbeitern aufgrund der expliziten Regelung des § 266a Abs. 5 StGB.

Gleichgestellte Tathandlungen

Nach Absatz 2 wird außerdem bestraft, wer als Arbeitgeber

1. der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder

2. die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt

und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

Absatz 2 stellt damit in gewissen Fällen auch die ausbleibende Zahlung der Arbeitgeberanteile unter Strafe. Diese Regelung wurde erst mit Gesetzesänderung vom 23. Juli 2004 in die Vorschrift eingefügt. Durch sie wurde eine Gesetzeslücke geschlossen, durch die zuvor diejenigen Täter, die keinen ihrer Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet hatten, ihren Betrieb also komplett durch Einsatz von Schwarzarbeitern geführt hatten, letztlich besser gestellt waren als diejenigen, die zumindest einen Teil ihrer Arbeitnehmer angemeldet hatten.

Der beschriebenen Tathandlung nach § 266a Abs. 1 StGB ist gemäß § 266a Abs. 3 StGB gleichgestellt das Handeln desjenigen, der als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, einbehält, sie jedoch dem anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer ... über das Unterlassen zu unterrichten. In dieser Tatvariante ist das Vermögen des Arbeitnehmers auch unstreitig das durch das Strafgesetz geschützte Rechtsgut.

Zahlungsfähigkeit

Eine Strafbarkeit nach § 266a StGB setzt die Möglichkeit voraus, die Zahlungen überhaupt leisten zu können. Die Rechtsprechung stellt jedoch strenge Anforderungen an die Sicherung der Leistungsfähigkeit. So hat die Abführung der Arbeitnehmeranteile gegenüber anderen Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers, beispielsweise der Begleichung von Lieferantenrechnungen und sogar der Auszahlung der Nettolöhne, absoluten Vorrang.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Mai 2007 war es in der Rechtsprechung umstritten, inwieweit die vertretungsberechtigten Organe von Kapitalgesellschaften auch in der finanziellen Krise des Unternehmens zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet sind. Nunmehr gilt folgendes: Weil die Geschäftsführer einer GmbH, die Vorstände einer AG, die Directors einer Ltd und Geschäftsführer einer KG, die keinen persönlich haftenden Kommanditisten hat, gemäß § 15a InsO nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne (§§ 17, 19 InsO) innerhalb von höchstens drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen müssen und bis dahin keine weiteren Zahlungen mehr aus dem Gesellschaftsvermögen leisten dürfen, sind die Geschäftsführer bzw. Vorstände während der Insolvenzantragsfrist von der Verpflichtung nach § 266a Abs. 1 StGB befreit.

Rechtsfolge

Das Gesetz sieht als Rechtsfolge für den Arbeitgeber in den Fällen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, im Falle des § 266a Abs. 3 StGB ordnet das Gesetz für den Arbeitnehmer, der die ihm überlassenen Beiträge nicht weiterleitet Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an.

In besonders schweren Fällen sieht das Gesetz Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor.

§ 266a StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sodass derjenige, der den Tatbestand dieses Strafgesetzes verwirklicht für den dadurch verursachten Schaden auch zivilrechtlich in Anspruch genommen werden kann.

Strafmilderung

§ 266a Abs. 6 StGB gibt dem Gericht die Möglichkeit, von Strafe abzusehen, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich nach Eintritt dieses Zeitpunktes der Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und darlegt, weshalb ihm die fristgerechte Begleichung dieser Beiträge nicht möglich ist.

Das Absehen von Strafe ist zwingend, wenn der Täter überdies den vorenthaltenen Beitrag innerhalb einer von der Einzugsstelle zu setzenden angemessenen Frist nachträglich entrichtet.

Durch diese Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, daß Tathandlungen, die nach § 266a StGB begangen werden, regelmäßig mit einer Krise des Unternehmens oder anderen erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Arbeitgebers in Zusammenhang stehen werden.

Literatur

  • Wüchner, Patrick: Die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen des Arbeitnehmers. Eine Betrachtung des § 266a Abs. 1 StGB unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Unternehmenskrise und der insolvenzrechtlichen Einflüsse. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-4985-2.
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