Warschauer Altstadt

Warschauer Altstadt
Blick auf Warschauer Altstadt mit Schloss (rechts), Johanneskathedrale und Sigmundsäule (links)

Die Warschauer Altstadt wurde am 2. September 1980 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen. Sie ist wohl das einzige Baudenkmal dieser Liste, das nach der völligen Zerstörung 1944 im Zeitraum 1949–1955 originalgetreu wiederaufgebaut wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ansicht von Warschau, von Praga aus gesehen (um 1790 nach Canaletto)

Die Warschauer Altstadt wurde unweit des Weichselufers, über einer steilen Böschung, neben der Burg der masowischen Fürsten, im 13. Jahrhundert gegründet. Die Stadt war zuerst von einem Erdwall umgeben, am Ende des 14. Jahrhunderts wurde eine Stadtmauer aus Backstein errichtet. Die Stadt bestand aus einem quadratischen Marktplatz und einem rechtwinkligen Straßennetz. Innerhalb der Stadtmauer befanden sich drei Kirchen: die St.-Johannes-Kathedrale, später entstanden die St.-Martins-Kirche und die Jesuitenkirche. In der Mitte des Marktplatzes wurde ein Rathaus errichtet. Warschau wurde 1413 zum Fürstensitz erklärt. Es wurde die Stadtmauer verdoppelt, ein Stadtgraben ausgehoben. Es gab zwei Stadttore: das Krakauer Tor vom Süden und das Neustadt-Tor mit einem Rondell vom Westen. Am Krakauer Tor, dicht an der Böschung, befand sich der Fürstensitz im rechteckigen, gotischen Gebäude.

1611 erhob der König Sigismund III. Wasa Warschau zur Hauptstadt Polens. Die Stadt entwickelte sich rasch außerhalb der Stadtmauern, insbesondere in südlicher Richtung entlang der Weichsel. Es entstanden prächtige Paläste und Bürgerhäuser, die Altstadt blieb dagegen fast unverändert. Aus der alten Fürstenresidenz wurde ein fünfeckiges Königsschloss. 1643–1644 wurde auf dem Schlossplatz neben dem Krakauer Tor das Denkmal des Sigismund III. Wasa in Form einer Säule errichtet. Am Ende des 18. Jahrhundert erhielt das Schloss eine schmucke Ostfassade im Stile des sächsischen Barocks. Die übrigen Fassaden blieben sparsam dekoriert. 1815, nach der Dritten Teilung Polens, kam Warschau unter russische Herrschaft, zuerst nur mit dem Zarenreich durch eine Personalunion verbunden, dann nach dem gescheiterten Aufstand 1831 wurde es zur russischen Provinzstadt erniedrigt. Die Altstadt verkam zum Armenviertel. Das Rathaus wurde abgerissen. Die Stadtmauern wurden mit Mietskasernen umgebaut und teilweise abgebrochen.

1918 wurde Polen wiedergeboren. Die Altstadt wurde als Tourismusziel erneuert, die Bürgerhäuser am Marktplatz wurden 1928 von bekannten Malern geschmückt. Die Stadtmauern wurden teilweise von den Mietskasernen befreit und renoviert. Das Königsschloss wurde 1926 zur Residenz des polnischen Staatspräsidenten.

Zerstörung

Zerstörte Altstadt 1945
Hauptartikel: Zerstörung Warschaus

Im September 1939 wurde das Königsschloss von Fliegerbomben getroffen und brannte teilweise aus. Die Kunsthistoriker versuchten unter Lebensgefahr Architekturdetails und Ausstattungselemente des Schlosses für den zukünftigen Wiederaufbau zu retten.

Im Warschauer Aufstand 1944 wurde die Altstadt heftig umkämpft. Viele Häuser stürzten im Bombenhagel ein. Nach der Niederlage wurde die gesamte überlebende Bevölkerung vertrieben, in der menschenleeren Stadt zerstörten SS-Einheiten mit Flammenwerfern und Sprengsätzen die noch übriggebliebenen Bauten. Auch das 1939 ausgebrannte Königsschloss wurde 1944 vollständig zerstört.

Wiederaufbau

Die wiederaufgebaute Altstadt um 1960
Marktplatz von Warschau
Der Barbakan von Warschau, dahinter der Kern der Altstadt

Die Warschauer, die nach dem 18. Januar 1945 zurückkehrten, fanden nur unbewohnbare Ruinen. In der Altstadt standen noch die dicken Erdgeschossmauern, aber die Obergeschosse waren fast alle eingestürzt. Doch bald begann der Wiederaufbau. Am einfachsten wäre es gewesen, die Ruinen zu räumen und neue Häuser serienmäßig zu errichten. Aber man entschied sich, die Altstadt und das Königsschloss originaltreu wiederherzustellen. Sie sollten ein Zeichen des Triumphes über die Besatzer darstellen. Der Wiederaufbau stand unter der Leitung von Jan Zachwatowicz. Schon am 14. Februar 1945 entstand das Büro für den Wiederaufbau der Hauptstadt. Glücklicherweise waren Vermessungszeichnungen aus der Vorkriegszeit im Archiv der Architekturfakultät des Polytechnikums gerettet worden. In den Jahren 1945–1947 wurden die Bürgerhäuserruinen um den Marktplatz vom Schutt befreit. Gleichzeitig wurden archäologische Ausgrabungen geführt. Unter dem bröckelndem Putz erschienen Fragmente gotischer Backsteinmauern und sogar ganze Spitzbögen. 1949 wurden einige wiederaufgebaute Häuser am Marktplatz dem Historischen Museum übergeben und die gestürzte Sigismund-Säule wieder errichtet. Die neue Ost-West-Straße, die am Rande der Altstadt verläuft, wurde neben dem Schlossplatz im Tunnel kollisions- und lärmfrei geführt.

Am 22. Juli 1953 wurde die Warschauer Altstadt feierlich eröffnet. Die Häuser erhielten das originaltreue Aussehen, aber im Inneren wurden kleine Wohnungen nach dem damaligen Standard eingerichtet. Einige Wohnungen wurden bekannten Künstlern zur Verfügung gestellt. Der Wiederaufbau der Altstadt wurde erst um 1955 endgültig beendet.

Der Wiederaufbau des Königsschlosses wurde wegen Geldmangels auf eine unbestimmte Zeit verschoben. Der Schutt wurde entsorgt, die Fundamente mit Erde verschüttet und mit Rasen bedeckt. Als der neue Parteisekretär Edward Gierek an die Macht kam, schlug er 1971 vor, den Wiederaufbau aus Spendengeldern zu finanzieren, was ihm eine allgemeine, aber kurzzeitige Sympathie brachte. Der Wiederaufbau dauerte etwa 17 Jahre. Es wurden die 1939 geretteten Details wiederverwendet. Im Königsschloss werden heute Kunstwerke aus den alten Sammlungen, wie die Warschauer Veduten von Bernardo Bellotto, gen. Canaletto, und auch neu gespendete Kunstobjekte ausgestellt. Die am Fuße des Schlosses befindlichen Kubicki-Arkaden bilden die Empfangshalle für Besucher und sind mit dem Erdgeschoss mit einer Rolltreppe verbunden.

Quellen

Weblinks

 Commons: Warschauer Altstadt – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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