Zerstörung Warschaus

Zerstörung Warschaus
Das zerstörte Warschau im Januar 1945

Die planmäßig durchgeführte Zerstörung der westlichen Stadtteile Warschaus durch die deutschen Besatzungstruppen geschah im Herbst 1944. Vorangegangen war die Niederschlagung des Warschauer Aufstandes. Im Rahmen des Aufstandes war es zu schweren Häuserkämpfen zwischen deutschen Einheiten und bewaffneten Formationen polnischer Zivilisten in den westlich der Weichsel gelegenen Stadtgebieten Warschaus gekommen. Die östlichen Stadtteile Warschaus waren bereits unter der militärischen Kontrolle der sowjetischen Roten Armee. Der Verlauf des Flusses Weichsel bildete zu diesem Zeitpunkt die Frontlinie zwischen den Kampfverbänden der deutschen Wehrmacht und denen der Roten Armee.

Inhaltsverzeichnis

Großflächige Abriss und Umbaupläne vor dem Krieg

Der Umbau Warschaus unter gleichzeitigem großflächigen Abriss von Teilen der Bausubstanz der polnischen Hauptstadt Warschau wurde auf deutscher Seite bereits vor Beginn des Zweiten Weltkrieges geplant. Als Hitler am 20. Juni 1939 ein Architekturbüro in Würzburg am Main besuchte, galt seine Aufmerksamkeit dem Projekt einer künftigen deutschen Stadtgestaltung – „Neue deutsche Stadt Warschau“. Nach dem sogenannten „Pabst-Plan“ sollte Warschau in eine deutsche Provinzstadt verwandelt werden. Unter anderem waren der Abriss ganzer Häuserblöcke mit dem Ziel der Schaffung großer Straßenachsen geplant, ähnlich wie bei den Germania-Konzeptionen für die deutsche Hauptstadt Berlin.

Nachwirkungen des Warschauer Aufstandes

Deportation von Zivilisten

1944 wurde in Pruszków ein großes Durchgangslager in den Bahn-Ausbesserungswerken (Zakłady Naprawcze Taboru Kolejowego) errichtet, um die Evakuierten, die von den Nazis aus Warschau deportiert wurden, unterzubringen. Im Laufe des Warschauer Aufstandes verbrachten die Deutschen schätzungsweise 555.000 der Stadtbewohner und 100.000 Zivilisten aus dem Umfeld in dieses Durchgangslager 121 (kurz: DuLag 121). Der SD und die SS trennten die Deportierten und legten ihr Schicksal fest. Schätzungsweise 650.000 Menschen passierten von August bis September das DuLag 121. Vermutlich 55.000 wurden in Konzentrationslager geschickt, davon 13.000 nach Auschwitz. Zu diesen gehörten Menschen verschiedenster sozialer Schichten und Berufe (Regierungsvertreter, Wissenschaftler, Künstler, Ärzte, Kaufleute und Arbeiter), in unterschiedlichstem körperlichen Zustand (Verletzte, Kranke, Behinderte und schwangere Frauen) und aus allen Altersgruppen, von wenige Wochen alten Säuglingen bis hin zu alten Menschen von 86 und mehr Jahren. In einigen Fällen handelte es sich dabei auch um Menschen unterschiedlichen ethnischer Hintergrunds, einschließlich Juden, die mit „Ariernachweis“ lebten.[1]

Einige Menschen versteckten sich in der ausgestorbenen Stadt. Man nannte sie „Robinsons“ (nach Robinson Crusoe) oder „Höhlenmenschen“. Die Deutschen nannten sie vor allem „Ratten“ und ermordeten sie, wenn sie in den Ruinen der Stadt gefunden wurden. Der bekannteste dieser „Robinsons“ war Władysław Szpilman (Protagonist des Filmes Der Pianist). Seine Memoiren wurden von Chaim Itsl Goldstein unter dem Titel „The Bunker“ veröffentlicht.

Plünderung und Zerstörung von Gebäuden

Deutscher Flammenwerfertrupp in Warschau

Nachdem die übrig gebliebene Bevölkerung geflohen oder deportiert worden war, begannen Verbände der Wehrmacht mit der systematischen Zerstörung der Überreste der westlichen Stadtteile.[2] Pioniereinheiten der Wehrmacht wurden durch die Stadt gesandt, um die dort, nach den Kampfhandlungen, noch stehenden Gebäude niederzubrennen und abzureißen. Nach unterschiedlichen Planungsansätzen sollte Warschau nach einem hypothetischen deutschen Sieg im Zweiten Weltkrieg in ein militärisches Zwischenlager[3] oder einen See umgewandelt werden.[4] Im Rahmen der Großoffensive der Roten Armee im Januar 1945 wurde durch diese auch das gesamte Stadtgebiet von Warschau eingenommen, damit waren sämtliche weiteren deutschen Planungen hinfällig geworden. Die Abrisstruppen verwendeten Flammenwerfer und Sprengsätze, um kontinuierlich Haus für Haus zu zerstören. Besondere Aufmerksamkeit schenkten sie historischen Monumenten, polnischen Nationalarchiven und Orten besonderen Interesses.[5]

Die Bank Polski zeigte 2004 immer noch die Narben des Aufstandes. Die helleren Steine wurden beim Wiederaufbau des Gebäudes 2003 eingefügt.

Im Januar 1945 waren rund 85 % der Gebäude zerstört, 10 % als Folge des Polenfeldzuges von 1939 und anderer Kampfhandlungen, 15 % als Folge des Aufstandes im Warschauer Ghetto, 25 % nach dem Warschauer Aufstand und 35 % infolge systematischer deutscher Zerstörungsaktionen nach dem Aufstand.[2]

Die Verluste werden auf 10.455 Gebäude, 923 historische Gebäude (94 %), 25 Kirchen, 14 Büchereien einschließlich der Nationalbibliothek, 81 Grundschulen, 64 Sekundarschulen sowie die Universität Warschau, die Technische Universität Warschau und die meisten der historischen Denkmäler geschätzt.[2] Fast eine Million Einwohner verloren ihren gesamten Besitz.[2] Die exakten Verluste von privatem und öffentlichem Eigentum, wie beispielsweise Kunstwerke, kulturelle und wissenschaftliche Errungenschaften, ist unbekannt. Studien der späten 1940er Jahre schätzen den Schaden auf etwa 30 Milliarden US-Dollar.[6] 2004 richtete der Bürgermeister Warschaus, Lech Kaczyński eine historische Kommission ein, die die Schäden am öffentlichen Eigentum schätzen sollte, die der Stadt allein von den deutschen Behörden zugefügt wurden. Sie schätzte den Schaden auf mindestens 31,5 Milliarden US-Dollar.[7] Später wurden diese Schätzungen auf 45 Milliarden (2005) und 54,6 Milliarden US-Dollar (beim Wechselkurs von 2004) erhöht.[8]

Die Zerstörungen waren so schwerwiegend, dass beim Wiederaufbau der historischen Altstadt Warschaus ein detaillierter Stadtplan, der vor der Teilung Polens im 18. Jahrhundert von der Regierung in Auftrag gegeben und von den italienischen Künstlern Marcello Bacciarelli und Bernardo Bellotto, die dort auch eine Kunstschule betrieben, gezeichnet wurde, als Modell für das Wiederherstellen der meisten Gebäude verwendet werden musste.

Am 4. September wurde das Königsschloss zerstört. Im Oktober erfolgte die Brandschatzung der polnischen Nationalbibliothek, wodurch ein großer Verlust an historischen Manuskripten entstand. Am 18. Dezember wurde das Brühlsche Palais und am 27. Dezember das Sächsische Palais vernichtet. Der Łazienki-Palast brannte im Dezember mit rund 1.000 Löchern in seinen Wänden, die Konstruktion hielt dennoch Stand. Die Zerstörungen wurden von Alfred Mensebach und einer Reihe von Kamerateams dokumentiert.

Die Stadt Warschau wurde wieder aufgebaut, wobei die Altstadt rekonstruiert wurde und die Neustadt weitgehend in ihrem früheren Zustand wiederhergestellt wurde.

Literatur

  • Gera, Vanessa: Warsaw bloodbath stirs emotions. In: Chicago Sun-Times, 1. August 2004.
  • Gessner, Peter K. (2000): For over two moths …. [Stand: 13. August 2009].
  • Gutschow, Niels; Klain, Barbarta: Vernichtung und Utopie: Stadtplanung Warschau 1939–1945. Hamburg: Junius, 1994, ISBN 3-88506-223-2.
  • Pamięci, Księga: Transporty Polaków z Warszawy do KL Auschwitz 1940–1944. o. O.: o. V., o. J.
  • Tung, Anthony M.: Preserving the world’s great cities: The Destruction and Renewal of the Historic Metropolis. New York: Three Rivers Press, 2001, ISBN 0-517-70148-0.
  • Wituska, Krystyna; Tomaszewski, Irene: Inside a Gestapo Prison: The Letters of Krystyna Wituska, 1942–1944. Detroit: Wayne State University Press, 2006, ISBN 0-814-33294-3.
  • Straty wojenne Warszawy 1939–1945. Raport. Zespół Doradców Prezydenta miasta stołecznego Warszawy, Warszawa 2004

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pamięci (o. J.): keine Seitenangabe
  2. a b c d FAQ zum Warschauer Aufstand (Stand: 13. August 2009)
  3. Wituska, Tomaszewski (2006): Seitenangabe fehlt
  4. Gessner (2000)
  5. Tung (2001): Seitenangabe fehlt
  6. Gera (2004): Seitenangabe fehlt
  7. Warszawa szacuje straty wojenne. (Stand: 16. März 2007)
  8. Unterseiten der offiziellen Homepage Warschaus: Raport o stratach wojennych Warszawy LISTOPAD 2004, Straty Warszawy w albumie. und Straty wojenne Warszawy. (Stand: 13. August 2009)

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