Wartburg-Fest

Wartburg-Fest
Zug der Studenten auf die Wartburg 1817

Wartburgfest ist der Name mehrerer, zumeist studentischer Versammlungen, die jeweils auf der Wartburg bei Eisenach in Thüringen stattfanden. Historische Bedeutung besitzen vor allem die ersten beiden Wartburgfeste von 1817 und 1848.

Inhaltsverzeichnis

Erstes Wartburgfest

Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon hoffte das Volk vor allem auf die erneuerte deutsche Reichseinheit, die sich nach dem Wiener Kongress 1815 als Illusion erwies. Die im Artikel 13 der Bundesakte (im Wortlaut: „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.“) versprochenen Verfassungen wurden nur nach und nach in den deutschen Staaten umgesetzt; so erhielt z.B. Sachsen-Weimar-Eisenach (seit 1815 auf dem Wiener Kongress zum Großherzogtum aufgestiegen) am 5. Mai 1816 als einer der ersten deutschen Staaten durch Carl August eine teils altständische, teils moderne Verfassung, die als erste in der deutschen Geschichte die vollständige Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschloss. Die Jenaer Studenten – zuvor in den traditionellen Landsmannschaften organisiert – gründeten 1815 die Urburschenschaft, um die deutsche Einheit und v.a. die 'Tugenden der Nation' an der Universität vorzuleben. Viele von ihnen hatten als Freiwillige (Lützowsches Freikorps) aktiv an den Feldzügen gegen Napoleon teilgenommen.

Anlässlich des 300. Jahrestages des Thesenanschlags Martin Luthers (31. Oktober 1517) und im Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) lud die Jenaer Burschenschaft Vertreter deutscher Universitäten am 18. Oktober 1817 auf die Wartburg bei Eisenach ein. Fünfhundert Studenten, das waren etwa ein Achtel der damaligen akademischen Jugend, erschienen; die Burschen kamen aus allen Teilen Deutschlands, die nördlichste vertretene Hochschule war die Universität Kiel. In der Folge des Wartburgfestes einigte man sich auf die Gründung einer Allgemeinen Deutschen Burschenschaft als Gesamtverband.

Die 500 Studenten (sowie einige Professoren) demonstrierten gegen die reaktionären Kräfte in den wieder entstandenen deutschen Kleinstaaten, für einen Nationalstaat und eine freiheitliche Verfassung. Ihr Wahlspruch war: Ehre, Freiheit, Vaterland. Ihre Fahne hatte als erste die Farben Schwarz-Rot-Gold, welche auf die Uniformfarben des Lützowschen Freikorps in den Freiheitskriegen gegen Napoleon zurückgehen. Deren Uniform war schwarz mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen. Von der Jenaer Burschenschaft wurde zum Fest eine dreibahnige rot-schwarz-rote Fahne mit einem goldenen Eichenzweig auf dem schwarzen Streifen mitgeführt, die sie am 31. März 1816 erhalten hatte und die sich heute im Jenaer Stadtmuseum befindet. Eine Replik ist im Festsaal auf der Wartburg zu besichtigen.

Bücherverbrennung

Einen besonderen Punkt bildete die Verbrennung von symbolhaften Gegenständen und Büchern (siehe auch: Bücherverbrennung), bei der unter Anleitung von Hans Ferdinand Maßmann und mit Billigung des abwesenden geistigen Vaters Friedrich Ludwig Jahn auf dem nahe gelegenen Wartenberg unter anderem ein Code Napoléon, das wegweisende französische Bürgerliche Gesetzbuch von 1804, die „Geschichte des deutschen Reichs“ des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue, die „Germanomanie“ des jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, eine preußische Ulanenuniform, ein hessischer Soldatenzopf und ein österreichischer Korporalstock unter allgemeinem Jubel den Flammen überliefert wurden (siehe Liste der verbrannten Bücher 1817). Verbrannt wurden übrigens keine Originalbücher, was wohl für die Studenten zu kostspielig gewesen wäre, sondern entsprechend gekennzeichnete Makulaturballen.

Für die reaktionären Herrscher waren das Fest und die Ermordung von August von Kotzebue durch Karl Ludwig Sand 1819 willkommene Gelegenheiten, gegen liberale Kräfte im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse vorzugehen.

Das erste Wartburgfest in den Medien und in der Literatur

Der Jenaer Medizinprofessor Lorenz Oken, gleichzeitig Herausgeber der Zeitschrift Isis oder Encyclopädische Zeitschrift, hatte am Wartburgfest mit einigen anderen interessierten Professoren teilgenommen und daraufhin in seiner Zeitschrift in einem mehrseitigen Artikel darüber berichtet. So zitierte er einige studentische Redner:

Bedenkt aber, überlegt nur, was ein Student ist. Macht euch klar, dass in dem Augenblick, wo ihr euch zum Studieren entschließet, euch ganz Deutschland geöffnet ist. Der Studierte, sey er her, wo er wolle, kann sein Geschäft und seine Anstellung in Oestreich, Preußen, Bayern, Hannover, Sachsen, in Schwaben, Franken, Thüringen, Hessen, Mecklenburg, Holstein, am Rhein oder in der Schweiz finden. Er spricht nicht mehr die Sprache seines Dorfes, seiner Stadt; er versteht nicht dieses oder jenes Handwerk, was an eine bestimmte Werkstätte oder an die Scholle fesselte; er ist ein universaler Mensch! Eine Schande ist es, durch Studieren es nicht weiter gebracht zu haben, als ein Thüringer, ein Hesse, ein Franke, ein Schwabe, ein Rheinländer geblieben zu seyn. Eine Schande ist es, darauf sich etwas einzubilden, dass man nichts weiter als ein Provinzial-Landsmann geworden ist. Sprecht ihr denn Provinzial-Sprachen? Lebt ihr nach Provinzial-Sitten? Nein! Ihr werdet roth, dass man so etwas einen Studierten nur fragen kann.
[…]
Nicht die Weißen sollen Schwarze, nicht die Schwarzen Weiße, nicht die Wildhessen Althessen, nicht die Bayern Franken, die Thüringer Schwaben, die Mecklenburger Lievländer usf. werden; sondern ihr sollt nur, auch durch eure Einrichtung das werden, was ihr alle als Studenten seyd, Universale. – Die Universalität erstreckt sich aber nicht auf die ganze Welt. Ihr lernt auf den Universitäten nicht französische, englische, spanische, russische, türkische Sitte und Wissenschaft; ihr könnt und wollt, (und das deutsche Volk will samt seinen Fürsten), nichts anderes werden, als gebildete Deutsche, die sich alle gleich sind, und deren Geschäft überall frey ist.“ [1]

Oken bekam aufgrund dieser Veröffentlichung politische Schwierigkeiten, die Auflage seiner Zeitschrift wurde beschlagnahmt. Im Jahre 1819 wurde Oken gar vor die Wahl gestellt, entweder seine Herausgebertätigkeit oder seine Professur aufzugeben. Er ließ jedoch von seiner Zeitschrift nicht ab und verzichtete auf das Professorengehalt.

Heinrich Heine, der in Bonn und Göttingen 1819/1820 der jeweiligen Burschenschaft angehört hatte und auf der Wartburg nicht dabei gewesen war, äußerte sich mit einigem zeitlichen Abstand zum Wartburgfest:

Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (...) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte als Bücher zu verbrennen! Ich sage Unwissenheit, denn in dieser Beziehung war jene frühere Opposition, die wir unter dem Namen »die Altdeutschen« kennen, noch großartiger als die neuere Opposition, obgleich diese nicht gar besonders durch Gelehrsamkeit glänzt. Eben derjenige, welcher das Bücherverbrennen auf der Wartburg in Vorschlag brachte, war auch zugleich das unwissendste Geschöpf, das je auf Erden turnte und altdeutsche Lesarten herausgab: wahrhaftig, dieses Subjekt hätte auch Bröders lateinische Grammatik ins Feuer werfen sollen!“[2]

Das Zitat Heines „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." bezieht sich - entgegen einem weit verbreiteten Glauben - nicht auf die Bücherverbrennung während des Wartburgfestes 1817, sondern auf eine Verbrennung des Koran während der Eroberung des spanischen Granada durch christliche Ritter in seiner Tragödie „Almansor“ (1821, Wortlaut siehe Bücherverbrennung).

Zweites Wartburgfest 1848

Das Zweite Wartburgfest vom 12. Juni 1848 steht von der Bekanntheit her hinter dem ersten Wartburgfest des Jahres 1817 zurück. Pfingsten 1848 ging es um die zukünftige Verfassung der deutschen Universitäten. Dazu trafen sich studierende Vertreter fast aller deutschen Hochschulen, die damals im wesentlichen Studentenverbindungen angehörten, die allerdings untereinander durchaus nicht einig waren. Vom Historiker Paul Ssymank wurden die Teilnehmer in einen konservativen Flügel, bestehend aus 400-500 Angehörigen der alten Corps, des Wingolf und der teutonischen Burschenschaften, und einen linken Mehrheitsflügel, bestehend aus etwa 600-700 studierenden Angehörigen der dem Progress zuneigenden Burschenschaften und Corps, der Finkenschaft und österreichische wie süddeutsche Studenten unterteilt.

Beseelt von Idealismus, dem Wunsch nach akademischer Freiheit und vor dem Hintergrund der Romantik, forderten die Studenten von der Frankfurter Nationalversammlung die Überführung der Universitäten in Nationaleigentum unter gesamtstaatlicher Finanzierungsverantwortung in akademischer Selbstverwaltung.


(Drittes) Wartburgfest 1948

DDR-Briefmarke zum Wartburgfest.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand im Mai 1948 erneut ein „Wartburgfest der deutschen Studentenschaft“ in Eisenach statt, das mit dieser Namensgebung die geistige Tradition der beiden Vorläufer für sich reklamierte. Allerdings stand diese Veranstaltung bereits im Zeichen der fortschreitenden Spaltung Deutschlands, da es zeitgleich zu einem „Deutschen Studententag“ anlässlich der Wiedereröffnung der Frankfurter Paulskirche stattfand. Dieser war Anfang 1948 auf einem Interzonalen Studententag in Berlin von Vertretern aller vier Besatzungszonen verabredet worden und galt zugleich als letztes Vorbereitungstreffen für die schließlich im Januar 1949 erfolgte Gründung des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS). Allerdings blieben die zu dieser Zeit bereits von der SED dominierten Studentenräte der sowjetischen Besatzungszone dem Frankfurter Treffen demonstrativ fern und luden statt dessen die westdeutschen Hochschulen nach Eisenach ein. Laut FDJ-Zeitschrift „FORUM“ nahmen seinerzeit auch rund 100 Studenten aus den Westzonen sowie erstmals „fünfzig Vertreter der werktätigen Jugend“ an dem Treffen teil, außerdem mehrere hochrangige Partei- und Staatsvertreter der Ostzone, darunter der thüringische Ministerpräsident Werner Eggerath und Volksbildungsministerin Marie Torhorst (beide SED).

Heutige Wartburgfeste

Seit der deutschen Wiedervereinigung führen sowohl der Wingolfsbund als auch die Deutsche Burschenschaft wieder regelmäßige Wartburgfeste in Eisenach durch. Zuvor hatten diese Veranstaltungen aufgrund der deutschen Teilung an verschiedenen Orten in der damaligen Bundesrepublik stattgefunden.

Siehe auch

Literatur

Zum Wartburgfest 1817:

  • Ernst Jung: Wartburgfest 1817: Aufbruch zur deutschen Einheit. Stuttgart:Landeszentrale für politische Einheit, 1991.
  • Klaus Malettke (Hrsg.): 175 Jahre Wartburgfest: 18. Oktober 1817 – 18. Oktober 1992. Heidelberg:Winter, 1992, ISBN 3-533-04468-8
  • Bernhard Sommerlad: Wartburgfest und Corpsstudenten, in: Einst und Jetzt Band 24 (1979), Seiten 16-42.
  • Günter Steiger: Aufbruch: Urburschenschaft und Wartburgfest, Leipzig:Urania 1967.

Zum Zweiten Wartburgfest 1848:

  • Max Friedländer, Robert Giseke (1848): Das Wartburgfest der deutschen Studenten in der Pfingstwoche des Jahres 1848, Leipzig
  • Friedrich Schulze, Paul Ssymank: Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart 1931, München 1932. Seiten 264-268.
  • Eckhard Oberdörfer: Das zweite Wartburgfest, die Rostocker Studenten und die Universitätsreform, in Einst und Jetzt Band 47, Seite 73 (80 ff.).

Zum Wartburgfest 1948:

  • Detlev E. Otto: Studenten im geteilten Deutschland. Ein Bericht über die Beziehungen zwischen den Studentenschaften in Ost- und Westdeutschland 1945 bis 1958, hrsg. vom Verband Deutscher Studentenschaften, Bonn 1959 (hier insbes. S. 21 f.).

Quellen

  1. Lorenz Oken in: Isis oder Encyclopädische Zeitschrift, 1817
  2. Ludwig Börne. Eine Denkschrift, Viertes Buch, 1840

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