- Webtypographie
-
Webtypografie ist der Versuch, die für die Wiedergabe auf Papier in Jahrhunderten erarbeiteten typografischen Regeln auf Publikationen in elektronischen Medien – vor allem aber geeignet für das Internet – zu übertragen. Sie ist das Teilgebiet des Webdesigns, das sich mit den Text-Anteilen beschäftigt. Ausgehend von den bekannteren papierorientierten Techniken werden die Unterschiede herausgearbeitet.
Unter Typografie für den Webtext wird die praktische Umsetzung der Webtypografie auf konkrete Gestaltungselemente beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Unterschiede zwischen Papier- und Web-Typografie
Der wesentliche Unterschied zur Papier-Typografie ist:
- Internet-Dokumente sind dynamisch,
- Papier-Dokumente sind statisch.
Eine Publikation auf Papier wird einmalig gestaltet und ist dann unveränderlich. Bei der Reproduktion wird allenfalls aus einer farbigen Vorlage eine Schwarz-Weiß-Kopie, ansonsten liegen Layout, Schriftbild, Zeilenumbruch usw. vollständig in der Hand der Gestalter (früher: des Setzers).
Im Gegensatz dazu können Web-Autoren nur die Textinhalte verfügbar machen. Sie können mit Auszeichnungssprachen (praktisch durchgehend: HTML/XHTML) und „style sheets“ (beispielsweise CSS) Hinweise geben, wie ihr Text beim Empfänger dargestellt werden sollte. Ob dies aber tatsächlich geschieht, ob dies dem Empfänger überhaupt möglich ist, darauf haben Web-Autoren keinen Einfluss.
Beispiele für unterschiedliche Situation beim Empfänger:
- Bildschirmgröße (PDA), Auflösung
- Farbdarstellung möglich?
- Optische Darbietung oder akustisch („Hörbuch“, Sehbehinderung)
- Software-Einstellungen und -Installationen (Browser: Anbieter XY Version 98.76 mit verfügbaren Schriftarten DEF, GHI und Zeichenvorrat JKL-56)
Das Konzept der PDF-Dokumente (in Normaldarstellung) nimmt eine Sonderstellung ein. Nach sachgerechter Erstellung wird auf elektronischem Weg ein statisches Dokument transportiert, bei dem alle Gestaltungsfragen (wie auch Silbentrennung, Schriftarten, Layout) unabhängig von den Gegebenheiten des Empfängers sind. Sie fallen daher nicht unter die Webtypografie.
Gute Webtypografie
Einige Leitlinien für die Gestaltung sind:
- „Inhalt geht vor Form“. Zu diesem oft missverstandenen Slogan sei angemerkt, dass Inhalt und Form nicht voneinander getrennt werden können, da die Form das Medium des Inhaltes ist. Besonders komplexe Inhalte erfordern gerade auf Grund der Unvorhersehbarkeit der Darstellung in verschiedenen Browsern eine sorgfältige, fachmännische Gestaltung. (siehe auch Form follows function)
- Benutzerpräferenzen gehen vor Autorenwünsche. Auch diese Aussage ist nicht unproblematisch, denn es ist auch das Kommunikationsanliegen des Website-Betreibers zu berücksichtigen. Außerdem ist im konkreten Fall schwer auszumachen, wie die Benutzerpräferenzen eigentlich sind bzw. ob sie den Autorenwünschen entgegen stehen. Oft werden dabei Benutzergewohnheiten mit Benutzerpräferenzen verwechselt. Insofern der Autor ein Kommunikationsfachmann ist, hat seine Einschätzung natürlich Gewicht, da er sozusagen der Anwalt der Benutzer und des Betreibers ist. Die Technik muss sich dem kommunikativen Anliegen unterordnen können, sonst ist sie ungeeignet.
- Dynamische Anpassung an die Möglichkeiten des Benutzers, wobei abzuwägen ist, inwiefern die dynamische Anpassbarkeit nicht auch ein Nachteil ist, da mehr Möglichkeiten auch mehr Konfigurationsaufwand bedeuten können. Optimal sind Gestaltungen, die keiner Anpassung bedürfen. Etwas mehr Statik kommt auch dem Bedürfnis nach Orientierung entgegen.
- Reduzierte Minimaldarstellung sollte immer möglich sein; anspruchsvollere Darstellungen sind Optionen. Dies hängt ebenfalls vom Kommunikationsanliegen des Site-Betreibers ab. Außerdem ist dies auch eine Kostenfrage. Einige Browser bieten außerdem von sich aus die Möglichkeit, vorgegebene Stile zu umgehen um eigene zu verwenden. Von dieser Option wird allerdings nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht, da die meisten Menschen reduzierte Minimaldarstellungen nicht benötigen.
- Längerfristig für viele Leser gültigen Textinhalt nicht auf die kurzlebige spezifische Version einer bestimmten Software ausrichten.
- Kompromiss zwischen den Ansprüchen der Publizierenden und der momentan weit überwiegend eingesetzten Technik bei den Lesern; ggf. spätere automatische Reformatierung bei Verbreitung des technischen Fortschritts einplanen.
- So wenige direkte Formatierungsanweisungen wie möglich, so viele wie nötig.
Häufige Irrtümer
Verbreitet ist der – aussichtslose – Versuch, bei all diesen Empfängern zu erzwingen, dass das Erscheinungsbild des Textes haargenau dem gleichen müsse, das der Web-Autor bei der Erstellung sieht. Schlimmer noch – dass der Text überhaupt erst dann lesbar und verständlich wird, wenn die Leser exakt die gleichen technischen Gegebenheiten herstellen, wie sie beim Web-Autor vorhanden waren. Dazu werden komplizierte Browserweichen eingebaut, die eine Darstellung des Textes nur dann ermöglichen, wenn bestimmte Software-Versionen installiert sind, oder die für jede dem Publizierenden bisher bekannte Browser-Version eine spezifische Umformatierung vornehmen.
Oft fehlen Ersatzdarstellungen, die eine weniger anspruchsvolle Aufbereitung bei fehlenden Darstellungsmöglichkeiten auf der Empfängerseite sicherstellen.
Ein anderes Problem ist die fehlerhafte Verwendung von Zeichen. Jedes beim elektronischen Publizieren verwendete Zeichen hat eine numerische Kodierung, aus der international einheitlich (Unicode) die Bedeutung folgt bzw. Bedeutungen folgen. Diese Zeichenkodierung wird auf der Betrachterseite mittels der dort konfigurierten Schriftarten in ein optisches Muster überführt und auf dem Ausgabemedium (Bildschirm, ggf. Ausdruck) angezeigt. Häufig werden von Web-Autoren Zeichen mit falscher Bedeutung (sogar bewusst falsch) eingesetzt, die auf dem System des Autors mit dort installierten Schriftarten einen gefälligeren Eindruck machten – in der Welt vieler Empfänger jedoch ganz anders aussehen und zu Verwirrung führen.
Abgesehen davon wird bei der automatisierten Interpretation digital kodierter Texte (beispielsweise durch Suchmaschinen, Sprachsynthese, Übersetzungsprogramme, Rechtschreibprüfung usw.) durch falsch eingesetzte Zeichenkodierungen die Verarbeitung zumindest erschwert.
Stilistische und ästhetische Aspekte
Ein Vorteil gegenüber Printmedien ist die Möglichkeit über Links schnell zu bestimmten Inhalten und wieder zurück zu springen.
Aufgrund der zur Zeit noch wesentlich schlechteren Auflösungen von Bildschirmen gegenüber Printmedien wird die Aufmerksamkeit des Leser stärker beansprucht. Deshalb müssen typografische Gepflogenheiten, die für eine Zeitung oder ein Buch sehr sinnvoll sind, nicht zwingend die beste Lösung für einen größeren Text im Internet sein. Am deutlichsten tritt das bei der Wahl der Schriftart hervor: Für die Bildschirmdarstellung gelten statische und geometrische Groteskschriften (ohne Serifen) als besser lesbar (siehe Bildschirmschrift). Das schließt nicht aus, dass besondere Texte auch besonders gestaltet werden: Die Internetpräsenz einer Kunstgalerie oder einer Werbeagentur kann besonderen Wert auf künstlerische Gestaltung legen, und die Corporate Identity eines Unternehmens kann individuelle Stilmittel erfordern. Je umfangreicher und informationsbetonter ein Text ist, desto mehr sollte aber auf die Ermüdung der Leser Rücksicht genommen werden.
- Hypertexte, interaktive Funktionen, Dynamik, Multimedia-Elemente eröffnen eigene Gestaltungswelten.
Layout
Ein Teil der typografischen Gestaltungsanstrengungen zielt auf die ästhetische Gestaltung einer Papierseite, eine harmonische Verteilung von Text- und Grafikblöcken.
Da Format und Ausschnitt eines Bildschirmfensters aber nicht sinnvoll vorbestimmt werden können, sind diese Überlegungen nur auf sehr kleine Texte anwendbar, die nach Art eines Popup-Fensters fest formatiert in einem gesonderten Fenster mit vorher festgelegter Höhe und Breite dargestellt würden. Popup-Fenster sind jedoch sehr unbeliebt bei Lesern von Internet-Texten, würden wie Werbung ungelesen wieder weggeklickt oder werden ggf. von vornherein nicht zugelassen. Webtypografie muss eher versuchen, buchstäblich „im Rahmen“ der möglichen sinnvollen Fensterbreiten bei relativ beliebiger Fensterhöhe für jede Position des Fensterausschnitts über dem Text ansprechende Resultate zu erreichen.
Zu unterscheiden wären Seiten
- mit wenig Text, bei denen sich eine geringe Anzahl von Textelementen ansprechend verteilen lässt.
- Beispielsweise eine „echte“ Homepage einer Domäne nach Art einer Visitenkarte, bei der eine aufwändigere Gestaltung sinnvoll ist.
- mit viel Text, bei denen eine gute Lesbarkeit im Vordergrund steht.
- Ausgefeilte Vorgaben für das Erscheinungsbild können zu technischen Problemen führen und die Darstellung beim Leser eher stören.
Siehe auch
Weblinks
- Zehn wichtigste Fehler im Webdesign (englisch)
- Dissertation zum Thema Browser-Typografie (Untersuchungen zur Lesbarkeit von Schrift im World Wide Web, November 2006)
Wikimedia Foundation.