Weißer Turm (Darmstadt)

Weißer Turm (Darmstadt)
Weißer Turm in Darmstadt (September 2007)

Der Weiße Turm ist ein Wahrzeichen der Stadt Darmstadt und ein ehemaliger Eckturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Der Weiße Turm wurde als Wehrturm und Teil der Stadtbefestigung erbaut. Nachdem die Stadtmauer ihren Wert zur Verteidigung der Stadt verloren hatte, wurde der Turm im Jahre 1704 zum Glockenturm umgestaltet und erhielt weitgehend sein heutiges Aussehen. Der Turm wurde bei einem Luftangriff vom 11. September 1944 weitgehend zerstört und seit dem Jahr 1949 aus den Ruinen wieder aufgebaut. Zurzeit wird er von einem Freundeskreis betreut, welcher regelmäßige Führungen anbietet. Gleichzeitig dient er seit 1997 als Galerie.

Der Turm hat eine Höhe bis zur Spitze von 39,75 m, der Turmdurchmesser beträgt 6 m. Vom Eingang bis zu dem Glockenstuhl führen 125 Stufen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Stadtrechte, Stadtmauer und Turmbau

Der Graf Wilhelm I. von Katzenelnbogen erhielt am 23. Juli 1330 von Kaiser Ludwig der Bayern für seinen Ort Darmstadt die Stadtrechte, damit waren das Markt- und Befestigungsrecht (also der Bau einer Mauer mit einem Graben um die Siedlung) verbunden. Die Baumaßnahmen setzten in diesen Jahren ein, bereits im Jahre 1418 belohnte Johann IV. von Katzenelnbogen die Bürger der Stadt Darmstadt in Anbetracht der schweren und getreuen Dienste, die sie ihnen bei ihren Bauten zu Darmstadt bisher geleistet hatten“ durch die Befreiung für die nächsten 10 Jahre von einigen Steuern und Abgaben.

Im ersten Bauabschnitt wurde mit der Errichtung einer ungefähr ein Meter dicken und bis zu acht Meter hohen innere Mauer mit Wehrgang begonnen, um anschließend die äußere, nur etwa halb so dicke und niedrigere Mauer und den Zwingerbereich zu errichten. Daran schloss sich als letzter Abschnitt der vorgelagerte Graben mit Wall und Palisaden an. Beide Mauern waren an wichtigen Stellen und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch Türme gesichert, die innere Mauer durch hohe Rund- oder Ecktürme, die äußere Mauer durch niedrigere Halbschalentürme. Als Turm der inneren Mauer ist der Weiße Turm grundsätzlich der ersten Bauphase zuzuordnen.

Strategische Bedeutung

Der Weiße Turm stand im Mittelalter an einer strategisch wichtigen Stelle an der Südwestecke des Darmstädter Mauerrings, da die Stadtmauer, im leichten Bogen an der Stadtkirche und den Häusern des westlichen Marktplatzes vorbeiziehend, hier in scharfem Winkel zum Schloss hin abknickte. Die Stadtbefestigung wurde in den Jahren nach 1449 mit dem Um- und Ausbau des Schlosses erweitert, nachdem Graf Philipp der Ältere von Katzenelnbogen seinem Sohn Philipp dem Jüngeren und dessen Gattin Ottilie von Nassau Burg und Stadt Darmstadt auf Lebenszeit als feste Residenz einräumte. Auf Gemälden von Rodingh (1678) und Merian (1646) ist die noch vollständig erhaltene Stadtmauer zu sehen. Im 16. und 17. Jahrhundert hatte sie mit dem Aufkommen der Feuerwaffen ihre militärische Bedeutung verloren und begann zu verfallen.

Beseitigung der Stadtmauer

Erste Teile im Westen der Stadt wurden 1693 auf Anordnung französischer Truppen niedergerissen. Die Mauer im Westen und Süden Darmstadts verschwand allmählich bis auf geringe Reste aus dem Stadtbild. Damit verlor auch der Weiße Turm seine Bedeutung als Teil der Stadtbefestigung.

Nutzung als Gefängnis

Im Erdgeschoss mit seinen 1,75 Meter dicken Mauern und im Keller barg der Weiße Turm zwei Verliese mit einer Fläche von je vier Quadratmetern, deren Nutzung als Gefängnis sich nur aus einer kurzen Aktennotiz aus dem Jahr 1699 ableiten lässt. Als Gefängnis wurde neben dem Dachgeschoss des Rathauses und dem Runden Turm auch das Neue Tor genutzt.

Turmwächterwohnung

Über den Verliesen befand sich eine Turmwächterwohnung, die aus einer Wohnstube und einer kleinen Kammer bestand. Hier wohnte der Aufseher über die Uhr, der auch die Glocken zu läuten hatte. Die Turmwächterwohnung war zunächst nur über einen an den Turm angebauten Adelshof zugänglich. Vermutlich war ein Stück des alten Wehrgangs in den Anbau an den Turm integriert. 1704 wurde ein kleiner Treppenturm angebaut. Später wurde dieser Turm bei einem Umbau in den Westflügel des Hofes einbezogen.

Uhr- und Glockenturm

Der Alte Turm hinter dem Alten Fürstenhof wie der Weiße Turm damals hieß, wurde 1704 von Baumeister Erich Philipp von Ploennies um ein Stockwerk erhöht, ringsherum geschlossen, mit einem Kuppeldach versehen und in einen Uhr- und Glockenturm für die Bewohner der neuen Vorstadt umgewandelt. Die Umbaukosten betrugen 1.178 Gulden. Seit 1738 wurde er Weißer Turm genannt. Der aus Gießen stammende Glockengießer Johannes Henschel goss zwei neue Glocken. Eine von ihnen, die so genannte Silberglocke, war eine Totenglocke. Die kleinere Glocke diente zum Viertelstundenschlag. Die Silberglocke wurde geläutet, wenn ein Mitglied des Hauses Hessen-Darmstadt gestorben war, erstmals beim Tod der Landgräfin Dorothea Charlotte im November 1705, dann 1768 beim Tode Ludwigs VIII., 1774 beim Tode der Großen Landgräfin Karoline, letztmals beim Tod des Prinzeßchens Elisabeth 1903. Im 19. Jahrhundert wurde aber auch für hohe Offiziere und Hofbeamte geläutet, wie auch zum Geburtstag und zum Namenstag des Großherzogs.

Das Umfeld des Weißen Turms

Weißer Turm um das Jahr 1800
Weißer Turm um das Jahr 1863

Nach dem Brand im Schloss im Jahre 1715 wurde die Kanzlei in den Alten Fürstenhof eingelagert, der mit dem Weißen Turmbaulich verbunden war. 1782 zogen Hauptkriegsmagazin und Hauptkriegskasse dort ein. Der Kaufmann Gottfried Schwab erwarb das Gebäude 1825 und errichtete für sein Kaufhaus 1869 einen Neubau. Bei dieser Gelegenheit wurde der Weiße Turm freigestellt, der kleine Treppenturm abgerissen und 1871 der Turmeingang an die heutige Stelle verlegt, wobei das obere Verlies zum Eingangsraum wurde (durch Einbau einer Wendeltreppe).

1929 erwarb Siegmund Rothschild das Schwabsche Kaufhaus und verband es mit seinem um die Ecke am Markt liegenden Gebäude zum heutigen Komplex Henschel & Ropertz. Von dem unmittelbar daneben liegenden, heute noch bekannten Spielwarengeschäft von David Faix, das sich im Jahre 1866 hier ansiedelte, erhielt die Ecke am Weißen Turm im Volksmund den Namen Faixe Eck.

Freistellung des Turms im Jahre 1886

Seit 1863 wurde vom Ludwigsplatz her die Ernst-Ludwig-Straße erschlossen. Das letzte Stück der alten Stadtmauer am Weißen Turm fiel erst 1886 im Zuge der Vollendung des Ausbaus. Erst seit dieser Zeit steht der Weiße Turm mitten auf der Straße. Darmstädter Geschäftsleute, die in ihm ein Hindernis der wirtschaftlichen Entwicklung sahen, setzten sich für den Abriss ein. 1872, nach der Freistellung des Turms, bewilligte der Hessische Landtag 1000 Gulden für die Reparatur arbeiten. Obwohl der Turm im späten 19. Jahrhundert einen eher heruntergekommenen Eindruck machte, mauserte er sich zum Darmstädter Wahrzeichen. Zum Verkehrshindernis wurde der Turm erst, als am 14. Oktober 1903 die Straßenbahnlinie durch die Ernst-Ludwig-Straße eröffnet wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach der Darmstädter Brandnacht stand nur noch die Außenhaut des Weißen Turms. 1947 wurde von der Stadtverordnetenversammlung der Abriss beschlossen. Oberbürgermeister Ludwig Metzger konnte einen Aufschub gegen den Willen der Geschäftswelt verhindern. Von dieser politischen Entscheidung unberührt ließ das Land Hessen als Eigentümer des Turmes diesen in mehreren Bauabschnitten wieder aufbauen. Im Juli 1949 wurde der im oberen Teil gerissene Turmzylinder durch Stahlbeton-Ringanker gesichert, verputzt und mit einem Notdach versehen, drei Zwischendecken aus Beton wurden eingezogen, neue Treppen eingebaut und Risse ausgepresst.

1954 folgte der Innenausbau, und die Kupfer gedeckte Haube wurde aufgesetzt. Im September 1954 konnte die neue Turmuhr in Betrieb genommen werden und nach vielen Jahren vernahmen die Darmstädter wieder die beiden Glocken des Weißen Turms, die 1942 zum Einschmelzen ausgebaut, aber dennoch über den Krieg gerettet worden waren. Sie wurden nun durch eine Dritte neu gegossene ergänzt. Die unter dem Uhren- und Glockenraum liegenden Stockwerke wurden 1954 für den symbolischen Preis von 1,- DM pro Jahr an die Großherzogliche Vermögensverwaltung vermietet, die die geretteten Bestände des Schlossmuseums dort unterbrachte.

Außen- und Innenrenovierung, derzeitige Nutzung

Das Staatsbauamt Darmstadt führte von September 1983 bis zum Juni 1984 eine vollständige Außenrenovierung des Weißen Turms durch, bei der man neben einem neuen Verputz und Anstrich die Schäden im Sockel durch das wilde Plakatieren beseitigte. Auch Zeiger und Zifferblatt der Uhr wurden neu vergoldet. Rund 250.000,- DM ließ sich das Land Hessen die Wiederherstellung kosten. Seit einer Innenrenovierung im Jahr 1979 bis 1997 stand der Weiße Turm leer. Im Juni 1997 nutzt der neu gegründete Freundeskreis Weißer Turm den Turm seither für Ausstellungen, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen. Am 24. August 2002 ging der Weiße Turm für die symbolische Summe von 1,- € vom Land Hessen in das Eigentum der Stadt Darmstadt über.

Textquelle und Literatur

  • Darmstadt gestern und heute. Eine Gegenüberstellung Friedrich Wilhelm Kniess Wartberg Verlag, ISBN 3-86134-455-6.
  • Peter Engels: Vom Glockenturm zur Fotogalerie - 300 Jahre Weißer Turm. Broschüre zur 300 Jahrfeier, Darmstadt 2004.

Weblinks

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