Weißfleckenkrankheit

Weißfleckenkrankheit
Klassifikation nach ICD-10
L80 Vitiligo
ICD-10 online (WHO-Version 2006)
Vitiligo an der Hand

Vitiligo (Leucopathia acquisita) oder auch Weißfleckenkrankheit sowie Scheckhaut genannt ist eine chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung, die bei etwa 0,5 bis 2 Prozent[1] der weltweiten Bevölkerung vorkommt. Typisch sind Pigmentstörungen in Form weißer, pigmentfreier Hautflecken, die sich langsam ausweiten können, aber nicht unbedingt müssen. Neuesten Erkenntnissen nach haben die betroffenen Zellen einen zu hohen Wasserstoffperoxidgehalt (H2O2), der die Bildung von Melanin (Farbstoff der Zellen) verhindert. Dieser Zustand ist reversibel, selbst nach Jahren kann der Rückgang von H2O2 wieder zu einer Repigmentierung führen (siehe Behandlung).

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Die Ursachen der Pigmentstörung sind noch nicht sicher erkannt. Es könnte sich um eine Fehlfunktion im Stoffwechsel der Schilddrüse handeln, möglicherweise auch um eine Störung des Immunsystems, das die eigenen Haut-Melanozyten bekämpft. Damit wäre Vitiligo eine Autoimmunerkrankung.

Vitiligo tritt nicht immer allein auf, sondern wird teilweise von anderen Autoimmunerkrankungen begleitet. Statistisch betrachtet wird Vitiligo beispielsweise sehr oft von der Schilddrüsenerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis, aber auch von anderen Schilddrüsendefekten oder einem Diabetes mellitus Typ 1, begleitet.

Stress könnte als Katalysator eines Vitiligo-Ausbruchs wirken. Dies bedeutet, dass die mit dem Stress einhergehenden Auswirkungen das Immunsystem stören können. Damit kann sich die schon vorhandene Autoimmunerkrankung zum ersten Mal oder verstärkt bemerkbar machen, in dem erste oder mehr bzw. vergrößerte pigmentlose Hautstellen auftauchen können.

Verlauf

Die Krankheit kann in jedem Alter und auch in anscheinend genetisch nicht vorbelasteten Familien auftreten. Die Vererblichkeitsrate liegt bei ca. 33 %.[1] Statistisch am häufigsten betroffen sind Unterarme, Handgelenke, Hände, Finger, Ellbogen, Füße und Genitalien. In der Regel sind die gedehnten Hautpartien betroffen, z.B. Ellenbogen, jedoch nicht Ellenbeuge. Die unpigmentierten Flächen können sich ausbreiten oder in ihrer Größe konstant bleiben. Manchmal bilden sich auch kleinflächig Pigmente zurück, wenn die Melanozyten wieder aus ihrem "Schlaf" erwachen.

Behandlung

Vitiligo ist bis heute nicht heilbar. Das Fehlen einer entsprechenden Therapie liegt teilweise am mangelndem Wissen über die Krankheit, aber auch an den im Vergleich zu anderen Krankheiten relativ harmlosen Symptomen. Körperliche Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung sind nicht per se negativ beeinflusst. Seit 1996 gilt aber die Regel, dass Hauterkrankungen wie Vitiligo, Neurodermitis etc. wegen der psychischen Grundbelastung und des veränderten Verhaltens in der Öffentlichkeit (Kleidung etc.) eine Beeinträchtigung der körperlichen Beweglichkeit darstellen und somit in schweren Fällen zu einem anerkannten Grad der Behinderung von 30 % führen können.

Die Behandlung beziehungsweise der Versuch einer Behandlung wird in der Regel nicht von allen Krankenversicherungen bezahlt, des Weiteren werden auch keine staatlichen Gelder für die Vitiligoforschung zugeteilt. Sämtliche Therapien geben einem Patienten nur eine Chance auf eine Repigmentierung der betroffenen Hautstellen. Die möglichen Erfolge durch heutige Behandlungen geben dem Betroffenen jedoch keine Garantie darauf, dass die Krankheit nicht wieder eventuell sogar verstärkt auftreten kann.

Das Verhalten unter Sonnenlicht ist nicht einheitlich unter den betroffenen Personen: Einige bekommen auf den weißen Flecken schnell heftige Sonnenbrände weshalb die weißen Hautstellen bei Sonnenbestrahlung besonders gut geschützt werden sollten. Dies erreicht man durch hautbedeckende Kleidung oder auch eine Sonnenschutzcreme mit einem Schutzfaktor ab etwa 30 aufwärts (Sunblocker). Schon zeitlich sehr kurze, aber direkte Sonneneinstrahlungen ab etwa zehn Minuten Dauer können Sonnenbrand auslösen. Bei der Mehrzahl der Betroffenen tritt zwar eine Rötung der Areale auf ohne jedoch Schmerzen hervorzurufen. Behandlungen unter Laserlicht bzw. UV-Bestrahlung zielen genau auf diese Reizung (leichte Rötung, nicht krebsrot!) der Areale hin, denn dadurch haben sich die besten Erfolge eingestellt. Dieser Personenkreis braucht die betroffenen Areale nicht mehr zu schützen als die gesunden Bereiche. In der Literatur ist kein Fall bekannt, dass es an den betroffenen Arealen zu Hautkrebs gekommen sei, was jedoch nicht bedeutet, dass diese Personen grundsätzlich keinen Hautkrebs bekommen können. Großflächige Bestrahlung, die auch über die nicht betroffenen Bereiche geht, kann wie jede übermäßige (Sonnenlicht-)Bestrahlung zu vorzeitiger Hautalterung bis hin zu Hautkrebs führen.

Die Einnahme von Beta-Carotin-Präparaten (Betacaroten) bewirkt eine Gelb- beziehungsweise Orangetönung der Haut. Diese bietet einen leichten Lichtschutz, der die schädliche Einwirkung der Strahlung hinauszögert. Beta-Carotin Präparate sorgen laut aktuellen Studien nicht für Sonnenschutz, da nur das Melanin den Sonnenschutz erhöht, nicht aber die Färbung der Haut (vgl. auch Selbstbräuner, bei welchen auch nur die Haut eingefärbt wird).

Möglich ist eine Einnahme von Psoralen bei gleichzeitiger Bestrahlung mit UVA, sog. PUVA-Therapie.

Medikation

Steroide wurden zur Behandlung verwendet, haben sich jedoch nicht als besonders wirkungsvoll erwiesen. Einen ähnlichen, ebenfalls immunsuppressiven Ansatz verfolgen die neueren Präparate aus der Gruppe der Calcineurin-Antagonisten. Die abschließende Bewertung der Wirksamkeit dieser Präparate steht derzeit aber noch aus.

Bestrahlung mit Ultraviolettem Licht (UV)

Weiterhin werden verschiedene Formen der UV-Therapien eingesetzt: 311 nm Schmalspektrum-UVB, UVA-Therapien in Kombination mit lichtsensibilisierenden Präparaten (z. B. Khellin oder Phenylalanin) sowie 311 nm Excimerlaser. Lasertherapien haben den Vorteil dass sie punktgenau auf den betroffenen Arealen eingesetzt werden können. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Vitiligo aktuell nicht gerade ausbreitet. Andernfalls sind großflächige Bestrahlungen vorzuziehen. UV-Therapien müssen über mehrere Monate durchgeführt werden. Durchschnittlich sind Therapiezeiten von sechs bis zwölf Monaten zu erwarten, die in Form von vielen kurzen, regelmäßigen Sitzungen durchgeführt werden müssen. Bei einer UV-Bestrahlung sollten keine früheren malignen Hauttumore vorliegen sowie die Patienten mindestens im pubertären Alter sein und keine sonstigen Lichtempfindlichkeiten aufweisen. Wenn nach drei Monaten UV-Bestrahlung noch keine Repigmentierung eingesetzt hat, ist die nunmehr erfolglose Therapieform abzusetzen. Eine „Therapie“ in Form von direkter Sonneneinwirkung ist wegen der weiter oben genannten Gefahren zu meiden. Sie kann im Übrigen eine übermäßige und damit unästhetische Bräunung der nichterkrankten Hautareale bewirken.

Transplantation

In Spezialfällen können auch autologe Melanozyten (Empfänger und Spender sind identisch) angezüchtet und wiedereingepflanzt werden. Dies erfolgt nach einer Vorbehandlung der Haut durch Abschleifung mit Lasern oder hochtourigen Schleifmaschinen. Besonders im Gesichtsbereich sind die Ergebnisse zufriedenstellend.

Farbausgleich

Durch Laserbestrahlung, Einnahme von Tyrosinaseinhibitoren oder chirurgische Eingriffe können die verbliebenen Melanozyten zerstört werden, was einen Farbausgleich der Haut zur Folge hat. Dieser Eingriff ist jedoch nur bei Patienten mit großen krankheitsbedingten psychischen Störungen mit Empfehlung eines Psychiaters vorzunehmen, da diese Therapie keinerlei physische Heilung mit sich bringt, sondern durch die absichtliche „Bleichung“ der nicht betroffenen Hautareale die primären Krankheitssymptome sogar fördert.

Begleitende Therapiemöglichkeiten

Begleitende Therapien bieten keine Heilungsmöglichkeiten für Vitiligo, könnten jedoch die Erkrankung mildern oder die Therapien begünstigen.

Psychotherapie
In einigen Fällen kann die Psychotherapie eine Hilfe bei der Stressbewältigung bieten und trägt damit zur Verminderung der psychosomatischen Einflussfaktoren bei.
Ernährungstherapie
Eine gesunde und gut geführte Ernährung könnte die mit Autoimmunkrankheiten verbundene überschießende Reaktion des Immunsystems und damit den Abbau von Melanozyten verringern.
Sporttherapie
Ähnlich der Ernährungstherapie könnte regelmäßiger (jedoch kein stressiger) Sport zur Fitness und damit zur Normalisierung des Immunsystems beitragen.

Camouflage

Als Camouflage werden abdeckende Verfahren bezeichnet, bei denen die hellen Herde mit einem Spezial-Make-up abgetönt werden. β-Carotin höherdosiert, in Form von Kapseln, führt zu einer Orangeverfärbung der hellen Hautpartien, so dass der Kontrast zur gesunden Haut geringer erscheint. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Selbstbräuner zu nutzen.

Forschung

Das Hauptalkaloid des schwarzen Pfeffers, das Piperin, scheint nach einer Studie die Pigmentation zu stimulieren.[2]

Komplikationen

Die Krankheit scheint relativ harmlos, doch sind die betroffenen Hautregionen nicht gegen Sonneneinstrahlung geschützt (Sonnenbrand, aber keine Bräunung). Andererseits kann das Aussehen bei ansonsten dunkler Haut recht störend wirken. Bei hellhäutigen Personen kann die Krankheit durch Meidung von Sonnenlicht, auch auf die nicht betroffenen Hautpartien, verborgen werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die natürliche Vitamin-D-Produktion dadurch reduziert bzw. bei totaler Sonnenlichtabstinenz komplett eingestellt ist. Daher ist es für diese Personen zu empfehlen, regelmäßig für wenige Minuten (abhängig vom Sonneneinstrahlwinkel, Mittags in Griechenland beispielsweise etwa sechs Minuten, in Norddeutschland etwa zehn Minuten) sich ungeschützt der Sonne auszusetzen[3], alternativ ist eine Anpassung der Ernährung möglich.

Für manche Menschen bringt diese Krankheit aber auch psychische Folgen mit sich. Sie gehen deshalb nur noch geschminkt in die Öffentlichkeit.

Kulturelle Effekte

In manchen Kulturen ist mit Vitiligo für die betroffenen Personen ein Stigma verbunden. Sie werden teilweise als böse oder verseucht gesehen und deshalb mitunter von den anderen Gruppenmitgliedern gemieden. In Indien wird Vitiligo fälschlicherweise oft mit Lepra in Verbindung gebracht. Diese diskriminierenden Gruppen stigmatisieren Vitiligobetroffene oft aus Unkenntnis heraus, da ihnen nicht bewusst ist, dass Vitiligo weder ansteckend noch ein Zeichen für Siechtum oder Krankheiten wie Krebs ist.

Michael Jackson gab 1993 in einem Interview mit Oprah Winfrey an, dass er unter Vitiligo leide, und erklärte damit seine helle Hautfarbe, die in den Jahren zuvor sehr auffällig geworden war.

Etymologie

Die Herkunft des Namens Vitiligo ist nicht genau bekannt. Möglich ist, dass er sich vom lateinischen Wort vitium ableitet, das mit Fehler oder Defekt übersetzt werden kann, im medizinischen Kontext auch als Fehlbildung oder Fehlfunktion. Denkbar ist aber auch eine Verbindung zum griechischen Wort vitelius, einer Bezeichnung für Kälber beziehungsweise deren von weißen Flecken durchsetzte Fellfärbung.

Literatur

  • Constantin E. Orfanos, Claus Garbe: Therapie der Hautkrankheiten. Springer Verlag, Berlin Januar 2002, S. 833–845, ISBN 3-540-41366-9

Weblinks

Quellen

  1. a b Dissertation: Vitiligo und die Schilddrüse von Jürgen Diehle 2004 (PDF, 347 kB)
  2. BBC: Pepper 'to treat pigment disease' (engl.)
  3. wissenschaft.de: Ein bisschen Sonne pur tut gut, 30. Mai 2005
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