Wellen (Keyserling)

Wellen (Keyserling)

Wellen ist ein 1911 verfasster Roman von Eduard von Keyserling.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Wellen erzählt polyperspektivisch die Geschichte eines Badesommers an der Ostsee scheinbar als Idyll, bei näherem Hinsehen jedoch als gesellschaftliche Tragödie, in deren Brennpunkt der sich als Freidenker profilierende Maler Hans Grill und seine Frau Doralice stehen, die sich von ihrem älteren, aber standesgemäßen Gatten Graf Köhne-Jasky getrennt hat, um mit Hans zusammenzuleben. Die Familie der Gräfin Palikow (ihre Gesellschafterin, ihre Tochter Baronin von Buttlär, deren Mann, beider Kinder Wedig, Nini und Lolo sowie Lolos Verlobter, Leutnant Hilmar) und der verwachsene Geheimrat Knospelius vervollständigen das Figurenensemble.

Während Doralice sich von Hans, der Standesgrenzen für nichtig erachtet und als scheinbar selbstgewisser Liebender den Umgang seiner Frau nicht beschneiden möchte, in ihrem Zwiespalt zwischen aufgegebenem gesellschaftlichem Rang und dem Anlehnungsbedürfnis an ihren Ehemann unverstanden fühlt, verfallen ihr, weil sie den gelungenen Ausbruch aus der adligen Welt und deren erstarrten Konventionen zu verkörpern scheint, sowohl Baron von Buttlär als auch Leutnant Hilmar, vor allem jedoch Lolo. Doralice, der nur allzu bewusst ist, dass sie aufgrund ihrer Scheidung nicht mehr gesellschaftsfähig ist, genießt die Urlaubs-Werbungen der ihr ehemals gesellschaftlich Gleichgestellten.

Der Roman kulminiert im Geburtstagsfest des Geheimrats Knospelius, in dessen Folge Hilmar Doralice einen leidenschaftlichen Antrag macht, den sie zurückweist, und Lolo sich das Leben zu nehmen versucht, indem sie ins Meer hinausschwimmt. Statt ihrer stirbt Hans, der von einer Ausfahrt auf das Meer nicht zurückkehrt. Doralice bleibt über die Zeit der Sommerfrische hinaus - die Familie der Gräfin Palikow ist längst abgereist - in dem kleinen Fischerort, zusammen mit Knospelius, der ihr seine Begleitung für eine Reise in den Süden anträgt.

Würdigung

Heimlicher Hauptakteur des Romans sind die titelgebenden Wellen, die Ostsee, das Meer. Sie symbolisieren das unendliche, sich stetig verändernde Leben und damit die von der inneren Gestimmtheit der Figuren unbeeinflusste, gleichwohl auf sie zurückwirkende Beständigkeit der Natur im Wechsel des Wetters ebenso wie in der zyklischen Erneuerung der Tages- und Jahreszeiten. Indem Keyserling den Kontrast steter Bewegung zu den erstarrten Konventionen der Welt, in der seine Figuren – jede/r für sich – emotional gefangen bleiben, erzählerisch ausreizt, gewinnt er Spielraum und Hintergrund für die einfühlsame Konturierung der einzelnen Charaktere.

Verfilmung

Keyserlings Roman diente als Vorlage für eine Fernsehverfilmung aus dem Jahr 2004, in der Vivian Naefe Regie führte, und neben anderen Marie Bäumer, Matthias Habich und Sunnyi Melles die Hauptrollen spielten.

Die Verfilmung ist deutlich eine Anpassung des Romans an die Möglichkeiten des Mediums und das Verständnis der heutigen Zeit:

  • die Handlung wurde (ohne Not und Konsequenz) nahe an den Ersten Weltkrieg verlegt
  • die inneren Dialoge der Figuren wurden durch explizit sexuelle Handlungen ersetzt, die in Keyserlings Text nicht enthalten sind und auch angesichts der Entstehungszeit gar nicht enthalten sein können
  • die Personen sind teilweise bis zur Karikatur überspitzt (der Baron ist ein geschlechtskranker berlinernder Frauenheld) oder schlicht ausgetauscht (aus der Gesellschafterin der Generalin wird ein Dienstmädchen, das dem Baron zu Willen ist).
  • die Einheit der Zeit der Vorlage wurde durchbrochen (Internat, Kaserne), das Durchbrechen zu weiteren sexuellen Anspielungen genutzt.

Unter diesen Umständen wird der im Text asexuelle Maler Hans Grill, dessen Motive schon in der Vorlage widersprüchlich und schwer nachvollziehbar sind, zur reinen Nebenfigur.

Weblinks

 Wikisource: Wellen – Quellen und Volltexte

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