Wie schön leuchtet der Morgenstern

Wie schön leuchtet der Morgenstern
„Wie schön leuchtet der Morgenstern“, Erstausgabe, 1599
Melodie?/i

Wie schön leuchtet der Morgenstern (auch Wie schön leucht‛ uns der Morgenstern) ist ein Choral von Philipp Nicolai aus dem Jahre 1597. Nicolai verfasste Text und Melodie.

Inhaltsverzeichnis

Form

Das Strophenschema ist eine originale Schöpfung Nicolais. Die Strophen gliedern sich in zwei mal zwei Achtsilber, gefolgt von einem Siebensilber, denen aufsteigend zwei Zweisilber, zwei Viersilber und ein abschließender Achtsilber folgen. Oft wird darauf hingewiesen, dass die Strophen im zentrierten Druck das Bild eines Kelches ergeben.

Inhalt

Basierend auf Psalm 45, dem Hohen Lied und anderen biblischen Bildern ist der Choral als mystisches Brautlied konzipiert. Der Morgenstern als Bild für Jesus begegnet in Offb 22,16 EU: Ich, Jesus, habe gesandt meinen Engel, solches zu bezeugen an die Gemeinden. Ich bin die Wurzel des Geschlechts David, der helle Morgenstern.

Auf die Darstellung eines bestimmten Bildes in den jeweils ersten sechs Zeilen folgt in zunächst sehr kurzen, dann sich intensiv steigernden Reimen ein gleichsam hoch emotial gestaltetes Echo, das von einem hymnischen Satz abgeschlossen wird.

Auch durch eine schablonenfreie Wortwahl kommt die geradezu elementare Gewalt zärtlicher Liebe zum Ausdruck. Sie scheut nicht Anklänge an die Kindersprache (Diminutive Blümlein, Äugelein, oder Wendungen wie nimm mich in dein Arme, dass ich warme werde (Str. 4), Ei (Str. 2), Eia (Str. 5)…) und greift sprechende wohlbekannte biblische Bilder und Anspielungen auf (Hosianna, Manna, A und O, Amen, Paradies)

Es entfaltet die liebende Zuwendung zum Christus-Bräutigam, der „Krone“ (diese bildet mit Str. 2 + 7 den Rahmen des Folgenden) der Apokalypse in einer körperlich-elementaren, erotisch zu nennenden Frömmigkeit (hast mein hertz besessen (Str. 1). Dieser wird als Milch und Honig …himmlisch Manna einverleibt (Str. 2), ergießt sich ins liebeswunde Herz (Str. 3) und stellt jenen vollständigen Leib dar, dem das lyrische Ich (der Gäubige) als „Rippe“ anzugehören strebt (Str. 3). Der Herr wirft seinen erleuchtenden freundlichen Blick auf den Menschen, der ihn wiederum in Wort und Sakrament (dein Leib und Blut) aufzunehmen strebt (Str. 4). Die Lobesfreude über die bräutliche Vereinigung (Str. 5) mündet in die Musik, die sich in Saitenspiel, Gesang, Tanz und triumphalem Jubel artikuliert (Str. 6) und im Lobgesang (Str. 7) ihren Abschluss findet.

Text

Philipp Nicolai

WIe schön leuchtet der Morgenstern /
Voll Gnad vnd Warheit von dem HERRN /
Die süsse Wurtzel Jesse?
Du Sohn Dauid / auß Jacobs Stamm /
Mein König vnd mein Bräutigam /
Hast mir mein Hertz besessen /
Lieblich /
freundtlich /
Schön vnd herrlich /
Groß vnd ehrlich /
Reich von Gaben /
Hoch vnd sehr prächtig erhaben.
II.
Ey mein Perle / du werthe Kron /
Wahr Gottes vnd Marien Sohn /
Ein hochgeborner König /
Mein Hertz heißt dich ein lilium,
Dein süsses Euangelium,
Jst lauter Milch vnd Honig /
Ey mein
Blümlein /
Hosianna /
Himmlisch Manna /
Das wir essen /
Deiner kan ich nicht vergessen.
III.
Geuß sehr tieff in mein Hertz hineyn /
Du heller Jaspis vnd Rubin /
Die Flamme deiner Liebe.
Vnd erfreuw mich / daß ich doch bleib
An deinem außerwehlten Leib
Ein lebendige Rippe /
Nach dir /
ist mir /
Gratiosa
cœli rosa,
Kranck vnd glümmet
Mein Hertz / durch Liebe verwundet.
IIII.
Von Gott kompt mir ein Frewdenschein /
Wenn du mit deinen Eugelein /
Mich freundtlich thust anblicken /
O HERR Jesu mein trawtes Gut /
Dein Wort / dein Geist / dein Leib vnd Blut /
Mich innerlich erquicken.
Nimm mich /
freundtlich /
Jn dein Arme /
Daß ich warme
Werd von Gnaden /
Auff dein Wort komm ich geladen.
V.
HERR Gott Vatter / mein starcker Heldt /
Du hast mich ewig / für der Welt /
In deinem Sohn geliebet /
Dein Sohn hat mich jhm selbst vertrawt /
Er ist mein Schatz / ich bin sein Braut /
Sehr hoch in jhm erfreuwet.
Eya /
Eya /
Himmlisch Leben /
wirdt er geben
Mir dort oben /
Ewig soll mein Hertz jhn loben.
VI.
Zwingt die Sayten in Cythara.
Vnd laßt die süsse Musica,
Gantz frewdenreich erschallen:
Daß ich möge mit Jesulein /
Dem wunder schönen Bräutgam mein /
In stäter Liebe wallen.
Singet /
springet /
Jubilieret /
triumphieret /
Danckt dem HERREN /
Groß ist der König der Ehren.
VII.
Wie bin ich doch so hertzlich fro /
Daß mein Schatz ist das A vnd O /
Der Anfang / vnd das Ende:
Er wirdt mich doch zu seinem Preyß /
Auffnemmen in das Paradeiß /
Deß klopff ich in die Hände.
Amen /
Amen /
Komm du schone
FrewdenKrone[1] /
Bleib du nicht lange /
Deiner wart ich mit Verlangen.

Johann Adolf Schlegel, 1813[2]

Wie herrlich stralt der Morgenstern!
O welch ein Glanz geht auf vom Herrn!
Wer sollte sein nicht achten?
Glanz Gottes, der die Nacht durchbricht,
du bringst in finstre Seelen Licht,
die nach der Wahrheit schmachten.
Dein Wort,
Jesus,
ist voll Klarheit,
führt zur Wahrheit
und zum Leben.
Wer kann dich genug erheben?
2.
Du, hier mein Trost und dort mein Lohn,
Sohn Gottes, und des Menschen Sohn,
des Himmels großer König,
von ganzem Herzen preis’ ich dich.
Hab’ ich dein Heil, so rühret mich
das Glück der Erde wenig.
Zu dir
komm ich.
Wahrlich keiner
tröstet deiner
sich vergebens,
wenn er dich sucht, Herr des Lebens.
3.
Durch dich nur kann ich selig seyn.
Geuß tief in meine Seel hinein
die Flamme deiner Liebe!
Wer wär’ ich, wenn in Heiligkeit
ich nicht der Prüfung kurze Zeit
dir treu, Versöhner, bliebe?
Ach! dich
lieben
hilf mir Schwachen!
Hilf mir wachen,
kämpfen, ringen,
stark in dir zu Gott mich schwingen!
4.
Von Gott stralt mir ein Freudenlicht,
die Hoffnung, daß dein Angesicht
ich einstens soll erblicken.
O süßer Blick in jene Ruh’,
voll wunderbaren Heils bist du,
voll Wonne, voll Entzücken!
Tröste
du mich
Seligmacher
daß ich Schwacher
auf der Erde
Himmelsfreuden inne werde.
5.
O du, der schuf und der erhält!
Du hast mich ewig vor der Welt
in deinem Sohn geliebet.
Dein Sohn hat mich mit dir ver↲ eint,
er ist mein Bruder und mein Freund,
hat bis zum Tod geliebet.
Preis dir,
Vater!
Ach ich falle
nieder, lalle
Dank im Staube,
weiß, und fühl an wen ich glaube.
6.
Ihm, welcher Tod und Grab bezwang,
ihm müsse froher Lobgesang
mit jedem Tag erschallen,
dem Lamme, das erwürget ist,
dem Freunde, der uns nie vergißt,
zum Ruhm und Wohlgefallen.
Tönet,
tönet,
Jubellieder,
schallet wieder,
daß die Erde
voll von seinem Lobe werde!
7.
Wie freu’ ich dein mich, Jesu Christ,
daß du der Erst’ und Letzte bist,
der Anfang und das Ende!
Einst, wenn er dich im Tode preist,
und jetzt, befehl’ ich meinen Geist,
Herr, Herr, in deine Hände!
Ewig
werd’ ich
Herr, dich loben,
einst erhoben
zu dem Leben,
das mir deine Huld wird geben.

Evangelisches Gesangbuch

Wie schön leuchtet der Morgenstern
voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
die süße Wurzel Jesse.
Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,
mein König und mein Bräutigam,
hast mir mein Herz besessen;
lieblich,
freundlich,
schön und herrlich,
groß und ehrlich,
reich an Gaben,
hoch und sehr prächtig erhaben.

2. Ei meine Perl, du werte Kron,
wahr‛ Gottes und Marien Sohn,
ein hochgeborner König!
Mein Herz heißt dich ein Himmelsblum;
dein süßes Evangelium
ist lauter Milch und Honig.
Ei mein
Blümlein,
Hosianna!
Himmlisch Manna,
das wir essen,
deiner kann ich nicht vergessen.

3. Gieß sehr tief in das Herz hinein,
du leuchtend Kleinod, edler Stein,
mir deiner Liebe Flamme,
daß ich, o Herr, ein Gliedmaß bleib
an deinem auserwählten Leib,
ein Zweig an deinem Stamme.
Nach dir
wallt mir
mein Gemüte,
ewge Güte,
bis es findet
dich, des Liebe mich entzündet.

4. Von Gott kommt mir ein Freudenschein,
wenn du mich mit den Augen dein
gar freundlich tust anblicken.
Herr Jesu, du mein trautes Gut,
dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut
mich innerlich erquicken.
Nimm mich
freundlich
in dein Arme
und erbarme
dich in Gnaden;
auf dein Wort komm ich geladen.

5. Herr Gott Vater, mein starker Held,
du hast mich ewig vor der Welt
in deinem Sohn geliebet.
Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut,
er ist mein Schatz, ich seine Braut,
drum mich auch nichts betrübet.
Eia,
eia,
himmlisch Leben
wird er geben
mir dort oben;
ewig soll mein Herz ihn loben.

6. Zwingt die Saiten in Cythara
und laßt die süße Musika
ganz freudenreich erschallen,
daß ich möge mit Jesulein,
dem wunderschönen Bräut‛gam mein,
in steter Liebe wallen.
Singet,
springet,
jubilieret,
triumphieret,
dankt dem Herren;
groß ist der König der Ehren.

7. Wie bin ich doch so herzlich froh,
daß mein Schatz ist das A und O,
der Anfang und das Ende.
Er wird mich doch zu seinem Preis
aufnehmen in das Paradeis;
des klopf ich in die Hände.
Amen,
Amen,
komm, du schöne
Freudenkrone,
bleib nicht lange;
deiner wart ich mit Verlangen.

Der Choral findet sich im Evangelischen Gesangbuch (EG 70) und im Gotteslob (GL 554, textlich überarbeitet).

Textbearbeitungen

Wie die Melodie, so hat auch der markant strukturierte Text bis heute überaus zahlreiche Bearbeitungen Abwandlungen und Parodien erfahren. Als ein Beispiel moralisch-rationalistischer Reduktion dieses erotisch-spirituellen Kunstwerkes ist die Fassung Johann Adolf Schlegels angeführt. Als weitere Beispiele können genannt werden:

  • Wie schön leuchten die Aeugelein, Parodie, 17. Jh. [3]
  • Wie schön leuchtet der Wunden-stern, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, 1735[4]
  • Wie leuchtet uns der Morgenstern, Friedrich Gottlieb Klopstock, 1773[5]
  • Wie schön leucht uns der Morgenstern, Burchardt Wiesenmayer, 1893[6]

Melodie

Die von Nicolai geschaffene Melodie passt sich der ersten Textstrophe in vollkommener Weise an. Ihre Spitzentöne treffen auf die sinntragenden, emphatisch-bildhaften Wortteile. Die Länge der Strophen wird durch Rhythmuswechsel aufgelockert, insbesondere durch die synkopische bzw. dreiertaktige Rhythmisierung der dritten Zeile des Stollens. Wirkungsvoll ist auch der Wechsel vom auftaktigen zum volltaktigen Zeilenbeginn in der Strophenmitte.

Musikalische Bearbeitungen

Nicolais freirhythmische Melodie ist in der Singpraxis und in den Gesangbüchern oft vereinfacht worden. Den Bearbeitungen des Barock und der Romantik liegt in der Regel eine viervierteltaktige Version zu Grunde. Erst das Evangelische Kirchengesangbuch (1950) kehrte zur Originalfassung zurück.[7]

Bedeutende musikalische Verarbeitungen sind die Choralkantate Wie schön leuchtet der Morgenstern, BWV 1 von Johann Sebastian Bach sowie Regers op. 40,1 Phantasie über den Choral „Wie schön leucht’ uns der Morgenstern“.

Anmerkungen

  1. (Offb 3,1 Lut)
  2. Sammlung christlicher Lieder für die kirchliche Andacht evangelischer Gemeinen. Zunächst der zu Jauer. 2. Aufl. Breslau und Jauer o. J. [1. Aufl. 1813], S. 126f. (Nr. 153)
  3. Tugendhaffter Jungfrauen und Jungengesellen Zeit-Vertreiber, Das ist: Neu-vermehrtes, und von allen Fantastischen groben unflätigen und ungeschickten Liedern gereinigtes, Weltliches Lieder-Büchlein […], Durch Hilarium Lustig von Freuden-Thal. Gedruckt im gegenwärtigen Jahr, ca. 1670
  4. Herrnhuter Gesangbuch. Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735 zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. O. O. 1741. Teil II. Anhang I – XII.
  5. Geistliche Lieder. Erster Theil. Kopenhagen und Leipzig 1773, S. 255–260.
  6. Unverfälschter Liedersegen. Gesangbuch für Kirchen, Schulen und Häuser. 10. Aufl. Berlin 1893, S. 325f. (Nr. 477)
  7. mit Ausnahme der beiden Melodietöne auf „Wahrheit“, die dem Erstdruck entsprechend Viertel sein müssten

Weblinks

Literatur

  • Hermann Kurzke: Wies schön leuchtet der Morgenstern in: Hansjakob Becker u.a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 2., durchgesehene Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 978-3-406-48094-2, S. 146–153.

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