Begründung des Irak-Krieges

Begründung des Irak-Krieges

Für den Irakkrieg im Jahre 2003 gab die angreifende „Koalition der Willigen” unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika keinen schlagenden Grund (lat.: Casus belli) an, sodass die Gründe für den Irakkrieg bis heute nicht eindeutig zu bestimmen sind und Raum für Spekulationen bieten.

Inhaltsverzeichnis

Sicherheitspolitische Begründungen

Bereits 1998 hatten Richard Armitage, John R. Bolton, Francis Fukuyama, Robert Kagan, Zalmay Khalilzad, Richard Perle, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und Robert Zoellick als Vertreter der neokonservative Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC) in einem Brief an den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton für eine militärische Intervention im Irak geworben, in dem vor der Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen gewarnt und vehement die Entmachtung Saddam Husseins („[…] removing Saddam Hussein and his regime from power“) gefordert wurde.[1] Nachdem George W. Bush im Jahr 2000 Präsident geworden war und nach den Terroranschlägen am 11. September 2001, begründete die US-Regierung, der nun die Mitunterzeichner Rumsfeld als Verteidigungsminister, Wolfowitz als dessen Stellvertreter, Armitage als Vize-Außenminister, Perle als Vorsitzender des Defense Policy Board Advisory Committee und Zoellick als Handelsvertreter der Vereinigten Staaten angehörten, den von den Vereinten Nationen nicht gebilligten Angriff auf den Irak mit denselben Argumenten.

Nach dem Zweiten Golfkrieg, der 1990 mit dem irakischen Einmarsch in Kuwait begonnen hatte und 1991 durch eine von den USA geführte Koalition beendet wurde, wurden noch vorhandenen Bestände an chemischen und biologischen Waffen im Irak unter der Aufsicht von Waffeninspektoren der Vereinten Nationen (United Nations Special Commission, UNSCOM) zerstört. 1998 wurden die Inspektoren aus dem Irak ausgewiesen. Von den Regierungen der USA und Großbritanniens wurde in der Folge mehrmals gefordert Waffeninspektoren erneut unangemeldet und ohne Reisebeschränkung in den Irak einreisen zu lassen, was von Saddam Hussein stets abgelehnt wurde. Zwar legte die UNSCOM keinen Abschlussbericht vor, jedoch widersprach Scott Ritter, der die Kommission von 1991 bis 1998 geleitet hatte, ausdrücklich der Darstellung, wonach im Irak immer noch Massenvernichtungswaffen vorhanden wären. Auch die nach der Invasion von Seiten der „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA eingesetzte Iraq Survey Group stellte fest, dass der Irak zum Zeitpunkt des Irakkrieges über keine Massenvernichtungswaffen mehr verfügt hatte.

Neben einer Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen wurde dem Irak im Vorfeld des Krieges auch vorgeworfen, er würde das Terrornetzwerk Al-Qaida unterstützen, wofür allerdings keine Belege angegeben werden konnte, und als „haven state”, also ein Staat, der Terroristen beherberge und unterstütze, fungieren. In dem Zusammenhang wurde auch davor gewarnt, dass Massenvernichtungswaffen vom Irak an Terroristen weitergegeben werden könnten. Berichte über angebliche Treffen zwischen Al-Quaida Mitgliedern und Saddam Hussein konnten ebenfalls nicht bestätigt werden.

Weitere Begründungen für den Angriff auf den Irak, die verstärkt nach dem Krieg und nachdem keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, ins Treffen geführt wurden, waren die diktatorische Natur des Regimes unter Saddam Hussein, sowie dessen ein Jahrzehnt zuvor verübte Massenmorde an Kurden und Schiiten. Der Irak sollte demnach demokratisiert werden. Bereits die Regierung Clinton hatte 1998 erklärt, Ziel ihrer Politik sei der Regimewechsel im Irak zugunsten einer demokratisch gewählten Regierung. Daran knüpfte sich auch die Vorstellung, wenn erst der Irak eine Demokratie wäre, sollte dies auch zu entsprechenden Änderungen in weiteren Ländern der Region führen. Über den Irak hinausgehend war der Krieg ein Schritt im Bemühen der USA hin zu einer Neuordnung der politischen Verhältnisse im Nahen Osten, steht damit auch in direktem Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan, dem gespannten Verhältnis zwischen den USA und Iran und letztlich dem Nahostkonflikt.

Die Stichhaltigkeit der genannten Gründe für den Angriffskrieg gegen den Irak wird von verschiedenen Seiten angezweifelt oder gänzlich in Abrede gestellt. In der Argumentation der US-Regierung hinsichtlich der Gründe für einen Krieg zeigte sich im Verlauf der Zeit auch ein Wandel. Während zuerst Faktoren wie Verbindungen zu Terroristen und Massenvernichtungswaffen betont wurden, wurde später argumentiert, man habe gegen Diktatur und für Demokratie und Freiheit gekämpft.

Waffeninspektionen

Der Irakkrieg ist auch eine Folge des schon länger währenden Irak-Konfliktes zwischen den Vereinten Nationen unter der Führung der USA und dem Irak, beginnend mit der Annexion Kuwaits durch den Irak im Jahre 1990 und dem darauf folgenden Zweiten Golfkrieg von Januar bis Februar 1991. Die Beziehungen zwischen dem Irak und den Vereinten Nationen vom Ersten Golfkrieg bis zum Irakkrieg waren aufgrund der immer wiederkehrenden Anschuldigungen der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs einerseits und das intransparente Taktieren des Irak andererseits permanenten Spannungen ausgesetzt. In der Folge wurden 13 Resolutionen des UN-Sicherheitsrats verabschiedet, die dem Irak Sanktionen wegen der Nichtbeachtung von Verboten zur Entwicklung und zum Einsatz chemischer und bakteriologischer Waffen und des Versuchs der Umgehung der Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags auferlegten. Der Konflikt um angebliche irakische Massenvernichtungswaffen spitzte sich insbesondere seit dem September 2002 immer mehr zu, als vor allem die US-amerikanische und die britische Regierung auf wirksame UN-Maßnahmen gegen den Irak drängten.

Gemäß Art. I Sect. 8 Ziff. 11 der US-amerikanischen Verfassung hat der US-Kongress die Kompetenz inne, Kriegserklärungen auszusprechen. Der Kongress erteilte am 11. Oktober 2002, also noch vor der Verabschiedung von Resolution 1441, Präsident George W. Bush eine Blanko-Ermächtigung für den - nötigenfalls auch ohne UN-Zustimmung geführten - Krieg im Irak.

Geopolitische und wirtschaftliche Hintergründe

Der Irak verfügt, nach Saudi-Arabien, über die weltweit zweitgrößten Erdölreserven. Schon vor Kriegsbeginn gab es unter politischen Beobachtern und in den Medien Vermutungen, dass die US-Regierung durch das Einsetzen einer pro-amerikanischen Regierung im Irak den Interessen der US-amerikanischen Erdölindustrie entgegen kommen möchte, zumal diese auch den politisch größten Einfluss hat. Eine mit den USA verbündete Regierung des Iraks würde einerseits die Versorgung der Wirtschaft der USA mit Erdöl sicherstellen und auch deren Einfluss in der OPEC stärken. Die US-Regierung bestritt dies von Anfang an.

Als Hinweise darauf, dass diese Vermutungen stimmen, sehen Befürworter der These unter anderem die Sicherheitsmaßnahmen in den eroberten irakischen Gebieten. Nach dem Einmarsch der US-Truppen und Beendigung der größeren Kampfhandlungen sicherten die Soldaten in erster Linie für die Ölindustrie wichtige Anlagen. Andere wichtige Objekte wurden nicht geschützt. So konnte beispielsweise das Bagdader Nationalmuseum direkt nach Einmarsch der US-Truppen am ungehindert geplündert werden. Auch wurden 380 Tonnen Sprengstoff gestohlen, obwohl UN-Waffeninspektoren die US-Armee ermahnt hatten, das Sprengstoff-Depot sorgsam zu bewachen. Die US-Regierung argumentierte demgegenüber, dass Anschläge auf Öl-Fördertürme, Pipelines und Raffinerien erheblichen Schaden anrichten könnten, wie es 1991 in Kuwait geschah. Die brennenden Quellen wurden damals teilweise erst nach Monaten gelöscht. Darüber hinaus soll der Wiederaufbau des Landes vor allem auch aus den Öl-Einnahmen finanziert werden.

Der Politologe Herfried Münkler argumentiert demgegenüber, die USA hätten schon im Kuwait-Krieg dafür interveniert, dass der Ölpreis auf dem Weltmarkt festgelegt werde. Das sei etwas anderes als das klassische imperialistische Interesse eine zentrale Ressource unter die politische Verfügung zu bringen. Wenn es den USA allein darum gegangen wäre, den Weltmarktpreis für Öl kurzfristig zu drücken, wäre dies am ehesten mit einer Beendigung des Irak-Embargos zu erreichen gewesen. Andere Sicherheitsexperten zogen den Schluss, dass der „Griff nach dem Öl“, wie der Irak-Krieg von Kritikern auch genannt wurde, hinsichtlich eines möglichen Embargos zu riskant und langfristig sogar kontraproduktiv sei.

Elmar Altvater zufolge sind die Motive für die Invasion in der Sicherung der strategischen Ölversorgung der USA zu finden. Durch das sich abzeichnende Überschreiten des Globalen Ölfördermaximums bei weltweit steigendem Verbrauch habe dieses Ziel an Dringlichkeit zugenommen. Altvater weist darauf hin, dass Vizepräsident Cheney im Mai 2001 einen Bericht vorlegte, der einen um 68 % erhöhten US-amerikanischen Importbedarf für das Jahr 2020 ausweist. Durch die Besatzung des Landes soll dieser gesteigerte Bedarf gedeckt und gleichzeitig Konkurrenten der Zugang zu den irakischen Ölfeldern verwehrt bleiben.[2]

Auch die Absicht Saddam Husseins, künftig nur noch den Euro anstelle des Dollars für Öllieferungen zu akzeptieren, soll nach der Petrodollar-Theorie maßgeblich die Kriegsentscheidung beeinflusst haben. Wären andere Länder diesem Beispiel gefolgt, so hätte dies fatale Konsequenzen für die USA gehabt. Im Mai 2003, nach dem Sieg der USA, verabschiedete die OPEC einen förmlichen Beschluss, die Ölrechnungen auch zukünftig in Dollar abzurechnen.

Paul O'Neill, Finanzminister und Mitglied des National Security Council im Bush Kabinett bis Dezember 2002, hat bei Interviews zur Vorstellung des Buches The Price of Loyalty behauptet, dass die Planung zur Invasion des Iraks schon auf der ersten Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates im Januar 2001 besprochen wurde. Zitat O' Neill „Alles drehte sich darum, wie man's machen könnte”. Er zitiert Bush mit „Findet mir einen Weg, es zu tun.” In dem von Ron Suskind verfassten Buch wird auch beschrieben, dass es schon lange vor den Anschlägen vom 11. September, Memos mit einer hypothetischen Aufteilung des zu fördernden irakischen Öls gegeben haben soll.

Am 1. Mai 2005 veröffentlichte die The London Times das so benannte „Downing Street Memo”, die Mitschrift eines Meetings von Premierminister Tony Blair mit seinen engsten Beratern am 23. Juli 2002, in dem ihm auch von Gesprächen mit Regierungsvertretern in den USA berichtet wurde. Acht Monate vor Beginn der Invasion stand, wie den Aufzeichnungen zu entnehmen ist, fest, dass in Washington eine militärische Aktion als unvermeidlich angesehen wurde („Military action was now seen as inevitable.”). „Bush wanted to remove Saddam, through military action, justified by the conjunction of terrorism and WMD. But the intelligence and facts were being fixed around the policy.” („Bush wollte Saddam entfernen, mit militärischen Mitteln, gerechtfertigt durch eine Verknüpfung von Terrorismus und Massenvernichtungswaffen. Aber die geheimdienstlichen Informationen und Fakten wurden dieser Politik entsprechend zurechtgelegt.”)

Als weiterer verborgener Kriegsgrund wird die Tatsache vermutet, dass Zweifel an der künftigen Bündnistreue Saudi-Arabiens auftauchten und die US-Armee einen neuen militärischen Brückenkopf im Nahen Osten benötigte. Ähnlich sieht das auch Münkler. Diese Vermutung wird dadurch erhärtet, dass unmittelbar nach dem (vorläufigen) militärischen Sieg US-Truppen aus Saudi-Arabien in den Irak verlegt wurden.

Es wird auch ein Zusammenhang zu der Stellung Israels als Verbündeter der USA und dominante Partei im Nahost-Konflikt gesehen [3], da Israel durch den Regimesturz von einer Bedrohung befreit worden wäre [4]. Als konkreter Bezugspunkt wird auch die durch das Saddam-Regime gezahlte Entschädigung für die Hinterbliebenen von palästinensischen Selbstmordattentätern genannt, deren Häuser, wenn sie zuvor Israel mit Raketen und sonstigen Waffen beschossen hatten, von den israelischen Besatzungstruppen zerstört wurden [5].

Geostrategische Interessen könnten beim Irak-Krieg ebenfalls eine entscheidende Rolle gespielt haben. Dafür spricht die Tatsache, dass die seit der Islamischen Revolution ohnehin schon sehr kühlen diplomatischen Beziehungen der USA zum Iran aufgrund dessen angeblicher Bestrebung, Atomwaffen bauen zu wollen, sich nochmals verschlechtert haben. Sofern der Irak die nötige Stabilität erreicht, könnten die USA den Iran aus zwei Richtungen angreifen. Erstrebenswert scheint auch ein besserer Zugang zu den Truppen in Afghanistan, das aus amerikanischer Sicht von unzuverlässigen Verbündeten umgeben ist, entweder, weil sie ebenfalls politisch instabil sind (Pakistan) oder im Einflussbereich Russlands liegen (Usbekistan). Sollte den USA tatsächlich eine Stabilisierung der Region gelingen, so stünde ihnen, im Zusammenhang mit neu entstehenden Militärbasen in Osteuropa und Zentralasien sowie bereits vorhandenen in der Türkei eine sichere Versorgungs- und Truppenverlegungskette an Basen offen.

In direkter Nachbarschaft zum Irak befindet sich aber auch Syrien, ebenfalls Teil der „Achse des Bösen”. Obwohl es in der Nachfolgedoktrin der „Achse des Bösen”, den „Vorposten der Tyrannei”, nicht vorkommt, hat sich der Druck auf die syrische Führung erhöht, da es nun von Verbündeten der USA umschlossen ist- ähnlich verhält es sich mit dem Iran.

Rechtliche Argumentation

Irakische Gefährdung der internationalen Sicherheit

Antikriegsproteste in Boston, USA
Protest 2003 in London

Der Krieg war das erste Beispiel für die Umsetzung der neuen Sicherheitsdoktrin der USA, die Präventivkriege als Verteidigung ansieht (Bush-Doktrin). Diese Sichtweise ist durch die UN-Charta nicht legitimiert. Präventivkriege verstoßen gegen Art. 2 der Charta, die Gewalt als legitimes Mittel zwischen Staaten ausschließt und das Gewaltmonopol beim Sicherheitsrat verankert. Die USA agierten daher, nach eigener offizieller Darstellung, auf Basis der UN-Resolutionen 687 und 1441 und bezeichneten ihren Angriff als „Abrüstung” des Irak. Dabei verwiesen sie auf einen Terminus in Resolution 1441, der dem Irak für den Fall „ernsthaften Konsequenzen” für den Fall androhte, dass der Irak nicht mit den Vereinten Nationen kooperiere. Dabei unterschlugen sie jedoch, dass die Resolution für diesen Fall zwingend weitere Beratungen des Sicherheitsrates vorsah.

Mit Blick auf den Kosovokrieg, den die Europäische Union ebenfalls ohne prozedurale völkerrechtliche Legitimation führten, beriefen sich die Vereinigten Staaten darüber hinaus auf den zwingenden Teil des Völkerrechts, deren Teil die internationale Friedensordnung ist. Diese Interpretation ist allerdings zweifelhaft, da die Bedrohung durch den Irak nicht akut war. Auch die Serie von 14 Resolutionen, die die USA als nach und nach legitimierend ansahen, wird von den meisten Völkerrechtlern nicht als das Gewaltverbot übertreffend angesehen.

Gegenüber der Weltöffentlichkeit und der eigenen Bevölkerung versuchte die US-Regierung, den Krieg vor allem mit der behaupteten Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen sowie einer angeblichen Verbindung mit der Al-Qaida nahestehende Terrorgruppe Ansar al-Islam zu begründen. Für beides gibt es bis heute keine Belege. Eine von Außenminister Powell vor der UNO als Beweis präsentierte Kaufvereinbarung der irakischen Regierung mit der Regierung von Niger über waffenfähiges Plutonium erwies sich als Fälschung. Kritiker werfen der US-Regierung daher bewusste Täuschung vor, während andere darauf verweisen, dass niemand hätte wissen können, über welche Möglichkeiten Saddam Hussein verfügt habe. Im September 2005 bedauerte Powell in einem ABC-Fernsehinterview seine Rede[6] vom Februar 2003, in der er den Weltsicherheitsrat mit später als falsch erkannten Behauptungen von der Notwendigkeit des Irak-Kriegs zu überzeugen suchte und bezeichnet sie als einen Schandfleck in seiner Karriere. [7]

Die Untersuchungskommission zu den Anschlägen des 11. September schrieb in ihrem Zwischenbericht vom Juni 2004, dass es keine „glaubwürdigen Belege” dafür gegeben habe, dass die irakische Regierung unter Saddam Hussein mit dem Terrornetz Al Quaida zusammengearbeitet habe.

Trotz intensiver Suche wurden auch nach der Invasion keine Massenvernichtungswaffen gefunden. Mit der Suche wurde von den alliierten Streitkräften die 1400 Leute umfassende Iraq Survey Group beauftragt, deren Leiter, David Kay, im Januar 2004 mit dem Kommentar „Ich denke nicht, dass sie existieren“ zurücktrat. Der Nachfolger Charles Duelfer legte im Oktober 2004 den Abschlussbericht vor. Laut dem Bericht wurden keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden und die Programme zur Erlangung derselben lagen spätestens seit Mitte der 90er Jahre auf Eis. Andererseits betont der Bericht, die frühere irakische Führung habe weiter das Ziel verfolgt, nach Beendigung der Waffenkontrollen und Sanktionen die illegalen Waffenprogramme wieder aufzulegen.[8] Auch erwähnt der Bericht, dass es in Bagdad mehrere Laboratorien gegeben habe, die öffentlich nicht bekannt gewesen seien. In ihnen wurde nach 1991 kontinuierlich an der Produktion verschiedener Gifte gearbeitet, allerdings nicht zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, sondern für die Produktion bzw. Testung kleinerer Giftmengen für Attentate und Geheimdienstaktionen. Auch stellte der Bericht fest, dass Saddam Hussein den Besitz von Massenvernichtungswaffen aktiv angestrebt hatte. Erklärungen, wonach vorhandene Bestände an Massenvernichtungswaffen möglicherweise vergraben oder nach Syrien verschafft worden sein könnten, haben sich nicht bestätigt.

Trotz fehlender Beweise glaubten im März 2004 57 % und im August (also ein und an derthalb Jahre nach Beginn des Angriffs) 50 % der US-Amerikaner, dass der Irak Al-Qaida wesentlich unterstützt habe. Im März 2004 glaubten 60 % und August 54 %, der Irak habe Massenvernichtungswaffen oder ein Programm zur Erlangung von Massenvernichtungswaffen betrieben.[9][10]

Am 29. Mai 2003 erklärte der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz im amerikanischen Magazin Vanity Fair, dass die Frage irakischer Massenvernichtungswaffen vor allem aus politischen Gründen für die Invasion genutzt wurde. Die Massenvernichtungswaffen Bagdads seien nie der wichtigste Kriegsgrund für die USA gewesen. »Aus bürokratischen Gründen« habe sich die US-Regierung auf dieses Thema konzentriert, weil das ein Grund gewesen sei, dem jeder, d. h. die „Bürokratien” Pentagon, Sicherheitsberater des US-Präsidenten, US-Außenministerium, habe zustimmen können. (Hintergrund dieser Äußerung ist die Bürokratie-Theorie der Außenpolitik).

Am 12. Januar 2005 erklärten die USA die Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak für eingestellt. Es wurden keine gefunden.[11]

Im Dezember 2005, im Zusammenhang mit weitgehend friedlich verlaufenden Parlamentswahlen im Irak, räumte George Bush ein, „dass viele der Geheimdienstinformationen sich als falsch herausgestellt haben.”

Im September 2006 veröffentlichte der Senat der Vereinigten Staaten einen Bericht zu den von der Bush-Regierung genannten Kriegsgründen. Laut diesem Bericht wurden keinerlei Hinweise einer Verbindung des irakischen Regimes unter Saddam Hussein und dem Terrornetzwerk Al-Qaida gefunden. Die Regierung Bush hatte vor Kriegsbeginn erklärt, der Aufenthalt Abu Musab az-Zarqawi von Mai bis Ende November 2002 in Bagdad belege eine Zusammenarbeit der irakischen Regierung mit der Al-Qaida. Dem Bericht zufolge, versuchte die irakische Regierung jedoch während dieser Zeit, Abu Musab az-Zarqawi gefangen zu nehmen. Des Weiteren war Hussein misstrauisch gegenüber Al-Qaida, da er in den islamischen Extremisten eine Gefahr für sein Regime sah. Auch hatte dem Bericht zufolge die irakische Führung kein aktives Atomprogramm und auch kein mobiles Labor zur Herstellung biologischer Waffen[12].

Einschreiten gegen Menschenrechtsverletzungen als Kriegsbegründung

Von manchen Kriegsbefürwortern wurde das Ziel, die Beseitigung des Regimes des Saddam Hussein und damit die Beendigung von ethnischer Verfolgung, Folter und grauenvoller Diktatur als entscheidender Kriegsgrund genannt. Tatsächlich hatte das Regime zahlreiche Massenmorde begangen, hauptsächlich an Schiiten z. B. 1991 nach dem zweiten Golfkrieg und Kurden.

Kurz nach dem Krieg sagte Tony Blair, es seien bisher die Überreste von 400.000 Personen in Massengräbern entdeckt worden. [13]

Die Gesellschaft für bedrohte Völker gab 2004 bekannt, dass dem Baath-Regime „etwa eine Million irakische Bürger aller Nationalitäten und religiösen Gemeinschaften zum Opfer gefallen” waren.[14]

Auch der irakische Premierminister Iyad Allawi sprach 2004 von einer Million Opfern.

Human Rights Watch schätzte 2003, dass durch Saddam Husseins Herrschaft in den vorhergegangenen zwei Jahrzehnten bis zu 290.000 Menschen „verschwanden”[15]. Davon etwa 100.000 Kurden, die das Regime 1988 tötete.

2003 und 2004 wurden 55 von 270 der verdächtigten Massengräber untersucht. 2004 reduzierte Human Rights Watch ihre Schätzung bezüglich der Al-Anfal-Massenmorde an den Kurden um ein Drittel. [16] Bis zu dem Zeitpunkt wurden laut HRW 5000 Leichen entdeckt.

Der völkerrechtlich umstrittene Kosovokrieg war 1998 mit Menschenrechtsverletzungen begründet worden. Einen Vergleich des Irak-Kriegs mit dem Kosovo-Krieg hält der Direktor des Human Rights Watch, Kenneth Roth, allerdings für unzulässig:

„Die wichtigste Frage bleibt diejenige nach den Massenmorden. So brutal Saddams Regime auch war, seine Repressionsakte im März 2003 waren nicht von jener außergewöhnlichen Größenordnung, die eine humanitäre Intervention gerechtfertigt hätte. In der Vergangenheit hatte es solche Fälle zwar gegeben, etwa den Genozid von 1988, als das Regime 100.000 Kurden abschlachtete. Aber 2003 gab es einen solchen Anlass nicht.”[17]

Kenneth Roth schloss aus dem Fehlen eines Massenmordes außergewöhnlicher Größenordnung (Februar 2004): „Also ist das erste und wichtigste Kriterium für eine Intervention nicht erfüllt. Auch war das Motiv, Saddam anzugreifen, nicht in erster Linie humanitär. Als der Krieg begann, waren Saddams Menschenrechtsverstöße höchstens ein Randthema.”[18]

Schon kurz vor dem Krieg sagte Kenneth Roth: „Dieser Krieg, das ist zunächst mal festzuhalten, ist kein Krieg, der für das Wohlergehen der Menschen im Irak geführt wird”[19].

Juristische Konsequenzen

Obwohl eine große Mehrheit der Rechtsexperten sich über die Unrechtmäßigkeit des Krieges einig ist, haben erst wenige Gerichte über die Rechtmäßigkeit des Krieges entschieden. Das erste Urteil wurde im Juni 2005 vom deutschen Bundesverwaltungsgericht getroffen, das entschied, ein Bundeswehroffizier dürfe Befehle betreffend eine mögliche - indirekte - Unterstützung amerikanischer Truppen aus Gewissensgründen verweigern wegen der schweren Bedenken hinsichtlich der Beurteilung des Krieges nach internationalem Recht, insbesondere des Völkerrechts[20].

Staatsangehörige von Unterzeichnerstaaten des Statuts von Rom des Internationalen Strafgerichtshofs können nicht wegen eines Angriffskriegs verurteilt werden, da im Statut festgehalten wurde, eine eigene Definition dieses Verbrechens müsse erst noch gesondert vereinbart werden. Damit ist nicht vor 2009 zu rechnen. Es wäre allerdings möglich, ein Rechtsgutachten beim Internationalen Gerichtshof einzuholen.

Einzelnachweise

  1. Project for the New American Century: Letter on Iraq, 26. Januar 1998
  2. Elmar Altvater: Öl-Empire in Der Sound des Sachzwangs, hrsg. v. Blätter für deutsche und internationale Politik, Bonn und Berlin 2006, S.185-187
  3. Robert Fisk: Wir haben es satt, belogen zu werden, The Independent/ Znet, 15 Februar 2003.
  4. Die Zeit: Fahrplan nach Jerusalem, 30. April 2003
  5. Clemens Ronnefeldt (Internationaler Versöhnungsbund): Irak: Den begonnenen Krieg beenden - seine Eskalation verhindern
  6. IRAQ FAILING TO DISARM www.state.gov (US Außenministerium)
  7. Powell: „Schandfleck meiner Karriere“ FAZ.net 9.9.2005
  8. Duelfer-Bericht
  9. PIPA Umfrage 20. August 2004 (engl.)
  10. Telepolis 22. August 2004 (deutsch)
  11. „Augsburger Allgemeine”, Jahresrückblick 2005 am 31. Dezember 2005
  12. ORF Artikel vom 9. September 2006 zum US Senatsbericht über die Kriegsgründe
  13. Blair spricht vor dem Krieg von 400.000 Opfern des Regimes unter Hussein
  14. Schätzung der Gesellschaft für bedrohte Völker über die Anzahl Toter während des Baath-Regimes
  15. Schätzung der vermissten Personen unter der Herrschaft Saddam Husseins
  16. Korrektur der Schätzung der Opferzahlen des Al-Anfal-Massenmordes
  17. Kenneth Roth über die mangelnde Vergleichbarkeit mit dem Kosovo-Krieg
  18. "Auch war das Motiv, Saddam anzugreifen, nicht in erster Linie humanitär. Als der Krieg begann, waren Saddams Menschenrechtsverstöße höchstens ein Randthema."
  19. Roth über die Kriegsgründe
  20. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes: [1]

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