- Rafid Ahmed Alwan
-
Rafid Ahmed Alwan oder auch Rafid Ahmed Alwan El Dschanabi (arabisch رافد أحمد علوان, DMG Rāfid Aḥmad ʿAlwān), auch unter dem Pseudonym Curveball bekannt, ist ein Iraker, der in Deutschland Asyl beantragte. Er behauptete, an irakischen Programmen zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen beteiligt gewesen zu sein. Sein bürgerlicher Name wurde erst Anfang November 2007 enthüllt.[1] Obwohl alle seine Aussagen erlogen waren,[2] diente er der US-Regierung als Informant und seine Äußerungen als Begründung für den Irakkrieg.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Alwan kam 1999 nach Deutschland und beantragte Asyl. Hier sprach der Ingenieur[3] mit dem BND. Er gab an, Experte für chemische Kampfstoffe und Direktor einer Anlage zu deren Produktion in Djerf al Nadaf zu sein. Auch von mobilen Anlagen zur Produktion chemischer Kampfstoffe erzählte er.[4] Er weigerte sich mit amerikanischen Geheimdiensten zu reden.[5] Die Aussagen Alwans zu den angeblichen Massenvernichtungswaffen wurden von der Bush-Regierung für die Begründung des Kriegs herangezogen und seine Bekundungen von Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat als Beleg für unerlaubte Waffenprogramme Bagdads angeführt. Der damalige Europachef der CIA Tyler Drumheller behauptet, er habe zuvor CIA-Chef George Tenet vor der Unzuverlässigkeit der Quelle gewarnt.[6]
Gunter Pleuger, ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen, bestätigte, dass die Informationen ursprünglich aus Deutschland kamen. Eine offizielle Warnung, dass die Informationen möglicherweise nicht richtig sind, gab es von seiner Seite nicht.[7] 2011 bezichtigte der ehemalige BND-Chef August Hanning die USA, sie hätten „den BND für ihre Begründung des Irak-Krieges missbraucht“. Mehrere ehemalige hochrangige BND-Mitarbeiter bestätigten, die CIA mehrmals auf verschiedenen Kanälen davor gewarnt zu haben, sich auf die Aussagen von Curveball zu verlassen. Hanning habe seine Bedenken sogar in einem Schreiben an Tenet formuliert.[8]
Alwan wurde nach zahlreichen Warnungen, unter anderem vom Bundesnachrichtendienst, in einer Burn Notice als unzuverlässige Quelle eingestuft. Er galt als Alkoholiker und Lügner, die US-Behörden wurden für die Zusammenarbeit mit einem derart unzuverlässigen Informanten hart kritisiert. Sämtliche Aussagen waren erlogen, mit dem Hintergrund persönlichen Nutzen daraus zu ziehen. Er gab sich als hochrangiger Mitarbeiter mit Hintergrundwissen aus, war aber lediglich ein Dieb und Taxifahrer, der durch ein abgebrochenes Chemie-Studium über einiges Wissen verfügte. In der Presse wurde er u.a. als „der Mann, der die Welt in einen Krieg log“ bezeichnet.[9][1] Im Jahr 2011 gestand Rafid Ahmed Alwan El-Dschanabi, der dem Bundesnachrichtendienst unter dem Codenamen Curveball die Informationen über vermeintliche Biowaffen und geheime Massenvernichtungsanlagen geliefert hatte, gegenüber dem britischen Guardian, dass seine Angaben hierzu gelogen waren. El-Dschanabi begründet seine Lügen damit, dass er die Chance gehabt hatte, „etwas zu fabrizieren, um das Regime zu stürzen“.[10][11]
Heute
Alwan arbeitete offiziell seit dem 1. Januar 2001 als freiberuflicher Mitarbeiter für die Münchner Firma Thiele und Friedrichs Marketing GbR. Alwan bekam von dieser Firma eine monatliche Zahlung in Höhe von 3000 Euro und einmalig eine Kaution in der Höhe von 2130 Euro für eine Wohnung in Karlsruhe. Ende 2008 wurde der Arbeitsvertrag, der offenbar eine Laufzeit von mehr als zehn Jahren hatte, gekündigt.[12] Alwan klagte dagegen erfolgreich vor dem Arbeitsgericht München[13] und soll angeblich die Nachzahlung von 2000 Euro erreicht haben. Genauere Informationen sind nicht verfügbar, da der Prozess zwischen Alwan und der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des §172 Nr.1 des Gerichtsverfassungsgesetzes[14] die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde.
Alwan wurde 2008 die deutsche Staatsbürgerschaft zugesprochen. Heute lebt er von Sozialgeld, in der Höhe von 1590,82 Euro, in Karlsruhe.[7]
Literatur
- Bob Drogin: Curveball: Spies, Lies, and the Con Man Who Caused a War. Random House, 2007, ISBN 1400065836.
Weblinks
- Geschichte des Curveball, Bericht des Spiegel TV Magazin, 30. März 2008 (9:04 min)
- Die Lügen vom Dienst: Der BND und der Irakkrieg in der ARD-Mediathek, 2. Dezember 2010
- Curveball: How US was duped by Iraqi fantasist looking to topple Saddam, Artikel von Martin Chulov & Helen Pidd im Guardian, 15. Februar 2011
- Interview mit „Curveball“: „George W. Bush hat mein Land befreit“ in der Welt, 28. August 2011
Fußnoten
- ↑ a b BBC News: Iraq war source’s name revealed. 2. November 2007, abgerufen am 29. August 2011.
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Curveball“: Alles zum Irak erfunden. 16. Februar 2011
- ↑ Peter Carstens: Waffe der Massendesinformation: Der Märchenerzähler "Curveball" und der Weg in den Irak-Krieg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. Februar 2008, abgerufen am 29. August 2011.
- ↑ Draggan Mihailovich: Faulty Intel Source „Curve Ball“ Revealed. In: CBS News. 11. Februar 2009
- ↑ Jason Vest: Big Lies, Blind Spies, and Vanity Fair. In: The Village Voice. 5. April 2005
- ↑ Helen Pidd & Martin Chulov: Curveball admissions vindicate suspicions of CIA's former Europe chief. In: The Guardian. 15. Februar 2011
- ↑ a b ARD: Die Lügen vom Dienst: Der BND und der Irakkrieg. 2. Dezember 2010, abgerufen am 29. August 2011.
- ↑ U. Müller, L. Wiegelmann & D. Banse: Deutscher Geheimdienst: „USA haben BND für Irak-Krieg missbraucht“. In: Die Welt. 27. August 2011
- ↑ Edward Helmore: US relied on „drunken liar“ to justify war. In: The Observer. 3. April 2005, abgerufen am 29. August 2011.
- ↑ Martin Chulov & Helen Pidd: Defector admits to WMD lies that triggered Iraq war. In: The Guardian. 15. Februar 2011
- ↑ n-tv: Massenvernichtungswaffen im Irak: Informant wollte Saddam stürzen. 16. Februar 2011
- ↑ Panorama in das Das Erste: Kriegslüge: BND bezahlte irakischen Betrüger. 2. Dezember 2010, archiviert vom Original am 11. Dezember 2010, abgerufen am 11. Dezember 2010.
- ↑ Arbeitsgericht München - Gz.: 20 Ca 15684/08
- ↑ Bundesministerium der Justiz
Wikimedia Foundation.