Wolf von Gemmingen

Wolf von Gemmingen

Die drei Brüder Dietrich († 1526), Wolf († 1555) und Philipp († 1544) von Gemmingen, Mitglieder eines süddeutschen Adelsgeschlechts, spielten für die Reformation im Kraichgau eine bedeutsame Rolle.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Hans der Reiche († 1490), Stammvater der Linie Gemmingen-Guttenberg, war mit Katharina Landschad von Steinach verheiratet. Ihr Sohn Pleikard wurde um 1440 geboren. Pleikard war Kanoniker im Stift St. Peter zu Wimpfen im Tal. Da seine Brüder ohne männliche Nachkommen blieben, hat er den geistlichen Stand wieder verlassen. 1478 heiratete er Anna Kämmerer von Worms genannt von Dalberg, die Tochter eines pfälzischen Hofmarschalls. Als Pleikard 1515 starb, lebten von seinen Kindern noch Gertrud – sie war mit Dieter von Handschuhsheim verheiratet –, Hans – er starb um 1549 als Domherr zu Worms – und die Söhne Dietrich, Wolf und Philipp.

Mit dem Vertrag vom 1. Februar 1518 teilten die Brüder das Erbe ihrer Eltern. Dietrich erhielt Burg Guttenberg mit allen Zugehörungen, Schloss und Dorf Bonfeld mit Zugehörungen und Nutzungen, dazu Besitzanteile in sieben weiteren Dörfern. Wolf bekam das Unter- und das Oberschloss in Gemmingen, den Anteil der Brüder am Dorf mit allen Herrschaftsrechten und Nutzungen, dazu Erträge aus Eigentum, Pfandbesitz und Rechten in zehn weiteren Dörfern. Philipp erhielt das Schloss und den Flecken Fürfeld mit allen Zugehörungen, zwei weitere Dörfer mit Zugehörungen, Gefälle und Nutzungen in neun anderen Dörfern und außerdem den gemmingenschen Hof in Heilbronn. Als ältester der Söhne hatte Dietrich also Burg Guttenberg erhalten, den neuen Stammsitz der Nachkommen Hans’ des Reichen. Der jüngere Wolf erhielt den Anteil seiner Familie an Gemmingen, dem alten Stammsitz, den er mit den Mitgliedern anderer Linien des Geschlechts teilen musste. Im Übrigen wurden die Besitzungen nach ihrem jährlichen Ertrag geteilt, der jeweils bei etwa 1300 Gulden lag.

Dietrich war mit Ursula von Nippenburg verheiratet, die aus einem der ältesten und angesehensten Geschlechter des schwäbischen Adels stammte. Wolf heiratete 1520 Anna Marschall von Ostheim aus einem alten fränkischen Adelsgeschlecht und Philipp war seit 1523 mit Agnes Marschall von Ostheim verheiratet.

Dietrich starb schon 1526; in seiner Kirche unterhalb der Burg Guttenberg wurde er beigesetzt. Sein Sohn Philipp – Philipp der Weise – ließ 1550 an der Nordwand der Kirche für den Vater, die Mutter und sechs verstorbene Geschwister ein Epitaph anbringen. (Siehe Abb.) Dietrichs Brüder Philipp und Wolf starben 1544 und 1555; beide wurden in der alten Gemminger Kirche bestattet. Die Grabplatten der beiden Brüder sind erhalten, zusammen mit der des Vaters stehen sie heute an der Mauer des kleinen Gemminger Schlossgartens.

Die drei Brüder spielten für die Reformation im Kraichgau eine bedeutsame Rolle. Nach David Chyträus war Dietrich von Gemmingen der Erste aus der Kraichgauer Ritterschaft, der „trotz mancher Schwierigkeiten, Drohungen und Nachstellungen … die wahre evangelische Lehre angenommen und fest behauptet hat.“[1]

Reformation im Kraichgau

Epitaph für Dietrich von Gemmingen († 1526)

Dietrich

Die heute noch existierende kleine Kirche unterhalb der Burg war Burgkapelle und Grablege der Herren von Gemmingen und gleichzeitig Pfarrkirche der Gemeinde Mühlbach. Erhard Schnepf versah ab Ende 1522 hier den Pfarrdienst. Dietrich hatte den aus Weinsberg vertriebenen lutherischen Prediger bei sich aufgenommen. Als Schnepf 1523 Guttenberg wieder verließ, wurde Kaspar Gretter sein Nachfolger. Gretter war auch Hauslehrer auf Burg Guttenberg und unterrichtete dort die Prediger Wolfs und Philipps – Bernhard Griebler und Martin Germanus – in der hebräischen Sprache. 1525, nach dem Weggang Gretters, kam Johann Walz, der bis 1530 blieb. Johannes Brenz, Prediger in Schwäbisch Hall, hatte ihn Dietrich empfohlen. Brenz wurde für Dietrich und seine Brüder zur Autorität in theologischen und auch in politischen Fragen. Unter dem Datum vom 20. Oktober 1525 schickte Brenz seine Erläuterungen in der Abendmahlsfrage an Dietrich. Am 4. Juni 1526 bat Hans Landschad von Steinach die Herren von Gemmingen um ihren Rat, denn der Pfälzer Kurfürst hatte ihn aufgefordert, seinen lutherischen Prediger zu entlassen. Die Brüder wandten sich an Johannes Brenz, der dann das Antwortschreiben verfasste. Im Dezember 1526 ist Dietrich gestorben. Noch am 3. Dezember hatte Brenz ihm seinen Hiobkommentar gewidmet. Keiner der gemmingenschen Prediger oder Pfarrer hielt die Leichenpredigt für Dietrich, sondern Johannes Brenz. Dies bezeugt die enge Verbundenheit der beiden Männer und das hohe Ansehen, das Johannes Brenz bei den Herren von Gemmingen genoss. Alle Pfarrer Dietrichs hatten in Heidelberg studiert. Sie gehörten zu einer ziemlich geschlossenen Gruppe junger Theologen, von denen viele aus dem Kraichgau oder aus dem Umland stammten und dort später die reformatorische Lehre verbreiteten.

Wolf

Die Pfarrkirche in Gemmingen gehörte zum Bistum Worms, und das Recht für die Besetzung der Pfarrstelle lag beim Domkapitel in Speyer. 1512 hat Wolfs Vater die Gemminger Prädikatur gestiftet, und 1513 ist Bernhard Griebler als Prediger in Gemmingen bezeugt. Von 1521 bis 1523 sei Griebler dort Pfarrer gewesen, schreibt Stocker in seiner Chronik der Familie von Gemmingen. Wegen Streitigkeiten mit dem Domkapitel in Speyer habe er die Pfarrei aufgegeben und wieder die Stelle des Predigers übernommen. Offenbar hatte Wolf von Gemmingen hier zum ersten Mal versucht, den altgläubigen Pfarrer Dietelm durch seinen von der Lehre Luthers überzeugten Prediger zu ersetzen. Im November 1524 beklagte sich Pfarrer Dietelm beim Domkapitel über Grieblers predigen und teutsch taufen der kinder.[2] Hier wird Grieblers evangelische Predigt bezeugt und sein Gebrauch der deutschen Sprache beim Taufritus. Im Februar 1525 musste sich das Domkapitel schon wieder mit der Situation in Gemmingen befassen, denn Wolf hatte einen Teil des dem Pfarrer zustehenden Kirchenzehnts für die Besoldung des Predigers verwendet. Unter dem Datum vom 15. November 1527 ist im Protokoll des Speyerer Domkapitels vermerkt, dass Wolf von Gemmingen den Pfarrer vertrieben und ein andern luterischen pfarher[3] eingesetzt habe. Wolfgang Buss hieß der neue reformatorische Pfarrer. Aber das Domkapitel hat sich noch einmal durchgesetzt, denn erst Ende 1531 verließ der am alten Glauben festhaltende Pfarrer Dietelm endgültig das Dorf.

Philipp

Philipp begann 1519 mit dem Neubau des Fürfelder Schlosses. 1521 wurde die alte Bonfelder Kaplanei in Fürfeld zur selbstständigen Pfarrei erhoben. Martin Germanus aus Cleebronn war ihr erster Pfarrer. Philipp von Gemmingen hat Germanus nach Fürfeld berufen, weil er für seine neue Pfarrei einen lutherischen Pfarrer suchte. Im März 1522 beurlaubte er seinen jungen Pfarrer zum Studium an der Universität Wittenberg. Mit Martin Germanus sind die Anfänge der reformatorischen Predigt in Fürfeld für das Jahr 1521 bezeugt.

Abendmahlsstreit

Im aufkommenden Abendmahlsstreit wollten die Straßburger Theologen zwischen den unterschiedlichen Positionen im Abendmahlsverständnis der Reformatoren vermitteln. Wolfgang Capito lud Johannes Brenz – einen engagierten Anhänger Luthers – und seine Freunde zu einem Kolloquium ein. Brenz nahm die Einladung an und schlug im November 1525 als Treffpunkt Gemmingen vor. Auch Wolf von Gemmingen schrieb an die Straßburger. Seinem Brief legte er Brenzens Erläuterung in der Abendmahlsfrage bei, die dieser für Dietrich verfasst hatte. Mit einem an Dietrich, Wolf und Philipp adressierten Brief bedankten sich Wolfgang Capito und Martin Bucer für die Einladung, schlugen aber Straßburg als Treffpunkt vor. Das von Johannes Brenz verfasste Antwortschreiben der Brüder von Gemmingen ging nicht auf diese Einladung ein.

Ohne die nicht geladenen Straßburger Prediger fand noch im Dezember 1525 auf Burg Guttenberg ein Religionsgespräch statt. Der Heidelberger Theologe Simon Grynäus nahm teil, vermutlich begleitet von Martin Frecht. Grynäus berichtete dem Basler Reformator Johannes Oekolampad – einem engen Freund Zwinglis – vom Verlauf.[4] Die Gesprächspartner auf der Gegenseite waren Johannes Brenz und einige Prediger und Pfarrer aus dem Kraichgau. Zu einer Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte kam es nicht. Die Fronten im Abendmahlsstreit hatten sich verhärtet.

In den zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen Luther und Zwingli gewann die Richtung Zwinglis ab 1528 in Südwestdeutschland an Boden. Auch Martin Germanus in Fürfeld – und mit ihm natürlich Philipp von Gemmingen – bekannte sich nun zum Standpunkt des Zürcher Reformators. Germanus und Johann Walz, der 1530 von Mühlbach nach Gemmingen gekommen war, bemühten sich um ein Gespräch zwischen den Parteien im Kraichgau. Die geplante Zusammenkunft der Kraichgauer Theologen fand am 22. Mai 1532 in Fürfeld statt. Franziscus Irenicus aus Gemmingen und Pfarrer Wurzelmann aus Schwaigern nahmen als Vertreter der lutherischen Seite teil. Als Anhänger Zwinglis erschienen neben Germanus und Walz auch Melchior Ambach, Pfarrer in Neckarsteinach, und Johann Gallus, der Gölersche Pfarrer in Sulzfeld. Die Verhandlung endete mit der Aussicht auf eine Einigung. Das Bemühen um einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Standpunkten scheiterte aber an der nicht zu Konzessionen bereiten Haltung von Johannes Brenz. Anfang Mai 1532 kam Martin Bucer auf der Rückreise von Schweinfurt nach Fürfeld und Gemmingen, um seine Kollegen über die Verhandlungen zwischen den oberdeutschen Städten und der lutherischen Seite zu informieren. Im Mai 1536 trafen sich die Anhänger Zwinglis aus Süddeutschland mit den Wittenberger Theologen. Auf ihrer Reise nach Wittenberg kamen Martin Bucer und die Prediger aus Augsburg, Memmingen, Ulm und Esslingen nach Fürfeld, wo sich Martin Germanus der Gruppe anschloss.

Täufer

Die Glaubensgemeinschaft der Täufer hat ihren Ursprung in der reformatorischen Bewegung. Die Schweizer Täufer gingen von der Theologie Ulrich Zwinglis aus. Anders als er bestanden sie aber auf einer Organisation der Kirche außerhalb aller weltlichen Ordnung. Sie erschienen deshalb den Obrigkeiten und auch den führenden Reformatoren als Bedrohung. Trotz aller Behinderung breitete sich das Täufertum ab 1525 auch in Südwestdeutschland aus. In Esslingen gab es Ende 1527 eine blühende Gemeinde mit fast 200 Mitgliedern.[5] Um die Jahreswende setzten aber auch hier die ersten Verfolgungen ein, und einige der Vertriebenen kamen nach Heilbronn. 1528/29 gab es 30–40 Täufer in der Stadt, neben den Esslingern auch Heilbronner Bürger. Klaus von Esslingen, der führende Kopf der Gemeinde, predigte nicht nur in Heilbronn, sondern auch in den Dörfern des Kraichgaus.

Im Mai 1529 sagte ein Täufer aus, sein Mitbruder Philips Weber sei zue Furfelt by denselbigen edelleuten gewesen, die kennen ine woil.[6] Philipp von Gemmingen in Fürfeld und sein Pfarrer Germanus standen auch in den folgenden Jahren in Verbindung mit den Täufern von Heilbronn. Im Mai 1530 wurde der Heilbronner Bürger Endris Wertz mit Frau und Kind aus Heilbronn gewiesen; als Täufer hatte er dem Rat der Stadt den Eid verweigert. Wertz sei nach seiner Vertreibung nach Fürfeld gekommen, sagt Martin Germanus später aus. Um 1533 stand Endris Wertz dann im Dienst Weirichs von Gemmingen in Michelfeld, wo er sich mehrere Jahre aufhielt. Nach Endris Wertz wurde im Dezember 1530 Endris Besserer, ein wohlhabender Bürger, aus der Stadt gewiesen. Er sei „einige Tage“ in Fürfeld gewesen, schreibt Wolf von Gemmingen – vermutlich auf Bitten seines Bruders – im März 1531 an den Heilbronner Prediger Johann Lachmann, der sich dann beim Rat der Stadt erfolgreich für den Täufer einsetzte.

Wie sein Vetter Weirich in Michelfeld und seine Nachbarn, die Herren von Neipperg und die Herren von Massenbach, stand Philipp von Gemmingen in Verbindung mit den Täufern von Heilbronn. Als Teil der ständischen Gesellschaft und als Vertreter der politischen Ordnung gehörte er nicht zur Gemeinde der Täufer, doch wie diese suchte er nach einem Weg zur Erneuerung des christlichen Lebens.

Einzelnachweise

  1. David Chytraeus: Kraichgau/De Creichgoia. Faksimile der Ausgabe von 1561. Übersetzt und kommentiert von Reinhard Düchting und Boris Körkel. Hrsg. vom Heimatverein Kraichgau e.V. (Sonderveröffentlichung Nr. 21) S. 73.
  2. Manfred Krebs (Bearb.): Die Protokolle des Speyerer Domkapitels, Bd. 2, Stuttgart 1969 Nr. 6381.
  3. Manfred Krebs (Bearb.): Die Protokolle des Speyerer Domkapitels, Bd. 2, Stuttgart 1969 Nr. 7019.
  4. Ernst Staehelin (Bearb.): Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, Bd. 1, ND New York/London 1971 Nr. 323.
  5. Martin Brecht und Hermann Ehmer: Südwestdeutsche Reformationsgeschichte. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg 1534. Stuttgart 1984 S. 125.
  6. Manfred Krebs (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Täufer, Bd. 4, Gütersloh 1951 S. 140,25f.

Literatur

  • Martin Brecht, Gerhard Schäfer, Frieda Wolf (Hrsg.): Johannes Brenz. Frühschriften. 2 Teile, Tübingen 1970/74.
  • Max-Adolf Cramer (Bearb.): Baden-Württembergisches Pfarrerbuch. Bd. 1, 2 Teile, Karlsruhe 1979/88.
  • Gerhard Kiesow: Von Rittern und Predigern. Die Herren von Gemmingen und die Reformation im Kraichgau. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1997.
  • Elfriede Lichdi: Die Täufer in Heilbronn 1528−1559. In: Mennonitische Geschichtsblätter 35 (1978) S. 7–61.

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