- Wörtel
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Die Handspindel stellt die ursprüngliche Form des Werkzeuges zum Verspinnen von Fasern dar. Eine Handspindel besteht aus dem Wirtel (Spindelringscheibe), auch Spinnwirtel, Wirtelstein oder Wörtel als Schwungmasse (Fig. c), und dem Schaft (Fig. b).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Älteste Belege von Spinnwirteln in Europa stammen aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. aus den Siedlungen der Sesklo-Kultur in Griechenland, da das Material (oft Keramik) die Zeit überdauerte. Bereits 2000 Jahre zuvor sollen die Ackerbauern in der Levante Textilien hergestellt haben. Ob diese aus Flachs bzw. Lein oder aus tierischer Wolle waren, ist wegen fehlender Erhaltung unklar. Erhaltenes Leinen taucht jedenfalls erst 2000 Jahre später in Ägypten auf. Die prähistorischen Wirtel sind bisweilen mit symbolischen Zeichen verziert und wurden wohl auch der Gottheit als Weihegeschenke dargebracht. Wirtel wurden in vielen vorgeschichtlichen Siedlungen gefunden. Der kugel- oder scheibenförmige, konische oder doppelkonische zentrisch durchlochte Wirtel dient als Schwungmasse für die Handspindel und kann aus verschiedenen Materialien bestehen (Holz, Knochen, Stein oder Ton; später auch Glas). Er hat einen Durchmesser bis zu 5 cm und kommt seit dem Neolithikum vor.
Als Wirtel wird auch in heutigen Ringspinnmaschinen das Teil bezeichnet, über das die Spindel angetrieben wird. Der Schaft (Stab der Handspindel) alleine wird manchmal auch als Spindel bezeichnet. Das obere Schaftende kann unterschiedlich geformt sein: spitz zulaufend, mit einem Metall- oder geschnitztem Haken, mit einer Kerbe oder Rille, bzw. einer Mittel- oder spiralförmigen Nut versehen.
Funktionsweise der Handspindel
Der Spinnfaden wird am oberen Ende der Spindel befestigt, in dem er mit einem halben Schlag gesichert und - sofern vorhanden - in den Haken, die Rille oder die Nut einlegt wird. Nun wird die Handspindel, frei am Spinnfaden hängend, in eine rasche Drehung versetzt. Nun wird stetig neues Material zugeführt und dieses in der gewünschten Fadenstärke ausgezogen, bevor es verdreht wird. Der Übergang zwischen den zugeführten ausgezogenen (nahezu parallel verlaufenden) Fasern und der beginnenden Verdrehung zu einem Faden nennt man Faserdreieck. Wenn die Handspindel fast den Erdboden berührt, wird der neu entstandene Faden auf dem Schaft aufgewickelt und der Vorgang beginnt von neuem. Hierbei können zur besseren Handhabung die vorbereiteten Spinnfasern auf einem Rocken (Wocken, Wockenstab. Fig. a) bzw. Kunkel befestigt werden.
Dieses Verfahren der Textilherstellung ist weltweit verbreitet und diente jahrtausendelang zur Produktion von Garnen für Kleidung. Es wurde im späten Mittelalter vom Spinnrad und zu Beginn der Industriellen Revolution durch Spinnmaschinen wie der Spinning Jenny abgelöst.
Auch heute noch dient die Handspindel in vielen weniger entwickelten Gegenden der Erde als Werkzeug zur Herstellung für Textilien des täglichen Gebrauchs. Auch unter der langsam wieder wachsenden Zahl der Hobby-Spinner wird die Handspindel wieder verwendet.
Der Vorteil der Handspindel gegenüber dem Spinnrad ist die Portabilität. Sie kann leicht transportiert werden und auch während vieler Tätigkeiten des normalen Lebens betrieben werden (z. B. beim Schafehüten, beim Gehen, beim Warten auf den Bus oder im Arztwartezimmer). Dadurch relativiert sich die langsamere Spinngeschwindigkeit gegenüber dem ortsfesten Spinnrad etwas. Eine Arbeitskraft in einer heutigen industriellen Spinnerei produziert jedoch mehrere tausend Mal mehr Garn als von Hand, gemessen in kg Garn pro Arbeitsstunde.
Verschiedene Arten von Handspindeln
Man unterteilt diese anhand der Form bzw. des Wirtelsitzes in
- Tiefwirtelspindeln (engl. Bottom- oder Down-Whorl), wenn der Wirtel sich unterhalb der Schaftmitte befindet. In Europa war hauptsächlich diese Art von Spindel verbreitet.
- Hochwirtel (engl. Top-Whorl), wenn sich der Wirtel oberhalb der Schaftmitte befindet. Diese Spindelform benötigt zwingend einen Haken am oberen Schaftende. Der Spinnfaden wird dort unterhalb des Wirtels aufgewickelt. Diese Art von Handspindel war u.a. in Ägypten und Asien verbreitet. Diese Spindel kann nicht nur durch das Andrehen mit der Hand, sondern auch durch das Abrollen des Spindelschaftes über dem Oberschenkel des Spinners angetrieben werden. Hierbei können viel höhere Drehzahlen erreicht werden, wodurch die Produktivität gesteigert werden kann. Dadurch erfreuen sich diese Art von Handspindeln wachsender Beliebtheit und werden heutzutage ausgehend von den USA auch wieder in wachsenden Stückzahlen und mit moderneren Fertigungstechniken hergestellt.
- Sonderformen mit dem Wirtel genau in der Mitte (Akha-Spindel) oder mit zwei Wirteln (Balkanspindel).
Neben den oben genannten frei hängend betriebenen Handspindeln (= Fallspindeln) gibt es auch Standspindeln, die im Englischen "Supported Spindles" genannt werden. Hierbei gibt es große schwere Spindeln mit langem Schaft, die auf dem Boden stehend betrieben werden, während der Spinner im Schneidersitz auf dem Boden oder auf einem Stuhl sitzt (z. B. die Navajo-Spindel) oder eher kleinere und leichtere Spindeln, die in einer Holz-, Keramik-, Muschelschale oder ähnlichem stehend besponnen werden. Mit großen, schweren Standspindeln werden u. a. von den Navajo-Indianern dicke Teppichgarne gesponnen. Kleine, leichte Standspindeln sind gut geeignet, sehr feine und kurze Fasern (wie z. B. Baumwolle) zu sehr dünnen Fäden zu spinnen, die frei hängend das Gewicht der Handspindel nicht tragen könnten. Außerdem verhindert die Benutzung in einer Schale, dass der (Ton-)Wirtel bricht, falls der Faden reißt und die Spindel ansonsten zu Boden fällt. Standspindeln haben in der Regel ein angespitztes Schaftende und einen unten sitzenden Wirtel.
Weblinks
- Spinnen mit der Handspindel (Landschaftsmuseum Obermain)
- Beschreibung verschiedener Handspindeltypen bei Spinnradclub
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