- Kleidung
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Als Kleidung (auch Bekleidung) wird in einem umfassenden Sinn die Gesamtheit aller Materialien bezeichnet, die als künstliche Hülle den Körper des Menschen mehr oder weniger eng anliegend umgibt (Gegensatz: Nacktheit). Zum einen dient sie dem Schutz vor belastenden Umwelteinflüssen, zum anderen in ihrer jeweiligen Gestaltung der nonverbalen Kommunikation. Damit hat sie sich entsprechend den klimatischen, individuellen und modischen Bedürfnissen des Menschen kultur- und zeitabhängig sehr unterschiedlich entwickelt. Reine Schmuckgegenstände zählen nicht zur Kleidung, im engeren Sinne auch nicht das Accessoire (als „Beiwerk“ zur Kleidung).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Nach Auffassung des Anthropologen Alexander Pashos lässt sich der geschichtliche Zeitpunkt, seit dem Menschen regelmäßig Kleidung trugen, aus dem Auftreten der Kleiderlaus schätzen. Daraus gefolgert deuten aktuelle Genanalysen auf einen Entstehungszeitraum vor etwa 75.000 Jahren hin.[1]
Die Kleidung im Mittelalter spiegelte den Platz innerhalb der mittelalterlichen Ständeordnung wieder. Unterschiede zwischen den Ständen bestanden meist nur im verwendeten Material und dem dazugehörigen Zierrat. Verfügbare Materialien zur Textilherstellung für die niederen Stände waren Leinen, Hanf, Nessel (diese drei insbesondere zur Verwendung für die Unterbekleidung) und Schafwolle (diese insbesondere für Oberbekleidung). Der höhere Stand konnte auch teure Importstoffe (zum Beispiel aus Seide), bessere Textilqualitäten und veredelte Tuche kaufen.
- Kleidungsreform
Im Umfeld der Lebensreform-Bewegungen gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland mehrere Ansätze zu einer Reform der Kleidung, wobei sich die ersten Überlegungen auf die Männerkleidung bezogen. Heftige Kontroversen gab es zur Frage, welches Material der Gesundheit besonders zuträglich sei. Gustav Jäger hielt ausschließlich Wolle für geeignet, während Heinrich Lahmann Baumwolle befürwortete und Sebastian Kneipp vor allem Leinen. Jäger gründete ein eigenes Bekleidungsunternehmen für die von ihm entworfene sogenannte Normalkleidung für Männer, die einige Jahrzehnte lang recht erfolgreich auf dem Markt war, im deutschen Sprachraum und auch in England. Er gründete einen eigenen Verein und gab eine monatliche Zeitschrift heraus.
Bedeutung
Physiologische Schutzfunktion und Gefahren
Kleidung soll den Menschen vor Unterkühlung und Erfrierung (durch Kälte, Nässe, Wind) und vor einem Hitzeschaden oder Sonnenbrand (durch Wärmestrahlung und UV-Licht) schützen und gleichzeitig die Verdunstung des Schweißes beim Schwitzen nicht behindern. Weitergehenden Schutz vor besonderen Risiken bietet spezielle, heute meist normierte Schutzkleidung wie die „kugelsichere Weste“, die Schnittschutzhose für Arbeiten mit der Motorsäge, die Hitzeschutzkleidung oder der Chemieschutzanzug.
- Gefahren
Unzweckmäßige Kleidung kann gesundheitsgefährdend sein:
- ungünstiger Schnitt kann zu engen oder zu fest anliegenden Kleidern führen, die auf Blutgefäße, Nerven oder leicht verletzliche Organe drücken, und die die erforderliche Ventilation und Wärmeregulierung verhindern (z. B. beim Schnüren);
- Benutzung giftiger Substanzen zum Färben (Schweinfurter Grün, Chromgelb und bestimmte Anilinfarben), sie sind besonders gefährlich, wenn sie nur lose mit Stärke aufgelegt sind, wie bei Schleiern und Seidenzeug;
- Aufnahme organischer Krankheitskeime und Übertragung auf Gesunde (Flanell und dünne Wollstoffe aufgrund ihrer rauen Oberfläche).
Psychologische Funktion
Darüber hinaus hat Kleidung oft auch noch eine haptische oder sinnliche Erlebnisfunktion. Kleidung ist Genussmittel oder sogar Spielzeug. Darunter fällt der sinnliche Genuss an bestimmten Materialien, Formen und Farben und am Spielen und Experimentieren mit Formen, Farben, Materialien. Beispiele: das Kuscheln in weichen Materialien und die erotisch-sexuell stimulierende Wirkung bei Materialfetischismen (siehe auch Fetischismus), sowie der Genuss einer anmutigen Erscheinung.
Siehe auch: Psychologie und Sozialpsychologie der ModeWirtschaftliche Bedeutung
Soziale Bedeutung – Kommunikationsmittel
Darüber hinaus dient Bekleidung als Zeichen und Kommunikationsmittel, das ein breites Spektrum an Signalen zur Verfügung stellt. Eine sehr einfache Form ist die schlichte Markierung oder Kennzeichnung als beachtenswertes Objekt, so sollen neonorangene Warnwesten von Straßenarbeitern verhindern, dass ein Arbeiter übersehen wird. Die Bedeutung, die Kleidung im Leben eines einzelnen Menschen hat, ist individuell sehr unterschiedlich, auch abhängig vom gesellschaftlichen Umfeld (und dessen Rollenerwartungen an den einzelnen). Für den einen ist sie unwichtige Äußerlichkeit bzw. pragmatischer Gebrauchsgegenstand, für den anderen wesentlicher Bestandteil ihres Lebens.
Häufig kennzeichnet Kleidung die Mitglieder einer Gruppe als Angehörige dieser Gruppe. Im Sport markiert das Trikot den Träger als Angehörigen einer Mannschaft, sowie einst die Uniform half Freund und Feind zu unterscheiden. Im Normalfall dienen sie nur der Unterscheidung von anderen Gruppen und sagen wenig über die Eigenschaften der Gruppe aus. Das ist bei anderer gruppenspezifischer Kleidung deutlich anders. Beispiele dafür sind neben Sportkleidung in etablierten Vereinsfarben auch die Präsentation von Berufsrollen, Rang- (etwa Uniform des Militärs) und Standesunterschiede (die Abgrenzung bzw. Zugehörigkeit von anderen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Individuen).
Auch in der Art der Bedeutung, die der einzelne der Kleidung beimisst, bestehen erhebliche Unterschiede. Sie zeigen sich an den sehr unterschiedlichen Aspekten, auf die der einzelne bei der Wahl seiner Kleidung vorrangig achtet: Mode- Marken-, Stil-, Schönheitsbewusstsein; Gebrauchsfunktionalität; Wohlfühlkomponenten. Dahinter können ganz unterschiedliche Motive stecken (je und /oder): Pragmatismus, Genussstreben, Wunsch nach Integration durch Assimilation, Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen, Wunsch nach Wohlbefinden, Imponierverhalten, Ausdruck des eigenen Lebensstils, sozialer Status, Nonkonformismus, Rebellion und anderes.
Weitere Markierungsfunktionen der Kleidung sind ästhetischer Art (teils unbewusst): das Sich-Ausdrücken-Wollen oder das Schmücken des Trägers, aber auch das ästhetisch-ironische Spielen und Experimentieren mit etablierten Formen der Kennzeichnung.
- Zeichen der Zugehörigkeit
Die Gründe der Abgrenzung durch Kleidung können gruppenspezifisch sein. So kann man anhand der Kleidung unterscheiden:
- stammesspezifische Kleidung, Nationaltracht, Burnus, Tunika oder Toga
- die Funktion als Amtsträger (Uniform, Amtstracht, Dienstkleidung) oder als Angehöriger eines Unternehmens bzw. einer Organisation (Kluft)
- die Religion (religionsspezifische Kleidung), Kopftuch, Burka,
- den Beruf (Berufskleidung) und darin unterschiedliche Funktionen oder Ränge (Arztkittel, OP-Kittel, Pflegepersonal-Kasak) – zum Teil mit Schutzkleidungsfunktion
- die Vereinszugehörigkeit als Tracht oder Couleur, die jeweils bestimmte Gattungen und Ränge markiert.
- eine Stimmung, insbesondere Trauerkleidung
Kleidung kann geschlechtsspezifisch, altersspezifisch und/oder standes-/klassen-/kastenspezifisch sein. In den westlichen Industriestaaten begründen die verschiedenen Lebensstile die unterschiedlichen Ausprägungen von und Abgrenzungen durch Kleidung. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kleidung erfolgt durch die Volkskundliche Kleidungsforschung.
Möglichkeiten der Unterteilung
Kleidung lässt sich unterscheiden durch:
- Berufskleidung, Amtskleidung, Ordenskleidung mit weniger funktionaler Begründung: Geschäftskleidung, Kluft (Zunftkleidung), Freimaurerische Kleidung, Dienstkleidung, Bürokleidung
- Freizeitkleidung: Badebekleidung
- Kleidung für besondere (gesellschaftliche) Anlässe: Trauerkleidung, Umstandskleidung
- nach Material: Latexkleidung, Lederbekleidung, Pelz, Webstoff,
- Schutzkleidung, Kleidung mit speziellen physiologischen Funktionen: Tarnkleidung, Kühlbekleidung, Hitzeschutzkleidung, Regenbekleidung, Seglerbekleidung, Rettungsdienstliche Einsatzkleidung,
- Kleidung für bestimmte Körperteile: Damenoberbekleidung, Unterwäsche, Fußbekleidung
- nach Geschlecht und Alter: Kinderkleidung
- nach Moden und historischen Vorschriften: Kleidermode, Reformkleidung
- durch (beigemessene) Qualität: Markenkleidung, siehe auch Lumpenproletariat
- Sträflingskleidung: KZ-Häftlingskleidung
- nicht für Menschen geschaffene Kleidung: Tierbekleidung
Bezeichnungen in der deutschsprachigen Textilbranche
- DOB - Damenoberbekleidung
- HAKA - Herren- und Knabenoberbekleidung
- KIKO - Kinderkonfektion
- BESPO - Berufs- und Sportbekleidung
Kennzeichnung von Kleidung
Um Auswahl und Pflege der Kleidung zu erleichtern, werden im oder auf dem konfektionsmäßig hergestellten Kleidungsstück meist einige Angaben gemacht:
- die Marke
- die Zusammensetzung der Materialien
- die unterschiedlichen Größe, in Konfektionsgrößen gegliedert.
- Textilpflegesymbole zur Orientierung, wie Kleidung gereinigt und gepflegt werden soll
- manchmal die Modellbezeichnung des einzelnen Kleidungsstückes.
Siehe auch
- Altkleidersammlung
- Kleiderordnung
- Statussymbol
- Kostüm
- Gewandung
- Kampagne für saubere Kleidung
- Liste der Kleidungsstücke
- Liste der Uniformstücke
Literatur
- Hans-Joachim Hoffman: Kleidersprache. Eine Psychologie der Illusion in Kleidung, Mode und Maskerade. Ullstein, Frankfurt am Main 1985.
- René König: Die zweite Haut. Elefantenpress, Berlin 1987
- Ingrid Loschek: Mode – Verführung und Notwendigkeit. Bruckmann, München 1991.
- Ingrid Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 5. Aufl., Reclam, Stuttgart 2005.
- Richard Sennett: Der Körper als Kleiderpuppe. In: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Fischer, Frankfurt am Main 1982.
- Roland Barthes: Die Sprache der Mode. (deutsche Übersetzung), Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985.
- Philipp Zitzlsperger: Kostümkunde als Methode der Kunstgeschichte. In: Kritische Berichte. 1, 2006, S. 36–51.
Weblinks
Commons: Kleidung – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Kleidung – Quellen und VolltexteWikiquote: Kleidung – ZitateWiktionary: Kleidung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEinzelnachweise
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