Zeitgeschichtlich

Zeitgeschichtlich

Die Zeitgeschichte oder zeitgenössische Geschichte (von frz. histoire contemporaine) ist im deutschen Sprachraum jene Epoche der Späten Neuzeit, „die zumindest ein Teil der Zeitgenossen bewusst miterlebt hat, im engeren Sinn die wissenschaftliche Untersuchung und Darstellung dieses Zeitraums durch die Geschichtswissenschaft.“[1]

Es handelt sich also nicht um eine abgeschlossene oder dauerhaft abgrenzbare Epoche, sondern um eine dynamische, die sich im Laufe der Zeit verändert. Der Begriff hat in Deutschland durch das 1950 gegründete Institut für Zeitgeschichte (München) Verbreitung gefunden, wobei damals auch noch die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges zur Zeitgeschichte untersucht werden sollte.

Inhaltsverzeichnis

Ältere Definition nach dem Zweiten Weltkrieg

Zuerst wurde als Zeitgeschichte die Epoche seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bzw. seit der Oktoberrevolution in Russland ab 1917 verstanden, das Ende des langen 19. und der Beginn des „kurzen 20. Jahrhunderts“. Für eine Zäsur im Jahr 1917 sprechen mehrere Gründe:

  • Die Epoche seit 1917 ist eine Zeit, in der die alten Monarchien, in der die Fürsten in den meisten europäischen Staaten noch die letztliche Regierungsgewalt hatten, neuen Gesellschaftsentwürfen weichen mussten, als archetypisch dafür gelten die Dynastien der Romanows, Habsburger, Hohenzollern und Osmanen. Vor der endgültigen Durchsetzung republikanisch-demokratischer Strukturen war die Zeitgeschichte auch geprägt von Diktaturen.
  • Durch die Oktoberrevolution in Russland wurde der Grundstein gelegt für die spätere Spaltung der Welt in zwei Blöcke und die Phase des Kalten Kriegs, die dem Zweiten Weltkrieg folgte und die bis zum Niedergang der UdSSR um 1990 andauern sollte. Dem Kalten Krieg zwischen den "kapitalistischen" Systemen des Westens, angeführt durch die Supermacht USA einerseits und den „kommunistischen“, realsozialistisch genannten Systemen des Ostblocks, angeführt durch die Supermacht UdSSR andererseits, lag die ideologische, politische, ökonomische, militärische und technologische Konkurrenz der USA und der UdSSR zugrunde.
  • Mit ihrem Kriegseintritt in den Ersten Weltkrieg vollzogen die USA einen Bruch in ihrer bisherigen, gegenüber Europa isolationistischen Außenpolitik (die sie allerdings in der Zeit zwischen 1921 und 1941 wieder aufnahmen). Dies ist ebenfalls im Hinblick auf die spätere Teilung der Welt eine wichtige Zäsur. Außerdem intervenierten die USA damit erstmals in Europa und nicht umgekehrt.

Neuere Definition

Zunehmend aber wird mit Ausgang des 20. Jahrhunderts unter Zeitgeschichte die Epoche seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstanden, da nur noch wenige Zeitzeugen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs leben. Dies gilt besonders für diejenigen, die damals bereits Erwachsene waren oder gar in verantwortlicher Stellung standen.

  • Die Epoche seit 1945 ist für die meisten Europäer und Nordamerikaner eine Friedenszeit, die durch keinen großen Krieg geprägt ist.
  • Nach 1945 endete mit der allmählich einsetzenden Dekolonialisierung die Vorherrschaft europäischer Mächte (Frankreich und Großbritannien waren als Teil der NATO den USA untergeordnet, Deutschland und Italien hatten ihren Weltmachtstatus und ihre Kolonien infolge der Kriegsniederlagen verloren).
  • In Westeuropa begann mit der Durchsetzung der Demokratie in den meisten Staaten (lediglich Spanien, Portugal und Griechenland erlebten noch eine von Unruhen und Diktatur geprägte Zeit) der Europäische Einigungsprozess.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Encarta 2007: Zeitgeschichte.

Weblinks


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