Zentgericht

Zentgericht
Zentgericht aus dem 11. Jahrhundert in Geisa in der Rhön
Memmelsdorfer Zentgericht. Kolorierte Zeichnung im Gerichtsbuch des Vogtes Sebastian Zollner (1589/96)

Das Zentgericht ist ein mittelalterliches Gericht im südwest- und mitteldeutschen Raum. Der Name stammt von lateinisch centum "Hundert". Ein Zentgericht ist also das Gericht einer Hundertschaft. Es entspricht in seiner Bedeutung dem norddeutschen Gogericht. Regional ist auch die Bezeichnung „Veste“, „Feste“ oder „Landfeste“ für dieses Gericht üblich. Teilweise gehen die Gerichte noch auf das Fränkische Reich zurück, während andere erst während späterer Phasen des Mittelalters eingerichtet wurden.

An der Spitze eines Zentgerichts standen Geschworene (oder Dingleute) unter Vorsitz eines Zentgrafen als herrschaftlichen Beamten. Für den Zentgrafen (auch Zentenarius) sind regional unterschiedliche Titel üblich gewesen. Wie zum norddeutschen Gogericht, so gehören auch zum südwestdeutschen Zentgericht periodische Versammlungen sämtlicher Bauern des Gerichtsbezirks.

Möglicherweise war das Zentgericht ursprünglich nur ein Niedergericht im Gegensatz zum Hoch- oder Blutgericht des Grafen. Die Hochgerichtsbarkeit wurde im Mittelalter zunehmend auf die Zentgerichte übertragen. Sie wurden im Hochmittelalter zum Instrument der Landesherrschaft, die nicht nur juristische, sondern auch zahlreiche Verwaltungsfunktionen übernahmen. Gegen Urteile der Zentgerichte war die Appellation an ein Gericht des Grafen möglich, unter bestimmten Umständen war danach noch die Appellation an das Reichskammergericht oder den Reichshofrat möglich.

Seit dem 15. Jahrhundert wurde die Rechtsprechung zunehmend durch Weistümer, landesherrlichen Verordnungen, bestimmt. Durch Gerichtsordnungen verlegten die Landesherren die Judikative zunehmend in die Kanzleien. Die Zentgerichte verloren schrittweise ihre Bedeutung. Zum Teil bestanden die Zentgerichte bis ins 17. Jahrhundert.

Der Bezirk eines Zentgerichts wird als Zent(e) bezeichnet und umfasste meist zwischen zehn und dreißig Orte. Die mittelalterlichen Gerichtsbezirke waren allerdings vielfach durchlöchert durch exempte Orte und Personen. Besonders die Adeligen, die Klöster und die Städte genossen den regulären Gerichten gegenüber Immunität und bildeten eigene Gerichte. Ein Weistum des Hochstifts Würzburg aus der Zeit um 1300 belegt: daz kein dienstman des riches oder dises stiftes czu Wirtzburg sulle entwurten an keyn czent im herzogtum czu Franken ...(StAW, Standbuch 825, S. 372). An den Grenzen zu benachbarten Zentgerichtsbezirken wurden - häufig noch heute sichtbare - Zentsteine zur Markierung errichtet.

Literatur

  • Hermann Knapp (Hrsg.): Die Zenten des Hochstifts Würzburg, Berlin 1907
  • Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes. 3. Auflage. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1999, ISBN 3-922244-80-7.
  • Christiane Birr: Konflikt und Strafgericht. Der Ausbau der Zentgerichtsbarkeit der Würzburger Fürstbischöfe zu Beginn der frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2002, ISBN 3-412-16201-9
  • Heinrich, Hansjörg: Die Tätigkeit der Zentgerichte in Hohenlohe seit dem späten Mittelalter, Dissertation Tübingen 1968

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