- Zwei-Drittel-Mehrheit
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Unter der Zweidrittelmehrheit versteht man die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Stimmen (mindestens 66,6 %).
In Demokratien müssen häufig zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen, um eine Verfassungsänderung zu beschließen. Dies bedeutet, dass eine Minderheit mit mehr als einem Drittel der Stimmen die Verfassungsänderung verhindern kann. Im Gegensatz dazu werden einfache Gesetze in der Regel mit einfacher Mehrheit, d. h. der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen (z. B. Art. 42 Abs. 2 S. 1 des deutschen Grundgesetzes, Art. 31 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes).
Unterschieden wird zwischen einfachen und qualifizierten Zweidrittelmehrheiten. Letztere werden nur erreicht, wenn (mindestens) zwei Drittel der Mitglieder des beschließenden Gremiums zustimmen. Bei einfachen Zweidrittelmehrheiten genügen die Stimmen von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder.
Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Bundesebene
Einfache Zweidrittelmehrheit
Auf deutscher Bundesebene verlangt das Grundgesetz (GG) eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder (s. auch Art. 121 GG) in folgenden Artikeln:
- Art. 115a Abs. 1 GG, wenn der Bundestag den Verteidigungsfall feststellen will,
- Art. 115a Abs. 2 GG, wenn der Gemeinsame Ausschuss den Verteidigungsfall feststellen will,
- Art. 115e Abs. 1 GG, wenn der Gemeinsame Ausschuss im Verteidigungsfalle die Verhinderung des Bundestages feststellen will – worauf der erstere an die Stelle des letzteren und des Bundesrates tritt.
Qualifizierte Zweidrittelmehrheit
Das Grundgesetz verlangt eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit in folgenden Artikeln:
- Art. 79 Abs. 2 GG, wenn Bundestag (Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder) und Bundesrat der (Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Stimmenzahl) ein Bundesgesetz zur Änderung des Grundgesetzes beschließen wollen,
- Art. 115h Abs. 2 GG, wenn bei Verhinderung des Bundestages im Verteidigungsfalle der Gemeinsame Ausschuss den Bundeskanzler absetzen will.
Landesebene
Auf Landesebene müssen regelmäßig zwei Drittel der Abgeordneten[1] zustimmen, um eine Änderung der jeweiligen Landesverfassung zu beschließen (qualifizierte Zweidrittelmehrheit).
Bayern
Obwohl die CSU bei der Landtagswahl in Bayern 1974 mit 62,1 % der Stimmen der Zweidrittelmehrheit der Stimmen sehr nahe kam, reichte dies nicht zur Zweidrittelmehrheit der Mandate.
Bei der Landtagswahl in Bayern 2003 erzielte die CSU mit 60,7 % der Stimmen „lediglich“ drei Fünftel der abgegebenen Stimmen. Die im Landtag vertretenen Oppositionsparteien erreichten jedoch zusammengerechnet nur 27,1 % der Stimmen (SPD: 19,6 % und Bündnis 90/Die Grünen: 7,5 %). Da diese 27,1 % weniger als die Hälfte der CSU-Stimmen darstellten, führte dieses Ergebnis aus wahlarithmetischen Gründen für die CSU zu einer Zweidrittelmehrheit der Mandate.
Berlin
Obwohl die SPD bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin 1948 mit 64,5 % und 1963 mit 61,9 % der Zweidrittelmehrheit der Stimmen sehr nahe kam, reichte dies jeweils nicht zur Zweidrittelmehrheit der Mandate.
Hamburg
Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg 1946 erzielte die SPD mit 43,1 % der Stimmen nach dem damals geltenden Wahlrecht 83 der 110 Mandate und damit sogar eine Dreiviertelmehrheit im Landesparlament.
Österreich
Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) verlangt Zweidrittelmehrheiten in folgenden Artikeln:
- Art. 14 Abs. 10 B-VG: Nationalrat: Bundesgesetze betreffend Schulbehörden in den Ländern u. ä. (Eingriff in Länderkompetenzen)
- Art. 14a Abs. 8 B-VG: Nationalrat: Bundesgrundsatzgesetze betreffend land- und forstwirtschaftliche Ausbildung in den Ländern u. ä. (Eingriff in Länderkompetenzen)
- Art. 23a Abs. 5 B-VG: Nationalrat: Gesetze über Stimmabgabe im Ausland im Rahmen der EU (außen- und innenpolitisch heikel)
- Art. 23f Abs. 1 B-VG: Nationalrat: Beschlüsse über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU (Eingriff in österreichische Souveränität)
- Art. 26 Abs. 6 B-VG: Nationalrat: Bestimmungen über Stimmabgabe im Ausland für nationale Wahlen (außen- und innenpolitisch heikel)
- Art. 30 Abs. 2 B-VG: Nationalrat: Geschäftsordnungsgesetz (Verhindert einseitige Regeländerungen durch die Regierungsmehrheit)
- Art. 37 Abs. 2 B-VG: Bundesrat: Geschäftsordnung (Verhindert einseitige Regeländerungen durch eine einfache Mehrheit)
- Art. 44 Abs. 1 und 2 B-VG: Nationalrat (Abs. 1), Bundesrat (Abs. 2): Verfassungsänderungen (weltweit üblich; verhindert einseitige Änderungen einer Mehrheit)
- Art. 50 Abs. 3 B-VG: Nationalrat: Verfassungsändernde Staatsverträge (entspricht Verfassungsänderungen)
- Art. 60 Abs. 6 B-VG: Bundesversammlung: Absetzungsantrag gegen den Bundespräsidenten (vgl. USA: Impeachment)
- Art. 68 Abs. 3 B-VG: Bundesversammlung: Strafklage gegen den Bundespräsidenten (vgl. USA: Impeachment)
- Art. 99 Abs. 2 B-VG: Landtage: Änderungen der Landesverfassungen (entspricht Verfassungsänderungen auf Bundesebene)
- Art. 100 Abs. 1 B-VG: Bundesrat: Auflösung eines Landtages (verhindert einseitige Maßnahmen einer Regierungsmehrheit oder des Bundespräsidenten)
Die Berechnung ist übrigens (abgesehen von einigen Besonderheiten bspw. im Fall von Art. 100 Abs. 1 B-VG [Ausschluss der Vertreter des betroffenen Landes]) dem Grundsatz nach folgende: Anwesenheitsquorum der Hälfte der Mitglieder des betreffenden Gremiums, dann 2/3 der abgegebenen Stimmen.
Schweiz
In der Schweiz spielen Zweidrittelmehrheiten kaum eine Rolle: Die Bundesverfassung sieht nirgends eine Zweidrittelmehrheit vor. Da alle wesentlichen Beschlüsse durch obligatorische oder fakultative Volksabstimmungen sanktioniert werden, wäre dies auch eine bloße Schikane. Zweidrittelmehrheiten sind teilweise in der Bundesgesetzgebung vorgeschrieben innerhalb parlamentarischer Untersuchungskommissionen und der Kollegialgerichte, aber auch im privatrechtlichen Bereich, etwa für Statutenänderungen von Körperschaften (namentlich in Aktiengesellschaften) u. dgl. Auf Ebene der Kantone kommen vereinzelt noch Zweidrittelmehrheiten vor, spielen insgesamt aber keine große Rolle. Nach einer unlängst beschlossenen Regelung im Kanton Aargau werden Gesetze nicht mehr obligatorisch der Volksabstimmung unterstellt, wenn sie mit Zweidrittelmehrheit im Parlament verabschiedet wurden – dies, um Leerlauf bei unbestrittenen Vorlagen zu vermeiden, da herkömmlich alle Gesetze der Volksabstimmung unterbreitet werden mussten.
USA
Nach der US-amerikanischen Bundesverfassung gelten Zweidrittelmehrheiten in folgenden Fällen:
art. I, sect. 3, par. 6: Senat: Verurteilung im Impeachment-(Amtsenthebungs-)Verfahren: zwei Drittel aller Senatoren (Selten; letzter bedeutender Anwendungsfall: Beurteilung des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton. Die erforderliche Mehrheit wurde jedoch nicht erreicht. Der Senat wirkt in solchen Fällen als Geschworenengericht.)
art. I, sect. 7, parr. 2 + 3: Repräsentantenhaus und Senat: Überstimmen eines Vetos des Präsidenten: zwei Drittel aller Mitglieder in jedem der beiden Häuser (wichtigster Anwendungsfall der Zweidrittelmehrheit in den USA).
art. V: Repräsentantenhaus, Senat, ggf. Parlamente der Bundesstaaten: Zweidrittelmehrheit zum Vorschlagen von Verfassungszusätzen (amendments) (Verhältnismäßig selten: Seit 1787 wurden mehr als 3000 Änderungsvorschläge behandelt, davon nur einige Dutzend angenommen, ratifiziert und in Kraft getreten sind bis heute nur 26!)
amendment 14, sect. 3: Repräsentantenhaus, Senat: Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern zum Widerruf von Unwählbarkeit wegen Aufstandes gegen die USA (Von historischem Interesse: Eingeführt, um ehemalige Amtsträger aus den Konföderierten Staaten von Amerika wieder eingliedern zu können; da es seither zu keinem Aufstand gegen die USA mehr kam, ist diese Regelung heute bedeutungslos.)
amendment 25, sect. 4: Repräsentantenhaus, Senat: Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern zur Erklärung der Amtsunfähigkeit des Präsidenten (Bisher noch nie angewandt.)
Heiliger Stuhl
Die Zweidrittelmehrheit spielt auch eine Rolle in der Römisch-Katholischen Kirche: Der Papst wird vom Konklave gewöhnlich mit Zweidrittelmehrheit gewählt, wenn auch Johannes Paul II. diese Forderung abgeschwächt hat.
Malaysia
In Malaysia regiert seit 1957 das von der United Malays National Organisation (kurz UMNO, auf Malaiisch Pertubuhan Kebangsaan Melayu Bersatu) angeführte Parteienbündnis Barisan Nasional ("Nationale Front") mit einer Zweidrittelmehrheit.
Japan
In Japan kann das Unterhaus Gesetze, die das Oberhaus abgewiesen hat, mit einer Zweidrittelmehrheit durchsetzen. Umgekehrt ist dies für das Oberhaus nicht möglich. In der Nachkriegsgeschichte Japans wurde diese Regelung vor 2008 nur einmal angewendet, nämlich 1951 zur Verabschiedung eines Gesetzes über Wetten bei Motorbooterennen. Mit den unterschiedlichen Mehrheiten in beiden Häusern (Nejire Kokkai) wurden 2008 bereits mehrere Gesetze mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet.
Einzelnachweise
- ↑ Christian Pestalozza, in: Verfassungen der deutschen Bundesländer, 7. Aufl., Verlag C. H. Beck, München 2001, Einführung, Rdnr. 42
Siehe auch
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