Relative Mehrheit

Relative Mehrheit

Mehrheit bezeichnet allgemeinsprachlich dasselbe wie die meisten aus einer Anzahl von Menschen oder Dingen. – In strengem Sinne wird das Wort benutzt, um Regeln für Wahlen und Abstimmungen zu formulieren. In solchen Regeln (Gesetzen, Satzungen, Geschäftsordnungen, ...) wird beschrieben, welche Mehrheit notwendig ist, damit eine Entscheidung zustande kommt.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Mit Mehrheit wird der größte oder der überwiegende Anteil (oder Teilhabe) an einer Sache oder bei einer Entscheidungsfindung bezeichnet. Sie ist von grundlegender Bedeutung bei demokratischen Entscheidungen in Form von Wahlen und Abstimmungen, aber gibt auch im Sachenrecht (unter anderem bei Aktienrecht, Wohneigentum, Erbrecht) Auskunft über die Eigentumsverteilung.

Das Vorliegen einer Mehrheit bei einer Abstimmung oder Wahl gilt als ausreichende Zustimmung für das Zustandekommen einer Entscheidung. Die Definition ist in Regeln (von mündlichen Vereinbarungen über Vereinssatzungen bis zu Verfassungen) festzulegen. Dieser Artikel beschreibt die zugrunde liegende Systematik, die auch in anderen Bereichen Anwendung findet.

Bei der Definition einer Mehrheit kann dieses „Mehr“ in verschiedenen Bezügen gesehen werden:

  • im Vergleich zwischen konkurrierenden Parteien oder Anteilseignern, dabei wird festgestellt,
    • ob eine Partei größer als jede andere Partei ist (unabhängig von ihrem Gesamtanteil), dies bezeichnet man als „relative“ Mehrheit
    • ob eine Partei bei Abstimmungen mehr Stimmen als alle anderen Parteien zusammen erhalten hat (unabhängig von der Anzahl der tatsächlich Stimmberechtigten), das ist eine „einfache“ Mehrheit oder auch „Abstimmungsmehrheit“ (entsprechen die abgegebenen Stimmen der Gesamtgröße des Gremiums, ist dies mit der „absoluten Mehrheit“ identisch)
  • im Bezug zu einem genau definierten (vorher feststehenden) Grundwert (beispielsweise Mitglieder oder Stimmrechte), dies wird als „absolute“ Mehrheit oder auch „Mitgliedsmehrheit“ bezeichnet.

Alle genannten Arten lassen sich miteinander kombinieren oder durch weitere Anforderungen „qualifizieren“, um erhöhten Anforderungen an die Legitimation von Entscheidungen zu entsprechen, diese werden dann „qualifizierte“ Mehrheit genannt. Stimmenthaltungen sind keine abgegebenen Stimmen und bleiben bei der Feststellung der Mehrheiten unberücksichtigt, jedoch wirken sie bei absoluten Mehrheiten faktisch wie Gegenstimmen, da zur Annahme des Antrags ein bestimmter Anteil der möglichen Stimmen (im Regelfall die Anzahl der Mitglieder des Gremiums laut Geschäftsordnung) erforderlich ist.

Allerdings ist festzustellen, dass in der Literatur unterschiedliche oder unvollständige Definitionen anzutreffen sind und manche Begriffe regional oder kulturell unterschiedlich verwendet werden, so dass Missverständnisse vorkommen.

Arten von Mehrheiten

  • Eine relative Mehrheit hat, wer mehr hat als jeder andere. (Sonderfall: mehr Ja- als Nein-Stimmen.)
  • Eine einfache Mehrheit – im Sinne dieses Artikels – hat, wer mehr hat als die Hälfte der abgegebenen, gültigen Stimmen.
    • Stimmenthaltungen sind, wie der Name sagt, nicht Stimmen, sondern Verzicht auf die Stimmabgabe. Bei der einfachen Mehrheit kann es aber angezeigt sein, statt der Anzahl der Stimmen die Anzahl der Stimmzettel (oder der Stimmabgaben über Telekommunikation) einschließlich der Enthaltungen zugrunde zu legen. (Dabei kann man festlegen, dass auch ungültige Stimmzettel mitzählen.)
    • Abweichend von dieser Definition ist für manche Menschen die einfache Mehrheit gleichbedeutend mit der relativen Mehrheit, für andere ein Fall einer absoluten Mehrheit.
  • Eine absolute Mehrheit hat, wer mehr hat als die Hälfte dessen, was möglich ist.
  • Eine qualifizierte Mehrheit hat, wer einen festgelegten größeren Anteil hat als bei den drei genannten Mehrheiten.
  • Das Wort Mehrheit ohne Beiwort ist gleichbedeutend mit „mehr als die Hälfte“.

Folgerung: Jede absolute Mehrheit ist eine einfache, jede einfache Mehrheit ist eine relative.

In Normen (von Verfassungen bis zu Geschäftsordnungen), wo es auf Genauigkeit ankommt, findet man statt der Beiwörter relativ, einfach, absolut, qualifiziert eher Formulierungen wie

  • die meisten Stimmen für eine relative Mehrheit; Beispiel: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Artikel 63 Absatz 4, vergleiche englisch plurality;
  • die Mehrheit der Mitglieder für eine bestimmte absolute Mehrheit; Beispiel: Artikel 63 Absatz 2 GG (sogar dies bedarf der Erläuterung in Artikel 121 GG); vergleiche englisch majority;
  • zwei Drittel der Mitglieder für eine bestimmte qualifizierte Mehrheit; Beispiel: Artikel 79 Absatz 2 GG.

Eine einfache Mehrheit im Sinne dieses Artikels genügt vor allem in sehr großen Gemeinschaften, in denen nur ein kleiner Bruchteil der Stimmberechtigten tatsächlich abstimmt.

Relative Mehrheit

Eine relative Mehrheit: A hat die meisten Stimmen

Für das Zustandekommen einer Entscheidung ist es mitunter ausreichend, wenn bei einer Abstimmung die stärkste Partei bestimmt wird. Genügt die relative Mehrheit, so hat die Wahl gewonnen, wer die meisten Stimmen erhält (auch ohne mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen zu erhalten).

Dies ist die schwächste Forderung für das Zustandekommen einer Entscheidung. Außer bei Stimmengleichheit ist sie bei jedem Ergebnis erfüllt. – Hier ist die Anzahl der Stimmberechtigten ohne Belang, die Anzahl der Anwesenden ebenso. Stimmenthaltungen bleiben ohne Wirkung.

Ein bekanntes Beispiel sind die deutschen Bundestagswahlen, bei denen eine Partei mit der relativen Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Wahlberechtigten (z.B. 45%, unabhängig von der Wahlbeteiligung) durch wegfallende Stimmen für Kleinparteien (5%-Hürde) über die Sitzzuteilung eine absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag (über 50% der festgelegten Größe des Gremiums) erreichen kann.

Einfache Mehrheit

Eine einfache Mehrheit: A hat mehr Stimmen als B und C zusammen

Erhält eine Wahlmöglichkeit über die Hälfte der abgegebenen Stimmen, so spricht man von einer einfachen Mehrheit oder „Abstimmungsmehrheit“. Es wird also (ebenso wie bei der relativen Mehrheit) nicht von einer vorher bestimmten Stimmenbasis (wie z.B. Gesamtzahl der Mitglieder, etc.) ausgegangen, sondern von der Summe der Stimmen für die einzelnen Optionen. Somit kann eine einfache Mehrheitsentscheidung auch von einer Minderheit der Stimmberechtigten getroffen werden. Zum Beispiel führt bei der deutschen Bundestagswahl eine einfache Mehrheit der Wählerstimmen (>50%, die Wahlbeteiligung bleibt unberücksichtigt) immer zu einer absoluten Mehrheit im Bundestag (>50% der konkreten Sitzanzahl).

Die Bezeichnung einfache Mehrheit wird mitunter auch für relative Mehrheiten benutzt (bei nur zwei Abstimmungsalternativen sind die Definitionen identisch), wodurch es zu Irrtümern kommen kann.

Eine absolute Mehrheit: A hat mehr als die Hälfte der möglichen Stimmen

Absolute Mehrheit

Absolute Mehrheit ist die Mehrheit über eine zahlenmäßig definierte Grundmenge. Als Grundmenge dienen häufig:

  • die Anwesenden;
  • die stimmberechtigten Mitglieder (Briefwahl)
  • die (unterschiedlichen) Stimmrechte von Mitgliedern oder Anteilseignern

Andere Grundmengen sind möglich. Enthaltungen wirken somit als fehlende Stimmen zur geforderten Zustimmung, ähnlich wie Nein-Stimmen.

Die Bezeichnung absolute Mehrheit wird mitunter auch für einfache Mehrheiten benutzt (bei Präsenzgremien sind die Definitionen weitgehend identisch), wodurch es zu Irrtümern kommen kann.

In der Schweiz bedeutet das Absolute Mehr in aller Regel mehr als die Hälfte der abgegebenen und gültigen Stimmen, also das, was in diesem Artikel als Einfaches Mehr bezeichnet wird. Die Frage, ob leere Stimmzettel für die Bestimmung des absoluten Mehrs mitgezählt werden, wird unterschiedlich geregelt. Werden sie mitgezählt, so eröffnet das taktische Möglichkeiten.

Qualifizierte Mehrheit

Eine qualifizierte Mehrheit ist eine Mehrheit mit einem – festzulegenden – größeren Anteil an Zustimmung als bei einer nicht qualifizierten Mehrheit, beispielsweise 2/3 oder 3/4 der Stimmen oder der Sitze.

Beispiel: Zweidrittel-Mehrheit abgegebener Stimmen

Die Geschäftsordnung fordert im Beispiel eine Zweidrittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

mögliche Stimmen:
abgegebene Stimmen
JA:
NEIN:
Ohne Bedeutung
598
399
199

Beispiel: Zweidrittel-Mehrheit der Stimmberechtigten

Die Geschäftsordnung fordert im Beispiel eine Zweidrittel-Mehrheit der Stimmberechtigten.

mögliche Stimmen:
abgegebene Stimmen
JA:
NEIN:
Ungültig/Enthaltungen:
598
≥ 2/3 d. Stimmber.
399
190
9

In beiden Beispielen erreichen die 399 JA-Stimmen 2/3 der maßgeblichen Berechnungsgrundlage von 598 (= 398,666), der Antrag ist damit jeweils angenommen.

Kombinationen

In Abhängigkeit von den mit einem Mehrheitsverhältnis beabsichtigten Wirkungen können die genannten Mehrheitsarten auch direkt oder gestaffelt kombiniert werden.

So kann man beispielsweise in den ersten ein oder zwei Wahlgängen eine absolute Mehrheit verlangen und im nächsten (der dann der letzte ist, außer vielleicht bei Stimmengleichheit) nur die einfache. Man kann mehrere Gesamtzahlen kombiniert benutzen und für jede eine eigene Mehrheit verlangen.

Beispiel - Nacheinander verschiedene geforderte Mehrheiten

Die Wahl des Bundespräsidenten in Deutschland erfordert im ersten und im zweiten Wahlgang die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung. Kommt sie zweimal nicht zustande, ist im dritten Wahlgang gewählt, "wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt" (relative Mehrheit).

Beispiel - Mehrfachforderung für dieselbe Abstimmung

Der Vertrag von Nizza verlangt für Mehrheiten im Rat der Europäischen Union (Ministerrat):

  • eine qualifizierte Mehrheit von 255 aus 345 Stimmen (73,91 %), wobei diese Stimmen
  • aus einer Mehrheit der Mitgliedstaaten stammen und
  • (falls beantragt) mindestens 62% der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen.

Mathematische Definition

Sei eine endliche Menge (von Menschen, Aktien, Stimmen, ..., allgemein: von Elementen) gegeben, die Grundmenge. Sei eine Aufteilung der Grundmenge gegeben in Teilmengen so, dass jedes Element der Grundmenge zu genau einer Teilmenge gehört. Dann gilt:

  • Die Teilmenge mit den meisten Elementen heißt in diesem Artikel relative Mehrheit. Wenn aber zwei oder mehr Teilmengen dieselbe größte Anzahl von Elementen haben, ist keine Teilmenge eine relative Mehrheit.
  • Eine Teilmenge mit mehr als der Hälfte aller Elemente der Grundmenge heißt in diesem Artikel einfache Mehrheit, wenn die Grundmenge aus den abgegebenen Stimmen besteht, und absolute Mehrheit, wenn die Grundmenge aus den möglichen Stimmen besteht. (Folgerungen: Im letzten Fall besteht eine Teilmenge aus den möglichen Stimmen, die nicht abgegeben wurden; diese Teilmenge kann leer sein. Nicht bei jeder Aufteilung gibt es eine einfache oder absolute Mehrheit.)

Gesellschaft/Recht

Man spricht auch von Personenmehrheiten, wenn eine Gruppe von etwas betroffen ist oder etwas tut. Im deutschen Strafrecht ist beispielsweise eine Beleidigung von Personenmehrheiten im Allgemeinen (in Juristendeutsch: grundsätzlich) nicht möglich.

Zitate

„Wie kann eine Minderheit von einem Recht haben [und] wie können Millionen im Unrecht sein.“

George Orwell, 1984

„Was ist die Mehrheit? Die Mehrheit ist der Unsinn. Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen.“

Schiller

Siehe auch

Weblinks


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