- Zweikammersystem
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In einem Zweikammersystem (auch Bikameralismus oder Zweikammerparlament) hat das Parlament zwei Kammern. In der Regel haben die Kammern eines Parlaments unterschiedliche Aufgaben, und sie werden auch auf unterschiedliche Weise gewählt beziehungsweise zusammengesetzt.
Inhaltsverzeichnis
Bezeichnungen
Die Politikwissenschaft neigt dazu, die mächtigere der beiden Kammern, in der Regel die vom Volke gewählte, als die Erste Kammer zu bezeichnen. Die weniger mächtige, in der Regel die mit föderalem Bezug, ist dann die Zweite. Historisch hingegen war es andersherum, die Erste Kammer war die Adelskammer beziehungsweise vertrat föderale Interessen.
Funktionen der Kammern
Die Aufteilung der beiden Kammern folgt meist nach folgenden zwei Schemata:
- Variante mit unterschiedlicher Bedeutung der Kammern und nicht direkter Wahl der zweiten Kammer.
- Die eine Kammer wird vom Volk gewählt und ist für die eigentliche Gesetzgebungsarbeit zuständig. Sie hat auch Einfluss auf die Regierungsbildung, wenn sie nicht sogar die Regierung ausdrücklich wählt.
- Die Mitglieder der anderen Kammer werden indirekt gewählt oder auch ernannt. Dabei ist oftmals eine föderale Struktur des Landes zu berücksichtigen. Historisch handelt es sich eventuell um die Vertretung des Adels. Diese Kammer hat oft nur einen eingeschränkten Einfluss auf die Gesetzgebung.
- Variante mit gleichwertiger Bedeutung der beiden Kammern - Aufteilung meist nach Bevölkerungsdichte und Vertretung der Teilstaaten o.ä.; dabei haben die beiden Kammern dieselben Befugnisse, sollen aber zum einen die Bevölkerung in der Anzahl und zum anderen die einzelnen Teilstaaten als solche repräsentieren. Damit wird verhindert, das bevölkerungsreiche städtische Gebiete immer die kleineren ländlichen Gebiete überstimmen können; auch ist die (meist "kleine Kammer" genannte) Teilstaatenvertretung nicht an andere politische Strukturen (Parteizugehörigkeit der zu vertretenden Landesregierung o.ä.) gebunden.
- Beide Kammern werden direkt vom Volk gewählt
- Die eine Kammer wird nach Bevölkerungsanzahl gewählt
- Die andere Kammer wird nach Anzahl Föderationsteilen gewählt: jeder Teilstaat hat die gleiche Anzahl Vertreter
- Beide Kammern müssen sämtlichen Vorlagen zustimmen, damit jene inkraft treten können.
- Beide Kammern werden direkt vom Volk gewählt
Viele politischen Systeme mit Zweikammersystem kennen eine besondere gemeinsame Sitzung beider Kammern. Eine solche Sitzung dient der Wahl oder Begrüßung eines Staatsoberhaupts oder hat außergewöhnliche Befugnisse.
Je nach Land kann es große Unterschiede geben: in Italien spricht man von einem perfekten Bikameralismus, weil beide Kammern gleichen Einfluss auf die Gesetzgebung haben[1]. In der Schweiz wird der Nationalrat nach Bevölkerungsanteil gebildet, im Ständerat hingegen hat jeder Kanton nur zwei Vertreter, Halbkantone nur einen. Ein ähnliches System wie in der Schweiz gilt in den USA: auch dort werden beide Kammern vom Volk gewählt, wenn auch in unterschiedlicher Weise.
Kritik
Am Zweikammersystem wird kritisiert, dass es dazu neige flexible Politik zu verhindern, da eine Kammer oftmals die andere blockieren könne (häufig als Politikverflechtung bezeichnet). Dies geschieht gerade bei unterschiedlichen politischen Mehrheiten in beiden Kammern. Unter dem Aspekt der Gewaltenteilung wird dieser Blockadeeffekt allerdings auch positiv gesehen.
Literatur
- Gisela Riescher, Sabine Russ, Christoph M. Haas (Hrsg.); Gisela Riescher, Sabine Russ, Christoph M. Haas (Hrsg.): Zweite Kammern. 1. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München/Wien 2000, ISBN 3-486-25089-2.
- Arend Lijphart: Patterns of democracy: government forms and performance in thirty-six countries. 2. Auflage. Yale University Press, New Haven 1999, ISBN 0-300-07893-5.
- Sven Leunig (Hrsg.): Handbuch Föderale Zweite Kammern. Verlag Barbara Budrich, Opladen/Farmington Hill 2009.
- Hans Albrecht Schwarz-Liebermann von Wahlendorf: Struktur und Funktion der sogenannten Zweiten Kammer. Eine Studie zum Problem der Gewaltenteilung. Tübingen 1958.
Referenzen
- ↑ Ullrich, H. (2009): Das politische System Italiens. In: Ismayr, W. (Hg.): Die politischen Systeme Westeuropas. 4. aktualisierte und überarbeitete Auflage. 2009, S. 643-712, hier S. 648
Siehe auch
Kategorien:- Parlamentswesen
- Demokratieform
- Variante mit unterschiedlicher Bedeutung der Kammern und nicht direkter Wahl der zweiten Kammer.
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