- §42 EnWG
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Unter Strommix versteht man die prozentuelle Aufteilung der Energieträger, aus denen der Strom erzeugt wurde, den der Anbieter an den Verbraucher verkauft hat. In Deutschland sind seit dem 15. Dezember 2005 alle Energieversorgungsunternehmen (EVUs) verpflichtet, nach §42 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) Informationen über ihren Strommix offenzulegen. Damit wurde die EU-Richtlinie 2003/54/EG umgesetzt. Die Stromkennzeichnung muss für die Endverbraucher (im Gesetz Letztverbraucher genannt) auf der Jahresstromrechnung und auf allen Werbematerialien angegeben sein. Sie ist spätestens am 15. Dezember eines Jahres auf die Werte des Vorjahres zu aktualisieren. Mit den Informationen, insbesondere über die Umweltauswirkungen, soll dem Stromkunden ermöglicht werden, die „Qualität” der Stromproduktion zu bewerten. Folgende Daten müssen veröffentlicht werden:
- der Strommix des Unternehmens (Händlermix, auch Lieferantenmix genannt), der alle Kunden des Händlers, die Endverbraucher sind, zusammenfasst. Zusätzlich kann der Strommix eines speziellen Tarifs (Produktmix), z. B. „100 % Wasserkraft“, angegeben werden.
- Informationen über Umweltauswirkungen pro Kilowattstunde (Kohlendioxid-Emissionen, die für die globale Erwärmung verantwortlich gemacht werden und Menge des radioaktiven Abfalls). Die Umweltauswirkungen werden anlagenspezifisch ermittelt.
- bundesweite Durchschnittswerte für alle Angaben, damit ein Vergleich möglich ist
Da alle Stromanbieter dasselbe Stromnetz nutzen, bekommt ein Kunde von jedem Anbieter einen Strom in genau gleicher Qualität. Unterschiedlich ist nur die Art der Erzeugung. Da diese jedoch an der Steckdose nicht mehr erkennbar ist, wurde die Kennzeichnungspflicht eingeführt. Dadurch kann ein Stromkunde bei der Wahl seines Lieferanten leichter Umweltschutzaspekte berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsweise in der Praxis
Bei Stromlieferungen an Wiederverkäufer besteht keine Deklarations-Pflicht. Damit die Stromkennzeichnung verlässlich bleibt, auch wenn der Strom mehrfach weiterverkauft wird, bevor er zum Endverbraucher kommt, werden bei der Stromerzeugung Belege (so genannte Herkunftsnachweise oder Stromerzeugungs-Zertifikate) ausgestellt, die bestätigen, dass eine gewisse Strommenge auf eine gewisse Weise produziert wurde. Diese Belege werden meistens in zentralen Datenbanken abgelegt, um leichter verhindern zu können, dass es für dieselbe erzeugte Energiemenge mehr als einen Beleg geben kann. Solche Datenbanken sind in den meisten EU-Ländern vorhanden bzw. im Aufbau. Sie werden von Behörden oder unabhängigen Organisationen betrieben.
Die Belege werden zunächst dem Kraftwerks-Betreiber anhand des Zählerstands seiner Anlage ausgestellt. Sie können zusammen mit dem dazugehörigen Strom oder auch separat weiterverkauft werden und beliebig oft den Besitzer wechseln. Der neue Besitzer kann sich irgendwo in Europa befinden. Ob er jemals Strom aus dem Land gekauft hat, aus dem der Beleg stammt, ist irrelevant.
In Ländern mit EU-konformer Stromkennzeichnung müssen die Stromanbieter am Ende eines Jahres Belege für die gesamte von ihnen an Endverbraucher abgegebene Strommenge vorweisen können, woraus sich der zu deklarierende Strommix ergibt. Falls ein Stromanbieter nicht genügend Belege besitzt, muss er den fehlenden Rest als "Strom unbekannter Herkunft" deklarieren. Nachdem ein Beleg für die Stromkennzeichnung verwendet wurde, wird er entwertet.
Werte
Die Tabelle listet den bundesweiten durchschnittlichen Strommix sowie die Angaben der fünf größten Energieversorger und der vier größten unabhängigen Ökostrom-Anbieter im Jahr 2007 auf. Zu den fossilen Energieträgern zählen Braunkohle (durchschnittlich 24 % im Jahr 2007), Steinkohle (23 %), Erdgas (12 %), sonstige (5 %, z. B. Erdöl). Zur erneuerbaren Energie zählen Wind- (6,4 %), Wasser- (3,4 %) und Solarenergie (0,6 %) sowie Biomasse (3,9 %).[1] 0,9 % dieses Stroms stammen aus älteren Wasserkraftanlagen, der größere Teil (14,2 %) wird aber nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert und muss von jedem Stromanbieter abgenommen werden. Dementsprechend weisen nur deutlich höhere Werte auf eine gewollt umweltfreundliche Einkaufspolitik hin. Strom, der an einer Strombörse dazugekauft wird, muss anteilig in die Angaben hineingerechnet werden.
Durchschnitt[2] E.ON RWE (2006)[3] EnBW[4] Vattenfall
Berlin[5] / Hamburg[6]EWE[7] LichtBlick[8] Greenpeace Energy[9] EWS[10] Naturstrom[11] Erneuerbare Energieträger 15,0 % 15-22 % 10 % 21,4 % 18,4 / 17,6 % 21,6 % 100 % 100 % 93,3 % 100 % Kernenergie 24,3 % 16,4-45 % 25 % 46,5 % 4,6 / 10,9 % 40,4 % 0 % 0 % 0 % 0 % Fossile Energieträger 60,7 % 36,5-66,3 % 65 % 32,1 % 77,0 / 71,4 % 38,0 % 0 % 0 % 6,7 % 0 % Radioaktiver Abfall (mg/kWh) 0,7 0,6-1,2 0,7 1,3 0,1 / 0,3 1,1 0 0 0 0 CO2-Emissionen (g/kWh) 541 298-621 752 258 655 / 734 371 0 0 17,3 0 Hinweis: Die Werte von E.ON schwanken regional sehr stark. Die angegebenen Grenzen sind die jeweiligen Ober- und Untergrenzen aus den Stromkennzeichnungen der Unternehmen E.ON Avacon[12], E.ON Bayern[13], E.ON edis[14], E.ON Hanse[15], E.ON Mitte[16], E.ON Thüringer Energie[17] und E.ON Westfalen Weser[18]. Die Werte von RWE liegen für das Jahr 2007 noch nicht vor.
Kritik
Die Stromkennzeichnung wurde von Umwelt- und Verbraucherschützern seit langem gefordert und ihre Einführung begrüßt. Dennoch erfüllen die Daten nicht alle Erwartungen und bieten nicht die bestmögliche Transparenz.
Kritisiert wird teilweise, dass in Deutschland die Energieträger in nur drei große Gruppen zusammengefasst und nicht näher aufgeschlüsselt sind. Damit werden beispielsweise gasbefeuerte, hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit alten Braunkohle-Kraftwerken, oder Solaranlagen mit Wasserkraftwerken gleichgestellt. Der Zusatznutzen bei der Wärmegewinnung von KWK-Anlagen wird bei der Berechnung der CO2-Menge nicht berücksichtigt.
Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt betrifft den Umgang mit Strommengen, die keiner bestimmten Erzeugungsart zugeordnet werden können, z. B. an der Strombörse gekaufte Mengen. Nach den geltenden Regelungen kann diesen Mengen der Gesamtmix der Strombörse oder der Durchschnittsmix für Deutschland zugeordnet werden. Diese Werte können stark vom tatsächlichen Mix abweichen und eröffnen den Stromversorgern die Möglichkeit, die Erzeugungsart von Strom aus unbeliebten Quellen (z. B. Kernenergie) rechnerisch zu verschleiern, indem dieser an der Börse verkauft und direkt zurückgekauft wird. Der in der Stromkennzeichnung angegebene Mix muss somit nicht mit der Zusammensetzung der durch den Stromanbieter betriebenen Kraftwerke übereinstimmen.
Grundsätzlich gibt der Strommix nur näherungsweise wieder, welcher Strom tatsächlich an den Verbraucher geliefert wurde. Da Strom an sich nicht speicherbar ist, müssen zu jedem Zeitpunkt Erzeugung und Verbrauch gleich groß sein. Eine faktisch richtige Stromkennzeichnung würde für alle Zeitpunkte die in den verschiedenen Arten von Kraftwerken momentan erzeugte elektrische Leistung den Verbrauchern entsprechend der geltenden vertraglichen Beziehungen zuschreiben und aufsummieren. Das ist jedoch nicht der Fall:
- Die Herkunft des Spitzenlast-Stroms muss nicht deklariert werden. Stattdessen kann der Anbieter z. B. Strom aus Grundlast-Kraftwerken rechnerisch auf eine Kundengruppe aufteilen. Strom, der etwa als "100 % Wasserkraft" verkauft wird, muss nicht zu jedem Zeitpunkt tatsächlich aus Wasserkraftwerken stammen. Der Strommix sagt nur aus, dass der verbrauchten elektrischen Energie insgesamt, über ein Jahr gesehen, eine entsprechende Erzeugung gegenübersteht (mengengleiche Einspeisung).
- Die Stromanbieter müssen die bezogene Menge von Ausgleichsenergie nicht veröffentlichen. Weder Menge noch Art der Ausgleichsenergie fließen in die Stromkennzeichnung ein.
- Die unvermeidbaren Übertragungsverluste in der Höhe von etwa 5 bis 10 % der eingespeisten elektrischen Energie werden von den Netzbetreibern ersetzt und bleiben im Strommix des Stromlieferanten unberücksichtigt. Z. B. müsste ein Anbieter von 100 % Ökostrom eigentlich 105 bis 110 % Ökostrom ins Netz einspeisen, damit seine Kunden keinen Strom aus konventionellen Kraftwerken konsumieren. Das ist jedoch aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen in der Praxis nicht realisierbar.
Manche Experten konstatieren, dass die Stromkennzeichnung eine Farce sei, da durch Börsenhandel, direkten Kauf bzw. Verkauf an andere Händler und Verkauf an verschiedene Gruppen von Endkunden der Anteil des zugelieferten Stroms seinem Ursprung nicht zugeordnet werden könne bzw. die ausgewiesenen Zahlen hypothetisch seien.
Kritisiert wird auch die Angabe eines Produktmixes, weil dieser dazu führt, dass Großkunden wie Industrie und Staat, denen die Herkunft des Stroms egal ist, billiger "schmutziger" Strom verkauft wird, während der Strom aus umweltfreundlichen Kraftwerken nun gesondert, gegen Aufpreis an sensible Endkunden verkauft wird. Andererseits wären von einer Abschaffung des Produktmixes aber auch Kunden von Ökostrom-Anbietern, die Strom in verschiedenen Preislagen anbieten, negativ betroffen, da ein Kunde aus dem Händlermix, der den Durchschnitt wiedergibt, nicht genau erfahren kann, welche Stromproduktion er mit dem Bezahlen der Rechnung unterstützt. Außerdem wäre zu befürchten, dass ein Verbot des Produktmixes durch die Gründung von eigenständigen Tochtergesellschaften leicht umgangen werden könnte.
Global 2000 und Greenpeace fordern, dass nicht nur die an Endkunden abgesetzte Strommenge deklariert wird sondern die gesamte Handelsmenge. Kunden sollen wissen, ob ihr Anbieter z. B. mit dem Handel von Atomstrom Gewinne macht.
Die Stromkennzeichnung kann das Verbraucherverhalten auch negativ beeinflussen. Manche Kunden glauben, dass Stromsparen nicht mehr so wichtig ist, wenn sie sich mit 100 % Wasserkraft oder 100 % Ökostrom beliefern lassen. Allerdings verfügen die meisten Anbieter nicht über genug Erzeugungskapazitäten, um Spitzenlasten zu decken oder sie besitzen überhaupt keine Kraftwerke, die sich dem Verbrauch anpassen können. In diesem Fall kann jeder Mehrverbrauch de facto zum Hochfahren eines konventionellen Kraftwerks führen, obwohl davon nichts im Strommix deklariert wird.
Stromkennzeichnung in Österreich
Global 2000 und Greenpeace kamen nach dem Studium von Geschäftsberichten und telefonischen Recherchen zu dem Ergebnis:
- Acht der neun Landesversorger handeln mit Atomstrom, deklarieren gegenüber ihren Endkunden jedoch nur eine geringe oder gar keine Menge.
- Atomstrom wird durch Zukauf entsprechender Stromerzeugungs-Zertifikate als Strom aus Wasserkraft deklariert, ohne dass die Versorger jemals Strom aus diesen Wasserkraftwerken bezogen haben. Die Zertifikate stammen hauptsächlich aus Finnland, Norwegen, Schweden und Spanien. Das sind Länder, in denen Wasserkraftproduzenten die Zertifikate nicht benötigen, weil dort eine EU-konforme Stromkennzeichnung fehlt. Im Jahr 2004 kauften österreichische Stromversorger RECS-Zertifikate im Ausmaß von 7,2 Milliarden kWh. Das entspricht rund 10 % des gesamten österreichischen Stromverbrauchs.
Die Versorger haben diesen Behauptungen nicht widersprochen.
Das österreichische Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) schreibt vor, dass Stromversorger offenlegen müssen, aus welchen „Primärenergieträgern ... die von ihnen gelieferte elektrische Energie erzeugt wurde“ (§45 Abs. 2). Wie dieser Nachweis zu erbringen ist, hat die Regulierungsbehörde E-Control zu bestimmen. Nach Meinung der Kritiker hat sie in dieser Sache versagt: Das ElWOG sage eindeutig, dass die Energieaufbringung des Lieferanten, und nicht die Erzeugung irgendwo anders auf der Welt, zu deklarieren ist. Die E-Control dürfe Stromerzeugungs-Zertifikate aus Ländern, die die EU-Richtlinie zur Stromkennzeichnung noch nicht umgesetzt haben, nicht anerkennen. Derzeit würden sowohl die österreichischen Stromkunden als auch die Stromkunden in den Ländern, aus denen die Zertifikate stammen, glauben, sauberen Strom aus Wasserkraft zu bekommen, was nicht der Wirklichkeit entspricht.
Dieses System, das den Nachweis der Stromherkunft vom Handel mit dem Strom selbst trennt, wird auch generell kritisiert. Eine Lücke ist, dass für den Anteil von „Strom unbekannter Herkunft“ in der Stromkennzeichnung keine Obergrenze definiert ist. Dadurch könnten Versorger, deren Kunden nicht so genau auf den deklarierten Strommix achten (etwa weil es in ihrem Land ohnehin fast nur Wasserkraftwerke gibt), ihre Stromerzeugungs-Zertifikate Versorgern in jenen Ländern verkaufen, die sensiblere Kunden haben.
Weblinks
- EU-Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt
- Karte des Strommixes in Deutschland, veröffentlicht vom Umweltbundesamt (PDF)
- Das Energiewirtschaftsgesetz bei juris.de
- Vorschlag der Deutschen Umwelthilfe für eine transparente Stromkennzeichnung
- Richtlinie der österreichischen Regulierungsbehörde zur Stromkennzeichnung - pdf
- GLOBAL 2000 - Zahlen, Daten, Fakten, Hintergrundinformationen zum Thema Stromkennzeichnung
- Stiftung Warentest: Strommix überregionaler Anbieter im Vergleich
Fußnoten
- ↑ Quelle: BDEW, AGEB Die Zahlen stammen von unendlich-viel-energie.de, da sie beim BDEW nicht öffentlich einsehbar sind.
- ↑ Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft: Durchschnittswerte der öffentlichen Stromversorgung in Deutschland 2007 (pdf-Dokument)
- ↑ RWE Stromkennzeichnung 2006
- ↑ EnBW Stromkennzeichnung 2007
- ↑ Vattenfall Berlin Stromkennzeichnung 2007 (pdf-Dokument)
- ↑ Vattenfall Hamburg Stromkennzeichnung 2007 (pdf-Dokument)
- ↑ EWE Stromkennzeichnung 2007
- ↑ Lichtblick Stromkennzeichnung 2007
- ↑ Greenpeace Energy Stromkennzeichnung 2007
- ↑ Elektrizitätswerke Schönau Stromkennzeichnung 2007
- ↑ Naturstrom AG Stromkennzeichnung 2007 (pdf-Dokument)
- ↑ E.ON Avacon Stromkennzeichnung 2007
- ↑ E.ON Bayern Stromkennzeichnung 2007
- ↑ E.ON edis Stromkennzeichnung 2007
- ↑ E.ON Hanse Stromkennzeichnung 2007
- ↑ E.ON Mitte Stromkennzeichnung 2007
- ↑ E.ON Thüringer Energie Stromkennzeichnung 2007
- ↑ E.ON Westfalen Weser Stromkennzeichnung 2007
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