- Bolle reiste jüngst zu Pfingsten
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Bolle reiste jüngst zu Pfingsten ist eines der bekanntesten Volkslieder aus dem Berliner Raum im Berliner Dialekt.
Laut der Einschätzung des Musikwissenschaftlers Lukas Richter handelt es sich hierbei um ein Schwanklied auf den Prototyp des unbekümmerten „rüdigen“ Berliners.[1] Im Lied spiegelt sich der Feiertagsausflug eines typischen Berliners in den damaligen Vorort Pankow mit der Schönholzer Heide wider. Durch die Vorstadtwagen und Kremserwagen war dies seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zum beliebten Freizeitvergnügen der Berliner geworden. Der verbreitete Spitzname Bolle (Zwiebel) steht dabei für eine nicht näher bestimmte Person.
Es gibt weder eine Beziehung zum Berliner Großkaufmann Carl Bolle noch zum Brandenburger Frisör Fritze Bollmann.
Da das Lied weit verbreitet ist, hat es zahlreiche Umdichtungen erfahren, unter anderem zu Demonstrationen und politischen Anlässen. Auch die Strophenzahl des Liedes variiert wie bei vielen volkstümlichen Liedern je nach Quelle.
Text
1.
- Bolle reiste jüngst zu Pfingsten,
- Nach Pankow war sein Ziel;
- Da verlor er seinen Jüngsten
- Janz plötzlich im Jewühl;
- ’Ne volle halbe Stunde
- Hat er nach ihm jespürt.
- Aber dennoch hat sich Bolle
- Janz köstlich amüsiert.
2.
- In Pankow jab’s keen Essen,
- In Pankow jab’s keen Bier,
- War allet uffjefressen
- Von fremden Leuten hier.
- Nich’ ma’ ’ne Butterstulle
- Hat man ihm reserviert!
- Aber dennoch hat sich Bolle
- Janz köstlich amüsiert.
3.
- Auf der Schönholzer Heide,
- Da jab’s ’ne Keilerei,
- Und Bolle, jar nich feige,
- War mittenmang dabei,
- Hat’s Messer rausjezogen
- Und fünfe massakriert.
- Aber dennoch hat sich Bolle
- Janz köstlich amüsiert.
4.
- Es fing schon an zu tagen,
- Als er sein Heim erblickt.
- Das Hemd war ohne Kragen,
- Das Nasenbein zerknickt,
- Das linke Auge fehlte,
- Das rechte marmoriert.
- Aber dennoch hat sich Bolle
- Janz köstlich amüsiert.
5.
- Als er nach Haus jekommen,
- Da ging’s ihm aber schlecht,
- Da hat ihn seine Olle
- janz mörderisch verdrescht!
- ’Ne volle halbe Stunde
- Hat sie auf ihm poliert.
- Aber dennoch hat sich Bolle
- Janz köstlich amüsiert.
6.
- Und Bolle wollte sterben,
- Er hat sich’s überlegt:
- Er hat sich uff die Schienen
- Der Kleinbahn druffjelegt;
- Die Kleinbahn hat Verspätung,
- Und vierzehn Tage druff,
- Da fand man unsern Bolle
- Als Dörrjemüse uff.
7.
- Und Bolle wurd' begraben,
- in einer alten Kist'.
- Der Pfarrer sagte 'Amen'
- und warf ihn uff 'n Mist.
- Die Leute klatschten Beifall,
- und gingen dann nach Haus.
- Und nun ist die Jeschichte
- von uns'rem Bolle aus!
Einzelnachweise
- Karl Heinz Ocasek (Hrsg.): Fröhlich sein und singen ... Lieder aus unserem Leben. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 200o, ISBN 3-359-00974-6.
- ↑ Lukas Richter (Hrsg.): Mutter, der Mann mit dem Koks ist da. Berliner Gassenhauer – mit Noten. Leipzig: Dt. Verl. für Musik 1977
- ↑ Text auf ingeb.org
Kategorien:- Volkslied
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